Diese Zeit

[Falderwald]

Diese Zeit
(Wilhelm Klemm gewidmet)


Kontrolle, Überwachung, falsche Freunde,
bedrohte Freiheit, Spiel mit Macht und Geld,
Moraldefekt, Gefahr vom Himmelszelt,
noch ferne Kriege, unsichtbare Feinde.

Verstricktes Kapital lenkt die Gemeinde.
Computer leben. Irrsinn lockt die Welt.
Zur Weltanschauung findet sich ein Held.
Die Kunst heißt Tod. Der Tod kennt keine Freunde.

Du liebe Zeit! Wie gnadenlos verfressen,
wie geistig arm, wie unverschämt vermessen
sich deine Kinder ihre Hölle machen.

Auf ihren Straßen bleibt das Blut, das fließt,
in Apathie versteckt, du aber siehst
Mephistos Schattenbild im Rinnstein lachen.


Falderwald
. .. .

[Chavali]

Moin Faldi,

großartig sonettig verdichtet!

Diese, unsere Zeit mit all ihren Abgründen aufs Korn genommen, ja, mehr noch:
Gnadenlos ehrlich und und deutlich aufgezeigt, woran unsere Zeit und unsere Lebenswelt krankt.

In Strophe 1 zeigst du die allgegenwärtigen Bedrohungen unseres Daseins auf.
Strophe 2 zeigt weiter, wie Korruption und Bestechung unseren Alltag bestimmen
und dass Freundschaft immer mehr zum Fremdwort wird.

Die beiden Terzette ziehen das Fazit aus all diesen Dingen.
Der Teufel steckt wie immer im Detail und zeigt sich ganz offen.


Gern darüber nachgedacht hat mit lieben Grüßen,
Chavi

[Falderwald]

Hi Chavi,

was soll ich dieser Interpretation noch hinzufügen?

Du hast im Prinzip alles erwähnt, was in den Zeilen zu lesen ist.

Mephisto scheint zeitlos zu sein, denn er ist noch lange nicht geschlagen. Solange die Gier nach Macht, Geld und Ruhm besteht, solange hat er ein gutes Angebot parat, dem sich manch einer nicht entziehen kann.

Und das geht schon im ganz Kleinen los und steckt, wie du schriebst, im Detail, obwohl es immer wieder offen zu Tage tritt.
Aber manches will man ja nicht sehen, man stumpft eben ab und wird gleichgültig den Dingen gegenüber, die geschehen.

Ist doch alles ganz normal in dieser Zeit, oder?


Vielen Dank für deine Antwort...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

[Untergrund]

Diese Splitter ergeben ein schlüssiges Bild. Vergleichendes Psychogramm zwischen Held und Tod wäre interessant.

LG

[Falderwald]

Mephisto kann nicht sterben. Sein Psychogramm haben schon andere nicht ausgehalten und sind größenwahnsinnig(e Dikatoren) geworden.

LG

Falderwald

[Erich Kykal]

HI, Faldi!

Den Herrn Klemm kenne ich nicht, aber bezüglich des Gedichts kann ich meinen Vorkommentatoren nur beipflichten: Sehr gut verdichtet! Sehr gelungen!
Meine absolute Lieblingsstelle: Das letzte Terzett!

Vorschlag: In S4Z1 "Auf Straßen klebt das Blut, das sinnlos fließt,", also "klebt" statt des platten "bleibt", und der zuvor allzu kurze attributive Gliedsatz erhält durch das "sinnlos" das nötige Gewicht, um zu wirken und wahrgenommen zu werden.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

[Falderwald]

Servus Erich,

Wilhelm Klemm war ein deutscher Lyriker. Aus seiner Feder stammt das Sonett "Meine Zeit", welches ich hier leider nicht veröffentlichen darf, da der Autor 1968 verstorben ist und damit noch Urheberrechte an seinen Schriften vorhanden sein dürften.

Dieser Text hat mich aber inspiriert und deshalb habe ich es ihm auch gewidmet, weil ich seine Gedanken quasi fortgeführt und auf die heutige Zeit übertragen habe.

Zu deinem Vorschlag muss ich sagen, dass der leider so nicht umzusetzen ist.

Zum ersten möchte ich mit "ihren" Straßen schon einen Bezug zu den Kindern der Zeit hergestellt wissen und zum zweiten würde sich das m. E. auch gar nicht in den Text einfügen.

Wenn Blut fließt, ist das immer sinnlos, das bedarf eigentlich gar keiner Erwähnung. Wesentlicher aber ist hier, dass "klebt" gar nicht in die Satzkonstruktion passt.

Lass mal den eingeschobenen Nebensatz, "das fließt" weg.



Auf ihren Straßen klebt das Blut, ... ,in Apathie versteckt,...

Das Blut klebt in Apathie versteckt?

Also da finde ich, es "bleibt" in Apathie versteckt wesentlich stringenter.


Vielen Dank für deinen Kommi und die Vorschläge...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

[ginTon]

Hallo Faldi

Ja, das ganze Leben ist ein Kreis mit immer wiederkehrendem Muster. Man
will es nicht glauben, was einem selbst nicht passiert, bis man vor Schreck
wie aus einem Traum auswacht und all das Gesagte oder Geschehene eines
Tages wieder Realität wird. Gefällt mir die Sicht auf den Zeitgeist.

gerne mit beschäftigt, LG gin

[Falderwald]

Hi gin,

ja, George Orwell's "1984" ist längst von der Realität überholt worden. Und das Schlimme daran ist, das geschieht heute noch alles viel subtiler.

Es kann doch z. B. nicht sein, dass jemand, der sich für den Islam oder den Terrorismus oder ähnliches interessiert, und der Bücher oder Infos im Internet darüber bestellt hat, nicht in die USA einreisen darf. Das ist bereits mehrere Male geschehen.

Bei der Beantragung meines Personalausweises wurde ich gefragt, ob ich einen elektronischen Fingerabdruck darauf gespeichert haben möchte.
Als ich das verneinte, wies man mich darauf hin, dass ich dann auch nicht in die USA einreisen dürfe. Darauf habe ich gesagt, das ich darauf auch gar keinen Wert lege, welche Vorteile das denn noch bringen würde.
Darauf konnte man mir keine Antwort geben, also habe ich es auch gelassen.

Du hast ganz Recht, es ist wie ein Alptraum, aus dem man erwacht. Schon werden wieder die Kriegstrommeln gerührt, weil diese verdammten Kriegsschweine nicht mit ihrer Macht umgehen können und dieses kapitalistische Pack Profit aus ihren Waffenproduktionen schlagen will und Angst hat, seine Absatzmärkte einzubüßen.

Ich sag es dir, diese Welt ist ein einziger Misthaufen von verblödeten, gierigen und skrupellosen Idioten.

Und wir stecken mitten drin...


Vielen Dank fürs Lesen und deinen Kommi...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Du packst das Problem beim Schopf. Deine Sprache ist geradeaus ohne Schrörkel.

Ich schließe mich der Interpretation von Chavali 100% an.

Die Welt rückt immer mehr zusammen, und somit auch deren Geschwüre, wie Überwachung, in guten Zeiten wie in schlechten zusammenstehen, auf Gedeih und Verderb.

Sehr gerne gelesen, ich finde es stehen zu wenige auf und halten die Friedenstaube hoch, und lassen sie fliegen.

Liebe Grüße sy