14.06.2009, 21:32 | #1 |
Verstorbener Eiland-Dichter
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Tausend Jahre
Vor tausend Jahren wählten Dörfler eine Mitte,
Um die sich Häuser, Höfe, Kirche drängten. Sie pflanzten einen Laubbaum nach Germanensitte, Die Linde, der sie Achtung, Urvertrauen schenkten. Der Heumond sah die ersten Blätter, klein und zart. Das dünne Stämmchen, noch gestützt vom Haltepfahl, Traf jeder Sturm im bitterkalten Winter hart, Gewann jedoch an Stärke mit der Jahre Zahl. Das Gotteshaus daneben hörte Christen beten, Doch Wotans Rabe war noch immer nicht vergessen. Ins Joch geschlagen sah man Ochsen Furchen treten, Dem Sonnenstand oblag es, Werk und Rast zu messen. Der Linde tiefer Schatten wuchs von Jahr zu Jahr. Es morschten Mauern, neue schuf die Menschenhand. Sie sah den Wandel hin von blond zu grauem Haar Und auch der Räuberbanden feigen Mord und Brand. Die Reiche blühten auf und Fürstentümer schwanden, Soldaten ruhten unter ihrer breiten Krone. Es kamen Menschen, Leute oft aus fernen Landen, Ein Handwerk übten sie zu meist bescheid'nem Lohne. Jahrhunderte verstrichen, sahen Throne leer, Despoten, weise Herrscher, Frieden oder Krieg. Es wuchs der Ort, an Köpfen gab es mehr und mehr, Gelehrsamkeit und Recht verhalfen sich zum Sieg. Nach tausend Jahren noch das Zentrum dieses Ortes, So steht der Baum, Geschichte in der derben Rinde. Die Chronik schreibt er ohne Klang des Menschenwortes, Die Feder führt die Würde dieser alten Linde.
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14.06.2009, 21:52 | #2 |
gesperrte Senorissima
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Ibrahim!
Wie hast Du es hier verstanden, Geschichte mit diesem herrlichen Baum eine innige Verbindung eingehen zu lassen. Die Linde wurde vielhundermal besungen, bedichtet, gezeichnet, fotografiert ("Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur!" - als Sinnbild eine Linde), jetzt wieder aufs Neue von Dir. "Ins Joch getrieben" gefiele mir besser. Das "geschlagen" ist allzu brutal. "Es kamen Menschen, Leute......" ließ mich stolpern. Wo ist der Unterschied? Wie wäre es mit z.B. "Es kamen Menschen, viele gar aus..." oder "viele auch..", denn das "oft" kann mißverständlich sein. Sie kamen ja wohl nur einmal. Und blieben - oder auch nicht. Sonst habe ich nichts zu mäkeln. Und dabei ist es keine Mäkelei. Schmerzlich, daß vielen Dorflinden nicht nur durch die Kanonen der WK I und II der Garaus gemacht wurde, sondern auch durch die sog. Dorfplatzsanierung. Hab Dank für Dein Gedicht von cyparis Geändert von Leier (14.06.2009 um 21:53 Uhr) |
15.06.2009, 17:16 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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lieber ibrahim,
ich weiß gar nicht, was ich sagen soll - ich muss wohl mit der alten linde schweigen und das vermächtnis von tausen erdenjahren in mich aufnehmen.... irgendwie hat man es früher immer verstanden, besondere bäume an sogenannten "kraftplätzen" zu pflanzen - von diesen orten geht auch heute noch ein geheimer zauber aus, doch erlebbar wird er nur durch die stille. in einem möchte ich dir widersprechen: um der gelehrsamkeit und dem recht zum siege zu verhelfen, könnten noch mehr bäume gepflanzt werden (wenn das hilft), da hat die menschheit noch lange nicht ausgelernt.... ein wunderschönes , würdevolles poem über den großen klangbogen der zeit! liebe grüße larin
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15.06.2009, 19:26 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Ibrahim
Beinahe durchgängige Metrik, fast vollkommen abgestimmte Reime und eine wehmütige Erinnerung nicht nur an die Linde als Baum, sondern auch an die vertraute, beständige Heimat, der Dorfmitte und den sozialen Begegnungspunkt der Gemeinde. Noch heute kann man dieses Zentrum in Strassennamen finden: den Lindenplatz. Gut konstruiert und bedichtet. Falls du Wert auf metrische Einheit legst, vermiss nochmal Zeile 2 in Strophe 1. Blaugold |
16.06.2009, 10:43 | #5 |
Verstorbener Eiland-Dichter
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Hallo!
@cyparis
Danke für die Hinweise, ich werde mir Änderungen überlegen. @larin Du hast Recht, der Sieg für Gelehrsamkeit und Recht ist noch nicht endgültig errungen. @Blaugold Danke für den Hinweis S1/V2 lese ich: xXxXxXxXxXx um DIE sich.... Allen herzlichen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
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