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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 17.09.2014, 14:37   #1
juli
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Ganz unten

Vergeblich wolltest Du den einen Hafen,
jetzt suchst Du zwischen Öl und welken Blättern
den trocknen, menschenleeren Platz zum Schlafen
und findest nur Beton mit alten Brettern.

Der letzte Schuss verschleißt die Drahtseilvenen,
Gedanken hangeln bis zum Heroin.
Ein Teufelskreis mit bangem Todessehnen,
der Rausch verbrennt dein Sein mit Kerosin.

Der nächste Morgen heißt nur: Geld besorgen.
Verzweifelt, zwischen Markt und Bahnhofshalle
damit vertraut, denn hier bist Du geborgen,
verkaufst Du deine Haut und fühlst die Falle.

Auf dass der nächste Schuss zum sich Betäuben
verhilft, die Sonnenstrahlen zu empfinden,
auch wenn sich Denken und der Körper sträuben.
Dein Leben kennt nur Gift, und das heißt schinden.

Geändert von juli (21.09.2014 um 12:39 Uhr)
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Alt 17.09.2014, 18:10   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Sy!

Ein beklemmendes Szenario - erinnert mich an die Achtziger und "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".

S1Z2 - Kein Komma am Zeilenende.
S1Z3 - Kein Komma am Zeilenende.

S2Z2 und 4 haben jeweils sechs Heber in einem ansonsten fünfhebigen Gedicht.
Auch ist beim Wort "Heroin" ein Buchstabensturz passiert.

Vorschlag:
Der letzte Schuss verschleißt die Drahtseilvenen,
Gedanken hangeln sich zum Heroin.
Ein Teufelskreis mit bangem Todessehnen,
das "Fast" verbrennt dein Sein mit Kerosin.


Das Wort "Flüssigkerosin" ist mir ohnehin unverständlich: Kerosin IST eine Flüssigkeit. Und was das "Fast" bedeuten soll, ist mir auch unklar.

In S3 kann ich logisch nicht ganz folgen: "verzweifelt ... liegt dein Revier"? Wie kann ein Revier - wo auch immer - verzweifelt liegen? Und dass er sich dort, wo er sich verkauft und am Klo den Schuss setzt, geborgen fühlt, möchte ich bezweifeln. Hier wäre ein Ausdruck wie "damit vertraut" schlüssiger.

S4Z1 - "Auf dass der..."

S4Z3 - "auch wenn sich..." Punkt am Zeilenende.

S4Z4 - Neuer Satz, Komma nach "Gift".


Gern gelesen, abgesehen von kleinen, aber behebbaren Unstimmigkeiten und ein wenig Unerklärtem ein insgesamt sehr intensives Gedicht.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.09.2014, 09:07   #3
juli
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Standard Lieber eKy :)

Die Kommas, Punkte und überhaupt Deine Hilfe nehme ich gerne an.

Der letzte Schuss verschleißt die Drahtseilvenen,
Gedanken hangeln sich zum Heroin.
Ein Teufelskreis mit bangem Todessehnen,
das "Fast" verbrennt dein Sein mit Kerosin.

Mit "Fast" meinte ich den ständigen Zustand zwischen Leben und Tod. Das wird aber auch so in meinem Gedicht klar, deswegen habe ich das "Fast" durch " Kick " eingetauscht, das paßt inhaltlich zu der Strophe.

Danke das für Deinen Kommantar, und für Deine guten Ideen.

Liebe Grüße aus dem schönsten Land der Welt Schleswig - Holstein
sy
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Alt 18.09.2014, 11:08   #4
poetix
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Hallo syranie,
dein Gedicht beschreibt auch einen Schiffbruch, einen, der in unserer heutigen Welt leider noch zu oft vorkommt, aber einen vor dem man gerettet werden kann. Ich denke da an Entzugs- und Ersatzdrogen, an Beratungsstellen. Der Titel sagt "ganz unten" und da ist man auch. Ich weiß nicht, ob ein Hoffnungsschimmer da ins Bild gepasst hätte. Wahrscheinlich ist es am Leser, sich das zu denken und es auf andere Situationen zu übertragen.
Viele Grüße
poetix
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Lineam rectam sequere
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Alt 18.09.2014, 18:17   #5
Erich Kykal
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Hi, Sy!

"Kick" ist ein hartes, schrilles Wort, das nicht in den lyrisch-getragenen Duktus passt, obendrein noch ein platter Anglizismus.

Mein Vorschlag: "Rausch" Das klingt und hat klangliche Tiefe ohne harte Konsonanten und schrilles "i".

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.09.2014, 09:22   #6
juli
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Hallo poetix,

Ja, Du hast absolut Recht, es gibt Hilfe aus der Suchtspirale, ich sage Suchtspirale, weil Drogen - und Alkoholabhängige nach der ersten Behandlung es meist nicht schaffen abstinent zu bleiben. Der Weg aus der Sucht führt Schritt für Schritt hinaus, wenn es der(die)jenige denn will. Es gibt in jeder größeren Stadt, Suchthelfer, - Programme und Selbsthifegruppen. Wenn jemand Heroinabhängig ist, muß er/ sie vorher ins Krankenhaus, dort wird der Körper entgiftet. Anschließend wäre es gut in eine Therapie zu gehen, um die Nachhaltigkeit der Abstinenz zu sichern. Die Familie sollte auf jeden Fall mit eingebunden werden, denn durch die Sucht, und das Milieu, dass die Sucht fördert, sind sämtliche drogenfreien, menschlichen Kontakte, den Bach runtergegangen.

poetix, Ich freue mich das Du hier etwas zu meinem Gedicht gesagt hast.

Liebe Grüße sy

Hallo eKy,

Dein Vorschlag "Kick" gegen "Rausch" einzutauschen gefällt mir.

Danke, dass Du nochmals vorbeigeschaut hast.

Liebe Grüße sy

Geändert von juli (19.09.2014 um 13:30 Uhr)
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Alt 19.09.2014, 18:30   #7
Dana
Slawische Seele
 
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Beiträge: 5.637
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Liebe syranie,

die von Erich benannte Beklommenheit macht das Gedicht aus.
Es geht nicht um "Mätzchen und Launen" - es geht tief, nach ganz unten.

Du hast "unlamentös" eine Realität verdichtet und doch sehr nachdenklich gestimmt.
Es geht um eine "Falle", in die ein Mensch gerät und darin gefangen bleibt.
Damit sich ein Jener auf "Befreiung" einlässt, wird ihm aufgezeigt

Zitat:
Zitat von syranie
Auf dass der nächste Schuss zum sich Betäuben
verhilft die Sonnenstrahlen zu empfinden,
auch wenn sich Denken und der Körper sträuben.
Dein Leben kennt nur Gift, und das heißt schinden.
was mit ihm geschieht. Kein Zeigefinger auf Schuldige und Eigenschuld. Du hast ein "Schaubild" für die gegenwärtige Situation geschaffen. Als ob, wenn man ganz unten ist und nach Hilfe schreit, eine Hilfe erst möglich wird.

So stellt sich mir dein Werk dar. Durchdacht, nur scheinbar "nüchtern" und doch hilfreich.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 20.09.2014, 13:03   #8
Sidgrani
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Hei Sy,

auch ich lese dieses Gedicht mit leichter Beklemmung, emotionslos schilderst du das erbarmungswürdige Leben eines Menschen, der in die Suchtfalle getappt ist.

Sollte an dieser Stelle nicht auch ein Komma stehen? Vielleicht doch nicht, sonst hätte eKy bestimmt darauf hingewiesen.

"Auf dass der nächste Schuss zum sich Betäuben
verhilft, die Sonnenstrahlen zu empfinden,"

Lieben Gruß
Sid
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Alle meine Texte: © Sidgrani

"Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"

»Erich Kästner«
Sidgrani ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.09.2014, 12:39   #9
juli
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Beiträge: n/a
Standard Hallo Dana & Sid :)

Liebe Dana

In diesem Gedicht wollte ich einfach die Drogensucht beschreiben.
Ich habe es unter "Finstere Nacht" gepostet, weil der Alltag so beklemmend ist. Es gibt da auch keine Schuld. Die Frage, nach dem "Wie bin ich da reingerutscht" stellt sich in diesem Stadium nicht mehr. Das frühere Leben ohne die Sucht ist sehr weit entfernt, und es braucht Hilfe von Außen um dem innerem Selbst zu helfen.
Ja, ich wollte ein " Schaubild" für die gegenwärtige Situation erschaffen.

Danke für Deinen Kommentar, das Thema ist ja keine leicht Kost, und sollte es auch nicht sein.

Liebe Grüße sy

Hallo Sid

Wie ich Dana schon geschrieben habe, wollte ich hier einfach die Drogensucht beschreiben. Ja, es ist erbarmungswürdig. Der Weg daraus ist möglich. Hilfeangebote gibt es in Form von Streetworkern, Suchtberatungsstellen, Entgiftungskliniken, Therapieeinrichtungen und vor allen Dingen den Willen wieder aus der Sucht herauszukommen.

Da fehlt noch ein Komma?

Schnell gesetzt, danke für Deinen Kommentar und Dein Mitdenken.

Liebe Grüße sy
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Alt 23.09.2014, 02:15   #10
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
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Liebe Sy...
sehr beeindruckend, hier ist Dir ein großer Wurf gelungen.

Inhalt: Erschreckend und bedrückend und leider sehr real.
Wortwahl: absichtlich nüchtern, emotionslos....
und dafür gibts ein extra Kompliment.
Es ist nämlich gar nicht so einfach, beim Schreiben solcher Themen unvoreingenommen zu bleiben, ohne Wertung und Vorurteile, überhebliche Rechtschaffenheit, aber auch ohne Winseln, Jammern.

Du lässt dem Leser völlig frei entscheiden, wo in seiner Emotionskiste er den Text ansiedeln will.

Zum Formellen hast Du schon sehr gute Vor- und Ratschläge bekommen,
die Änderungen, die Du vorgenommen hast, gereichten allesamt zur Verbesserung.
Und den prall gefüllten Sack Satzzeichen, den ich immer dabei hab, wenn ich zu Dir auf Besuch komme, kann ich auch wieder zuschnüren.

Somit bleibt mir nur eins... ein dickes Lob und Kompliment hier zu deponieren für den gelungenen Balanceakt bei diesem sehr guten und wichtigen Werk.

GLG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (23.09.2014 um 08:31 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
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