07.02.2013, 16:08 | #1 |
Galapapa
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Tod einer Scheinzypresse
Du hast noch grad die Häuser überragt,
hast Schatten all die Jahre uns gespendet, so imposant und mächtig, hochbetagt. Nun ist dein Dasein gnadenlos beendet. Du bist gefallen, langsam, Stück für Stück, hast heut so grausam deinen Stolz verloren. Nichts bringt uns deine Größe je zurück. Dein Schrei verhallt im Lärme der Motoren. So oft hab ich an dir hinaufgeschaut, nun liegst du vor mir, totes Holz auf Spänen, die grünen Zweige sind mir noch vertraut, dein Blut fließt stumm in meinen stillen Tränen. |
07.02.2013, 17:57 | #2 |
TENEBRAE
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Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Charly!
Wer kann diese Wehmut nicht nachempfinden!? Wundervoll und intensiv hast du die Trauer über den Verlust so vertrauter "Gefährten" eingefangen. Manche müssen weichen, weil sie zu alt wurden: Viele Städte haben ein verordnetes Höchstalter für Bäume auf öffentlichem Grund, um Surmholzbruch und eventuellen Klagen Geschädigter vorzubeugen. Manche stehen Bauvorhaben im Wege. Die Gründe mögen nachvollziehbar sein, dennoch geht jedesmal ein Stück umgebender Vertrautheit verloren, werden wir ein Stückweit selbst dadurch aus der Welt gerissen. Wenn verschwindet, was uns so lange begleitet hat, verspüren wir die eigene Endlichkeit umso unangenehmer! Tipp: S2Z4 störte mich etwas. Das Bild ist nicht schlüssig, denn Bäume schreien nicht. Alternative: "Dein Duft versiegt im Kreischen der Motoren." Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.02.2013, 19:47 | #3 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Galapapa,
ein gefallener oder ein gefällter Baum löst bei mir immer eine tiefe Trauer aus. Wer öfter direkt zugesehen hat, dem geht der Schrei, das Ächzen und das letzte Aufheulen bis ins Mark. (Damit du es ganz leicht hast, würde ich den Schrei lassen.) Ein schönes, nein ein sehr schön trauriges Naturgedicht. Eines, das die verdichtete Trauer nachvollziehbar macht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
07.02.2013, 21:39 | #4 | ||
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Galapapa,
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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08.02.2013, 10:03 | #5 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo G.,
mir gefällt dein Gedicht ebenfalls sehr. Der kleinen Kykalschen Krittelei bzgl. des Schreis schließe ich mich an. Zwar empfinde ich diesen Schrei ebenfalls, doch wirkt durch ihn hier das Gesamtbild etwas schief. Habe selber ein enges Verhältnis zu Bäumen, die ich kraftspendend und beruhigend finde. - Im Kreis Bebra gibt es ein über tausendjähriges Exemplar mit deutlich spürbarem "Herzschlag", wenn man sich dagegen lehnt. Leider bin ich nur selten in der Gegend. --- In der Nähe von Großbaustellen, auf die ich offenbar abonniert bin, kann man ihr Leiden spüren. Einmal sind dort alle Bäume gefällt worden, bis auf einen, der zu tief verwurzelt war und selbst schweren Baumaschinen standhielt. Über ein halbes Jahr blieb er in Schräglage, bis er von selbst aufgab. Das war zum Heulen traurig. Liebe Grüße marzipania |
08.02.2013, 11:09 | #6 |
Galapapa
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Hallo Erich,
danke für Dein Lob und Deinen Kommentar! Im beschriebenen Fall war der mächtige Baum, der die Häuser weit überragte, unbeliebt weil er die Sonne verhüllte und bei Sturm eine Gefahr gesehen wurde. Zypressenholz scheint außerdem sehr begehrt und wertvoll zu sein. Das aggressive Geräusch einer Motorsäge und das Krachen und Ächzen eines fallenden Baumes, der "Blutgeruch" nach frisch geschlagenem Holz, das alles empfinde ich wie den Aufschrei, den Todesschrei des niedergestreckten Baumes. Deshalb möchte ich diesen übertragen gemeinten "Schrei" gerne im Text belassen. Gerade diese Stelle ist für mich sehr wichtig in diesm Gedicht. Das verstehst Du sicherlich. Nochmals danke und herzliche Grüße! Galapapa Liebe Dana, danke für Dein schönes Lob. Dieser riesige Baum stand im Garten des Hauses, in dem wir gelebt haben bis meine Tochter neun Jahre alt war. Die folgenden 14 Jahre lebten meine Tochter und ich allein im übernächsten Haus; der prächtige Freund war dann also unser Nachbar. Sterben musste er, weil er zu viel Schatten erzeugte und sein Holz wohl sehr wertvoll ist. Meine Tochter und ich, wir haben beide geweint als er fiel. Diesen Aufschrei empfinde ich genau wie Du, immer wenn wieder einer hingestreckt wird. Mit lieben Grüßen! Galapapa Hallo ginTon, auch Dir herzlichen Dank für Dein Lob! Danke auch für Deine Anregung zu S3/V1! Allerdings sehe ich das auch als Geschmacksache. Immer die gleiche Form in einem Text kann ja auch langweilig empfunden werden. Mit dem "so" wollte ich das "oft" eben unterstreichen. Das mag in manchen Ohren altmodisch klingen. Klar, es ist müßig, darüber zu diskutieren; ich ändere es jetzt mal in Deinem Sinne. Herzliche Grüße an Dich! Galapapa Liebe marzipania, erstmal danke schön für Dein Lob! Was die Schieflage bezüglich des "Schreies" angeht, so empfinde ich, dass rein von der Sprache her gesehen auch diese Metapher ins Bild passt; außerdem ist es nicht die einzige. Ich habe mal versucht, die Strophe diesbezüglich zu ändern, doch das ging dann immer zu Lasten des ganzen Gefüges (irgendwie hat mich das dann an die Szene von Loriot "das Bidl hängt schief" erinnert; das Geraderücken hatte da ja schlimme Folgen); die Meinungen gehen hier ja auch in den Kommentaren auseinander. Ich selber habe in dem schrecklichen Lärm beim Fällen eines Baumes immer schon einen Todesschrei gehört und empfunden. Deshalb lasse ich das nun mal so stehen. Ich kann Dich sehr gut verstehen. Auch ich komme überhaupt nicht mit der Einstellung vieler Zeitgenossen klar, Pflanzen und eben auch Bäume als "Sache" zu bezeichnen, als ob man das Leben darin einfach ignoriere. So etwas wie eine Seele kann man nur empfinden; ich habe in Bäumen eine solche oft gespürt, so komisch das für manchen jetzt klingen mag. Für mich ist das dieser Herzschlag, von dem Du geschrieben hast. Ich lasse mich auch gerne auslachen, wenn ich mit meinem Pflanzen im Garten rede... Mit lieben Grüßen an Dich! Galapapa |
09.02.2013, 10:06 | #7 | |
Gast
Beiträge: n/a
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Zitat:
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09.02.2013, 12:15 | #8 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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DAS wiederum kann ich nicht nachvollziehen. Ich liebe Pflanzen (solang ich sie nicht betreuen muss...) und mir tut's leid um jeden Baum, der gefällt wird - aber mit ihnen zu reden, sie gar zu umarmen usw... - derlei fiele mir nicht im Traum ein, tut mir leid.
Meine Überzeugung gründet eher im Glauben, dass jede Lebensform ein Recht hat zu existieren, solange es möglich ist (inkonsequent, ich weiß - denn wovon ernähren wir uns denn!!?), eben auch ein Baum. Reden könnte ich allerdings genauso gut mit einem Stein! Alles andere ist - nach meinem persönlichen Dafürhalten, wohlgemerkt (ich erhebe keinen Anspruch auf absolute Wahrheit...) - esoterischer Mumpitz! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
10.02.2013, 12:53 | #9 |
Galapapa
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Hallo Erich,
früher habe ich auch so gedacht wie Du. Im Laufe meines Lebens habe ich aber von klein auf unzählige Pflanzen gezüchtet und versorgt. Soweit es ging hatte ich immer einen Garten und viele Pflanzen im Haus und dabei eine Menge Erfahrungen sammeln können. Darunter waren eben auch Beobachtungen, die ich mir nicht schlüssig erklären konnte. Irgendwann las ich von gezeilten Versuchen mit Pflanzen, bei denen die Reaktion dieser Lebewesen auf gute und schlechte Behandlung dokumentiert wurde. Einige dieser Studien sind wissenschaftlich anerkannt und haben gezeigt, dass Pflanzen auf einer Skala von "eingehen" bis "prächtig gedeihen" sehr unterschiedlich reagieren, wenn man sie unter sonst identischen Lebensbedingungen vernachlässigt oder gar quält oder aber sie sorgfältig umhegt und pflegt. Dies deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen mit Pflanzen und ich habe für mich dafür auch eine Erklärung gefunden, die allerdings einer wissenschaftlichen Basis entbehrt: Die meisten Menschen haben ja ein Gespür für Sympathie und Antipathie. Mir geht es jedenfalls so, dass ich meist schon nach kurzer Zeit spüre, wenn ein Gegenüber mich nicht besonders mag, auch wenn er sich nichts anmerken lässt und mich wie einen lieben Freund behandelt. Ich fühle mich dann in Gegenwart dieses Menschen nicht besonders wohl und bin sehr vorsichtig. Dieses Gespür lässt sich oft nicht nur an bestimmten Dingen, wie Mimik oder Gestik festmachen und ich erkläre mir das mit einer gewissen Ausstrahlung dieses Menschen, die ich registriere. Warum sollte die Reaktion von Pflanzen nicht auch auf ähnlicher Basis beruhen?! Ich kann Dich einerseits verstehen, auch ich neige dazu, nur das zu glauben und zu akzeptieren, was ich sehe und rational erklären kann. Aber sind nicht immer wieder Dinge entdeckt worden, die wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können. Z.B. der Erdmagnetismus: Vor einiger Zeit wäre man verbrannt worden, wenn man von geheimnsivollen Kräften gesprochen hätte, die den Zugvögeln über Kontinente hinweg den Weg zeigen und Schildkröten durch tausende Kilometer Ozean. Heute sind das Fakten, die wir kennen. Ich bin deshalb beim Umgang mit solchen "Grenzdingen" vorsichtiger geworden und beziehe den rationalen Überlegungen auch meine Erfahrungen mit ein, bevor ich etwas als Mumpitz abqualifiziere. Außerdem möchte ich bei alledem auch klarstellen, dass das Reden mit Pflanzen selbstverständlich auf einer ganz anderen Ebene stattfindet, als die Kommunikation mit den Artgenossen. Ich hoffe doch, dass Du uns nicht für so bescheuert hältst, dass wir annehmen, dass die Pflanzen verstehen, was man zu ihnen sagt. Ansonsten könnte man ja auch auf eine gesprochene Antwort warten. Pflanzen registrieren Schall genauso wie Berührungen. An Stimmlage, Lautstärke usw. lässt sich erkennen, welcher Gesinnung der Sprechende ist, ohne seine Worte zu versstehen. Warum sollten Pflanzen nicht auch in der Lage sein, solche Unterschiede zu erkennen und für den eigenen Bedarf zu "verstehen"?! Im Angesicht der Koplexität unseres Universums mit allem, was es enthält schätze ich mein eigenes Wissen und Verstehen als äußerst gering und minimal ein und ich denke keineswegs, dass ich mit diesen bescheidenen Fähigkeiten allein bin.: Spaß beiseite, lieber Erich, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es zwischen uns und allen noch so "niedrigen" Lebensformen auf diesem Planeten viel mehr gibt, als wir wissen und sicher auch Dinge, die heute noch belächelt werden. Ich hab mich über Deinen Kommentar gefreut, denn über Deine Gedichte lässt sich nicht streiten; die sind zu gut. Herzliche Grüße! galapapa |
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