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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 28.06.2011, 09:37   #1
Stimme der Zeit
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Hallo, G.Heimer,

ich kann nicht leugnen, hier (zumindest teilweise) auch mein Empfinden heraus zu lesen. Manchmal ist das so, denn was wünschen wir uns, wir "Schreiber"? Gelesen zu werden oder sehnen wir uns nach "mehr"? Möchten wir verstanden werden? Ich denke ja. Vielleicht ein Grund, weshalb ich viel kommentiere ...

Als ich mit dem Schreiben von Gedichten begann, sagte mir jemand: "Schreib doch nur für dich selbst." Meine Gedanken dabei waren: "Dann brauche ich es überhaupt nicht aufzuschreiben, sondern einfach nur "daran zu denken". Welchen "Sinn" hätte es, etwas zu schreiben, das nie jemand anderer liest?"

Selbst (oder gerade?) die "Nicht- oder Wenigkommentierer" möchten gelesen werden, sonst würden sie ihre Werke nicht in Lyrikforen posten ...

Zitat:
wenn Worte ungehört verhallen
und jeden Vers der Staub zerstört
ergießt sich gar der Saft der Gallen
sich die Metapher niemals wehrt
Von dieser Ansicht habe ich mich "gelöst", denn jeder Klick besagt: Jemand hat es gelesen. Muss unbedingt eine Antwort erfolgen? Für mich ist das nicht zwingend, mir genügt der Gedanke, dass jemand mein "Geschriebenes" las. Also habe ich es nicht "für die Katz" geschrieben. Bitterkeit (das entnehme ich der Gallen-Metapher) wäre m. E. nach nur angebracht, wenn nie auch nur ein einziger Kommentar erfolgen würde oder ich sicher wüsste, dass niemand jemals etwas von mir liest. Ist das Narzissmus? Ich weiß nicht, denn ich kenne zwar meine eigene Motivation, aus der heraus ich schreibe, die Motive anderer kann ich jedoch nur ungenügend beurteilen - da ich "Ich" und nicht "der Andere" bin.

Zitat:
auf Schultern ein joviales Klopfen -
wie sinnlos man die Zeit vertreibt
bleibt noch ein Loch damit zu stopfen?
die Frage nur: für wen man schreibt?
Das "jovialste" Klopfen bekam ich in einem anderen Forum, das ist schon eine Weile her: und "gefällt mir." Dann habe ich lieber keinen Kommentar, sondern stelle mir vor, was sich jemand beim Lesen denkt oder er/sie dabei empfindet. Ich hatte auch meine persönliche "Sinnkrise", in der ich mich fragte: "Für wen und wozu überhaupt schreibe ich?"

Für mich selbst lautet mittlerweile die Antwort: Für die Schönheit, die in Lyrik und Poesie liegt. Ich werde nie mehr als eine "Durchschnitts-Dichterin" sein, aber das macht nichts. Auch das Kleine zählt im "großen Ganzen" mit - und hat seinen Platz. Mir bereitet das Verfassen von Gedichten echte Freude, das Spiel mit Worten und Sinngehalt empfinde ich als schön und ich habe den Wunsch, das zu teilen. Mehr "steckt" nicht dahinter. Durch die geschriebenen Worte ist etwas da, das zuvor nicht da war. Also war ich nicht umsonst da, und ich habe nicht umsonst geschrieben. Diese simple Tatsache bleibt bestehen - auch wenn die "Verse zu Staub zerfallen". Sie waren da, auch wenn sie irgendwann sicher nicht mehr sind.

In diesem Sinne: Schreib, hab Freude daran, und teile sie mit anderen, einverstanden?

Dämonisch liebe Grüße

Stimme
__________________
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Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 30.06.2011, 07:42   #2
Quicksilver
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Beiträge: 350
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Hallo G. Heimer,

ihr seid nun beide ausführlich auf den Inhalt eingegangen, sodass mir dazu kaum noch etwas zu sagen bleibt ausser meiner persönlichen Empfindung und Motivation. Ich empfinde Spaß am Wortspiel und an der angestrebten Harmonie zwischen Technik und Inhalt. Schreibe ich nur für mich selbst? Nein. Schreibe ich nur für andere? Nein. Es ist eine Grauzone wie bei so vielen anderen auch. Da du deine "Metapher" auch auf die sonstige Bewertung von Menschen beziehst, kann man die Grauzone auch darauf anwenden. Natürlich möchten wir uns mit uns selbst gut fühlen und natürlich möchten wir auch, dass andere es ähnlich sehen. Fehlt dann das Feedback, neigt man dazu, schwarz und weiss zu denken -> kein Feedback = negatives Feedback. Narzisstisch? Nein - nur menschlich. Aus solch einer Stimmung entstehen dann solche Gedichte, die schon beinahe Feedback provozieren

Meine Eindrücke decken sich demnach großteils mit euren. Um dennoch etwas Neues beizusteuern, möchte ich das Gedicht formal und unter sprachlichen Gesichtspunkten betrachten, sofern mir das möglich ist:

Zitat:
wenn Worte ungehört verhallen
und jeden Vers der Staub zerstört
ergießt sich gar der Saft der Gallen
sich die Metapher niemals wehrt
Die Verse 3 und 4 empfinde ich als verbesserungswürdig. Mich stören das "gar" (Füllwort ohne verstärkende/verdeutlichende Wirkung, da dort nichts ist, auf das sich das verstärkende/verdeutlichende bezieht) und die Inversion (verdrehte Satzstellung) in Vers 4. Letztere ist, wie immer, Geschmacksache aber bei einem Verzicht auf Interpunktion bieten Inversionen ausreichend Platz für Missverständnisse Vom Sinn der Verse her: man wird wütend, weil man das fehlende Feedback als Missgunst deutet. Was mich am Sinn stört, ist der Folgevers und die Aussage, dass die geschriebene Metapher in den Versen sich niemals wehrt. Wogegen? Gegen die Missgunst? Wie sollte eine Metapher dies tun können? Sie steht doch dort und wird gefühlt erst gar nicht gelesen - sie ist ohnehin bereits vor der vermuteten Missgunst vorhanden. Sich zu wehren setzt aktives Verhalten vom Gegenüber voraus, aber dies fehlt nunmal. Entsprechend empfinde ich diesen Vers als unzureichend und die Inversion somit noch unnötiger.

auf Schultern ein joviales Klopfen -
wie sinnlos man die Zeit vertreibt
bleibt noch ein Loch damit zu stopfen?
die Frage nur: für wen man schreibt?
Hier sind m.E. wieder die Verse 3 und 4 die Schwachpunkte. Worauf bezieht sich das "damit"? Die Zeit, das Klopfen, die Metapher, das Schreiben? Sprachlich ist dies alles denkbar, da du keine deutlichere Brücke schlägst. In Vers 4 ist eine Inversion in der abschließenden Frage. Für meinen Geschmack ist dies ein uneleganter Abgang. Dies kommt einzig und allein durch das Wort "nur". Wenn du dies durch ein "ist" ersetzt, löst sich die Inversion auf und der Satz kann für sich allein dort stehen.
Du behältst einen guten Rhythmus bei gleicher Strophenstruktur und reimst fast durchgehend sauber. Formal ist also wenig auszusetzen. Gehört es zu deinem Stil, die Interpunktion nicht ganz aber zum großen Teil aufzugeben? Ich würde das in Ordnung finden, wenn entweder keine Missverständnisse auftreten können oder sich dadurch Wortspielereien und neue Kombinationsmöglichkeiten der Fragmente ergeben. Dies ist bei dir nicht gegeben. Als Beispiel nimm S2V2 und 3 - ich neige durch die fehlende Interpunktion dazu, die Verse als einen Satz zu lesen. Dann merke ich beim Lesen, dass dies keinen Sinn ergibt und springe nochmals zurück, werde aufmerksamer und warte auf ein Wortspiel oder eine sonstige Spielerei. Da diese nicht kommt, frage ich mich, wozu dann das Ganze? Dies ist jedoch meine eigene Erwartungshaltung. Ich bin also selbst schuld

Nimm diesen kommentar bitte nicht als negatives Feedback auf. Denn ist es nicht bereits positiv, wenn sich ein Leser eingehend mit deinem Gedicht beschäftigt?

Gruß
von
Quicksilver
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