03.12.2009, 19:55 | #1 |
Verstorbener Eiland-Dichter
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An meinen alten Ohrensessel
An meinen alten Ohrensessel
Guten Abend alter Freund, der du, wenn die Lampe scheint, mich so freundlich grüßt, wartest immer ohne Klage und hast ohne jede Frage manche Stunde mir versüßt. Hundert Jahre und noch mehr ist es nun bestimmt schon her, daß man dich mit Gunst als ein Meisterstück ersonnen und zu schaffen hat begonnen ganz nach alter Handwerkskunst. Prächtig ist das Werk gelungen, denn du hast die Zeit bezwungen, da so viel geschehn, um dich her versanken Reiche, aber fest wie eine Eiche bliebst du selbst beharrlich stehn. Spurlos ging die Zeit, mein Lieber, freilich nicht an dir vorüber, zahltest deinerseits, Lederpracht aus Jugendtagen ist schon lange abgetragen, trägst das vierte Kleid bereits. Moosgrün bist du jetzt gewandet und mit Fransen neu umrandet, würdevoll und stolz, doch das ist nur Außenseite, denn im Innern bist du heute noch aus gutem alten Holz. Siehst du, darauf kommt es an schließlich doch bei jedermann hier auf dieser Welt, daß man sich in seinem Leben, mag´s auch Änderungen geben, stets den guten Kern erhält. Darum wollen wir zwei Alten immer treu zusammenhalten, so sei´s abgemacht: du wirst Ruhe mir gewähren und ich halte dich in Ehren, bis das Lebenswerk vollbracht. (Sedinus) Geändert von Sedinus (03.12.2009 um 20:06 Uhr) |
03.12.2009, 22:15 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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ahhh sedinus,
in diesen sessel möcht ich mich doch auch gleich hineinkuscheln, so anheimelnd hast du mir das gute stück nahe gebracht! wir hatten auch mal so einen stuhl zuhaus, doch leider nirgendwo platz, wo er richtig zur geltung gekommen wäre ( mussten ihn dann leider weggeben). er steht nun würdig in einem anderen hause.... liebe grüße an die beiden kernigen buam, larin |
04.12.2009, 21:28 | #3 | |
Slawische Seele
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Guten Abend Sedinus, alter Freund
sieben Strophen hast du deinem Ohrensessel gewidmet - tiefsinnig und lyrisch bestechend. Die Reime sauber, die Metrik perfekt. Übergreifende Verse machen es zu einem Kunstwerk, das den Meister erahnen lässt. Was mir aber noch mehr imponiert, ist die Weisheit und wie du sie aus einem "Möbelstück", das dir lange und treu gedient hat, herausfilterst. Ganz besonders diese beiden: Zitat:
Man kann diese Aussage ebenso auf den Menschen übertragen, nur dass dort die gute Behandlung eine wohltuende Zugabe ist. Die Kernpflege muss der Mensch selbst vollbringen, indem er sich treu bleibt. Das gelingt nicht jedem. Mir gefällt dein Gedicht ausgesprochen gut. Ich wünsche euch beiden eine gute Zeit. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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06.12.2009, 20:41 | #4 |
ADäquat
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Lieber Sedinus,
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09.12.2009, 19:44 | #5 |
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Hallo Sedinus,
auch ich bin glückliche Besitzerin eines alten Ohrensessels, ich "kenne" ihn seit meiner Kindheit, da war er auch schon alt . Er ist riesig, gemütlich, warm und kuschelig. Das ehemalige burgunderrote, abgewetzte Leder wurde inzwischen oft durch zur Umgebung passenden Stoff ersetzt, mal geblümt, mal gestreift und jetzt kariert . Ich schiebe ihn von einem Raum in den anderen, irgendwie steht er immer wegen seiner Größe im Weg, aber ich würde mich nie von ihm trennen! Diesen alten Begleiter mit einem Gedicht zu ehren, ist eine wunderschöne Idee. Deine Worte sind liebevoll, dankbar und bewundernd, wirklich schön. Vielleicht ein wenig lang geraten jedoch nie langweilig, sprachlich perfekt und mit schönen Bildern begeistert mich Dein Gedicht. Herzliche Grüße, Medusa. |
15.12.2009, 18:30 | #6 |
Verstorbener Eiland-Dichter
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Seid gegrüßt Larin, Dana, Chavali und Medusa!
Es ist doch erstaunlich,was so ein altes Möbelstück alles bewirken kann. So spendet es nicht nur Ruhe und Behaglichkeit, sondern weckt auch liebe Erinnerungen, reizt zum Dichten und führt zu so freundlichen Kommentaren wie den Euren. Die Reimfolge aabccb habe ich dem Gedicht „Abendlied“ von Matthias Claudius abgesehen. Ich liebe dieses Gedicht, u.a.wegen seiner schlichten Frömmigkeit. Was die „wackligen Reimpaare“ betrifft (ich glaube man nennt sie auch Unechte Reime), so halte ich sie für durchaus zulässig. Man trifft sie in der Dichtung öfter mal an, auch im Abendlied (stille – Hülle, schön – sehn, Menschenkinder – Sünder, freun – sein). Die Hauptsache bei Gedichten ist ohnehin die Metrik. Übrigens: Es gibt ja noch ein Möbelstück, welches noch viel inniger mit dem Menschen verbunden ist, das Bett. Es ist nicht nur der wichtigste Erholungspunkt, sondern teilt mit dem Menschen Lust und Leid, Geburt, Liebe, Krankheit und Tod. Wäre das nicht ein Sujet für Euch? Herzliche Grüße von Eurem alten Sedinus |
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