18.05.2012, 08:32 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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DORFMÄDCHEN MIT HUND UND HENKELKRUG
Da steht sie: Müde ist ihr Blick gewendet,
vom harten Weg, den sie zu gehen hat. Die Füße ohne Schuhe, steingeschändet, hält sie den Wasserkrug, so klaglos, matt - das Hündchen mag vielleicht den Trost noch spenden, der ihrer Kinderseele Hoffnung gibt. Sie hält es klammernd fest in schmalen Händen: Noch Liebe schenkend, selber ungeliebt. Im Morgengrauen ist sie aufgebrochen: Warum nur ließ die Mutter sie allein? So wird es bleiben nun für Tage, Wochen! Die dunkle Trauer lastet wie ein Stein. Nur in der ferne malen Wolken Träume in einen Himmel, der sie nicht erreicht: Sie geht den Weg ins Dunkel jener Bäume, und ihre Jugend ists, die bald verbleicht… Dorfmädchen mit Hund und Henkelkrug: http://images.zeno.org/Kunstwerke/I/...5/1670009a.jpg
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! Geändert von a.c.larin (18.05.2012 um 08:37 Uhr) |
18.05.2012, 14:14 | #2 |
TENEBRAE
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Hi, larin!
Jaja, der olle Gainsborough! Nicht schwer zu erraten, wo du das Bild her hast. Du siehst es etwas anders als ich, ein wenig trauriger, hoffnungsloser. Ich ging ebenfalls von einer harten Kindheit aus, allerdings eingedenk der Tatsache, dass damals große Teile der Bevölkerung arm waren und sehr viele Kinder so herumliefen. Barfuß und Lumpen - das war an sich nichts Besonderes. Ihren Blick sah ich fast eher verträumt denn verhärmt, denn arbeiten mussten damals so gut wie alle Kinder, auch das war nichts Besonderes. Heute tendieren wir dazu, dieses Bild sozialkritisch zu betrachten, aber der Maler wollte damals vielleicht nur ein realistisches, ländliches Idyll einfangen, wer weiß... Dennoch kann auch deine Deutung durchaus treffend sein. Detail: Ist dir aufgefallen, dass sie - nach der damaligen Art zu malen - Madonnenfüße hat? Sie sind nicht angemessen kindlich, haben eher die Proportionen einer Erwachsenen. Absicht? Ein Hinweis auf die heilige Unschuld dieses Wesens, die das harte Leben bald zu beenden droht? Oder "konnte" er es einfach nur nicht anders? Dein Text gefällt mir, auch wenn er - nach meinem Geschmack - einen Tick zu pathetisch beschreibend ist (die Füße zB wirken nun wirklich nicht "steingeschändet"!) und einen Tick zu freiflottierend extrapoliert (Die abwesende Mutter zB). Schön, eine andere Version zu lesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
19.05.2012, 08:56 | #3 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hi erich,
ja - ich hab mir dieses bild wo "ausgeliehen". auf ehre und gewissen: ich hab erst meinen text geschrieben , bevor ich deinen las. war aber doch sehr erstaunt, wie viel parallellität sich da entwickelt hat! klar interpretiert jeder ein bild anders, nach seiner eigenen sichtweise und seinem eigenen standpunkt. Zitat:
dass irgendwie die mutter fehlt ( kann ja auch aus not sein, also gar nicht schuldhaft) schloss ich aus dem mitgeschleppten hündchen. kinder, die sich einsam fühlen, schleppen oft ihr kuscheltier mit sich, nach überallhin! ich seh sowas häufig. die "steingeschändeten" füße sind möglicherweise ganz und gar auf meinem eigenen mist gewachsen - mir tun die meinen seit tagen weh - mit und ohne schuhe! ( das ist wohl die "rache" der großstadt: da laufen die leute ein leben lang auf asphalt und in zu engen schuhe rum - und in vorgerückten jahren haben sie dann plattfüße! ) so gesehen ist unsere kleine ja geradezu "gesund" unterwegs - wird aber bei schlechtem wetter und minusgraden trotzdem nicht so angenehm gewesen sein. dass schuhe früher mangelware waren , davon hat mir noch meine großmutter berichtet: als junges mädel musste sie sich ein paar (!) mit ihrer schwester teilen - und nur, wer gerade die schuhe hatte, konnte auch am samstag abend zum tanz gehen...... mit diesem background hab ich gar nichts madonenhaftes an dem nackten fuß erkennen können, auch nichts verträumtes, verklärtes. in meiner familienhistorie gibt es da ganz andere, unromantische geschichten: großfamilie mit 11 kindern, davon stirbt die hälfte an krankheit und unterernährung noch vor dem 10. lebensjahr, die eltern sterben etwa mitte vierzig an diversen mangelkrankheiten- die verbliebenen kinder sind vollwaisen. die über vierzehnjährigen gehen in dienst und verdingen sich, die kleineren kommen in diversen pflegeeinrichtungen.... an diese schutzlosigkeit hat mich der nackte fuß erinnert. kinderarbeit bedeutet leid - und es gibt leider noch genug davon, auch heutzutage. (so romantisch -verklärend kann der "olle gainsborough" gar nicht malen, dass ich das nicht sofort im hinterkopf hätte....) wie man sieht: standpunkte erzeugen blickwinkel! (und dass ich jetzt mal in der interpretation düsterer war als du, das erheitert mich sogar.) liebe grüße, vielen dank fürs hineinschnuppern, larin
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19.05.2012, 11:36 | #4 |
TENEBRAE
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Hi, larin!
Zum besseren Verständnis: Die Madonnenfüße - es geht hier sowohl um die "edle" Fussstellung der Extremitäten zueinander: leicht nach außen gewinkelt, fast wie bei einem zierlichen Tanzschritt, wie auch um die Darstellung der Füsse selbst: Der leicht verkürzte große Zeh als Zeichen der Demut und Bescheidenheit, die lange zweite Zehe, die Symmetrie erzeugen soll, die Schwingung des Ristes usw... alles Details, mit deren Hilfe die Maler dieser Epochen versuchten, den "perfekten" menschlichen Fuss zu erschaffen, ästhetisch wohlgefällig und überirdisch wirkend. So "erhaben" malten sie die Quanten jahrhundertelang für Heiligenbilder aller Art - daher mein Terminus "Madonnenfüsse". Mir fiel sofort auf, dass die hier nicht in die Darstellung eines Bauernmädchens passten, das seit Geburt barfuß herumläuft und sich auch sicherlich nie in "edlem Schritt" fortbewegt hat. Da wären die Zehen gespreizter, weniger "damenhaft", knubbeliger, kindlicher. Der Fuss wirkte kürzer und vor allem auch: schmutziger! Ein Detail, dass vielleicht nur dem kundigen Auge auffällt... LG, eKy
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19.05.2012, 11:50 | #5 |
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Liebe Larin,
ich bin nicht kompetent genug, um dir positive Vorschläge zu geben und habe auch deshalb bisher zu den durchweg sehr wohl geratenen Bildgedichten von Erich Kykal nichts gesagt. Trotzdem möchte ich sagen, dass mir dieses Gedicht, mindestens genauso dein Tagesausklang, sehr gut gefallen. Ich denke, man kann auf verschiedene Weise ein Gedicht über ein Bild machen. Erich denkt mehr im Sinne einer Bildbeschreibung, bei dir scheint es in Richtung einer Bild-'Inspiration' zu gehen, was ich durchaus interessant finde. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ein Bildgedicht kaum direkten Bezug auf das nimmt, was im Bild dargestellt ist, sondern vor allem den vom Bild vermittelten emotionalen Gehalt ausdrückt (insbesondere bei moderner Malerei wäre das wohl möglich). Aber ich bin absoluter Malerei-Laie und schaue nur, um mich zu erfreuen. Vielen dank für deine beiden erfreulichen Gedichte. Liebe Grüße Thomas |
20.05.2012, 09:44 | #6 |
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hi erich,
das ist ziemlich interessant, was du da erzählst. nö - natürlich fälltt die von dir beschriebene kleinigkeit nur dem "fachmann" auf. aber das bestätigt eigentlich nur, was ich sage: man sieht nicht, was man sieht, sondern das wahrgenommene ist immer auch gefärbt durch die eigene brille ( sprich: eigene emotionale befindlichkeit, vorerfahrungen, backgroundwissen). und dabei beginnt das breite spektrum der interpretation. würde man nur beschreiben, dann könnte man bloß sagen: eine minderjährige weibliche person, ca. 6-8 jahre. man sieht eine ländliche szene , wohl aus dem vorigen jahrhundert? es gibt nur einen weg, der sich von links nach rechts durch das bild windet. in der rechten unteren ecke macht er eine kurve und verschwindet im mittleren bildgrund. links in der mitte ist ein baum. das mädchen ist nach art der zeit eher einfach , bäuerlich gekleidet: als oberteil trägt sie ein am rechten ärmel zerrissenes bräunliches hemd ohne knöpfe, darunter einen duneklgraugrünen rock, der ihr bis zu den knieen reicht. in der linken hand trägt sie einen henkelkrug. am oberen rand des kruges ist eine dreieckige scherbe ausgebrochen. der arm ist gestreckt, der rechte arm umklammert ein hündchen mit braunen schlappohren. der übrige hund ist weiß. das mädchen geht barfuß. die bäume und büsche am rechen bildrand sind dunkelgrün, fast schwarz. das gesamte bild ist in grau-grün-braun-tönen gehalten. rot, gelb oder blau sieht man nicht. die hellste stelle befindet sich etwas rechts der bildmitte. dort werden wolken dargestellt. die blickrichtung des mädchens ist nach links unten. sie hat kurzes, braunes haar, das ihr bis zu den ohren reicht, mit einem kleinen seitenscheitel links. da teilen sich auch die stirnfransen.... lieber thomas, das obige käme einer reinen beschreibung gleich - aber wer wollte schon so ein gedicht lesen? kunst, so denke ich, ist eigentlich immer schon eine art interpretation der welt. (selbst in der fotografie wird nicht immer nur abgebildet. der blickwinkel des fotografen erzeugt bereits eine eigene realität. da gabs doch mal diesen film: "8 blickwinkel" - wo ein ereignis aus der sicht und dem erleben von 8 personen erzählt wird - und der zuschauer sich mehr und mehr fragt: wie war denn das alles wirklich?) auch unser blick in die vergangenheit ist von unserem jetzigen wissen, unserem jetzigen standpunkt mitgeprägt. ich denke, auch das hat der dialog zwischen erich und mir deutlich gezeigt. vielen dank euch beiden für die interessante unterhaltung! lg, larin
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20.05.2012, 14:00 | #7 |
TENEBRAE
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Hier ein anderer Link zu einer gereinigten, farbigeren Version des Bildes. Diese Schinken vergilben nämlich im Lauf der Jahrhunderte aufgrund chemischer Reaktionen in der Firniss.
http://www.paintinghere.com/painting...cher_6047.html Hier erkennt man die ursprüngliche Farbintention. Auch der Hintergrund ist nun wesentlich besser erkennbar. LG, eKy
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20.05.2012, 17:52 | #8 |
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na so was,
das ist ja gleich, als hätte man sich die rosarote brille aufgesetzt... (und schon sieht die sache freundlicher aus). wer weiß - ob man mona lisas lächeln in rosarot auch noch so mysteriös gedeutet würde? oder sähe man dann eher ein rotzfreches grinsen darin? wie würde sie mit feuerroten haaren wirken? oder wie mit einem gelben kleid? in rosa sieht dieses bild hier wirklich mehr nach kindlicher unschuld aus - vor allem, weil man den weg und die bäume im hintergrund jetzt wieder erkennen kann. selbst der himmel hat durch den verminderten hell - dunkel kontrast deutlich an sanftheit gewonnen. sogar etwas blaues ist zu erkennen... ja, ja das spiel der farben! und jetzt wissen wir auch, warum frauen sich schminken: wegen der veränderung der eindrücke! (angemalt erkennt mich niemand! ) vielen dank für deine hilfreiche nachreichung! lg, larin
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