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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 09.05.2016, 09:16   #1
juli
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Beiträge: n/a
Standard Vergeblich

Vergeblich


Vergeblich wirst du Wasser auf die Wüste sprühen,
es gibt kein sattes Wachsen, keinen Lebenshauch,
ein Dämon hütet mich samt meinem flachen Bauch,
die Saat vertrocknet, und sie wird auch niemals blühen.

Wir beide werden nur zur heißem Staub verglühen,
mein Inneres verbrennt zu aschefahlem Rauch,
verschwindet ohne Babystrampeln und zeigt auch,
vergeblich war der heißen Leidenschaft Bemühen.

Wie soll denn jemals etwas sterben ohne Leben?
Verdreht sind die Natürlichkeit und jeder Sinn -
du bist gebrochen, die Gefühle sind daneben

und deine Welt wird ohne Schenken nie erbeben,
die Kinderlosigkeit zerstört den Neubeginn.
Wie sollen wir uns halten, ohne aufzugeben?





Geändert von juli (10.05.2016 um 09:02 Uhr)
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Alt 09.05.2016, 13:54   #2
Jongleur
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Liebe syranie.

etwas unter Zeitdruck (aber wann bin ich das nicht) mein erster Eindruck:

Ich verstehe den Text als eindrucksvolle Klage einer Frau, der es verwehrt ist, Kinder zu bekommen. Ich gehe weiter davon aus, dass diese schockierende Erkenntnis noch relativ neu für sie ist, so dass ihr im Affekt das ganze Leben plötzlich sinnlos erscheint. Da ich selber Vater bin, kann ich diesen Schmerz eher nur erahnen.- Und deshalb formuliere ich die nächsten Zeilen in aller gebotenen Zurückhaltung!

Aber ich habe zufällig einige sehr aktive Frauen in meinem nähsten Umfeld, die dieses Schicksal teilen. Teils selbstbestimmt, teils unfreiwillig. Sie haben sich mit ihrer Kinderlosigkeit (scheinbar) längst arrangiert. Von gelegentlicher Seelenbewölkung abgesehen. Doch wer hat die nicht?! - Vermutlich würden sie das Gedicht authetischer als ich verstehen, aber gegen seine Hoffnungslosigkeit polemisieren wollen.

Auch ich meine, dass die scheinbar ewig nachhallende, uneigenützige Energie, die in der Kindererziehung zu liegen scheint, auch anderen Menschen oder -Entschuldigung- Projekten zu Gute kommen KANN, wenn es gelingt, den Schalter im Kopf entsprechend um zu legen.

Fazit: Ich schwanke zwischen Mitgefühl und dem Wunsch, ehrlich trösten zu wollen und vielleicht (!) sogar etwas zu können... so weit es die Zeit halt erlaubt...! Ich muss aber auch zugeben dass mir als Autor hoffnungloses Klagen nicht liegt. Meine Texte sind meist in Dur geschrieben, mit gelegentlichen Mollakkorden. Mach was gegen...

lg

Geändert von Jongleur (09.05.2016 um 14:06 Uhr)
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Alt 09.05.2016, 16:46   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Sy!

Die Fehlerchen und Vorschläge:


Vergeblich wirst du Wasser auf die Wüste sprühen,
es gibt kein sattes Wachsen, keinen Lebenshauch,
ein Dämon hütet mich samt meinem flachen Bauch,
die Saat vertrocknet, und sie wird auch niemals blühen.

Wir Beide werden nur zur heißem Staub verglühen, "beide" klein.
mein Inneres verbrennt zu aschefahlem Rauch - Komma am Ende, nicht Bindestrich (ist keine Überleitung oder Konsequenz hier, nur eine Aneinanderreihung von Geschehnissen.
verschwindet ohne Babystrampeln und zeigt auch Doppelpunkt oder Komma.
all unsre heisse Leidenschaft war nur Bemühen. Vorschlag (+Komma dann am Ende der Vorzeile): "vergeblich war der heißen Leidenschaft Bemühen."

Wie soll denn jemals etwas Sterben ohne Leben? "sterben" ist Teil des Verbs - klein!
Verdreht ist die Natürlichkeit und jeder Sinn - Müsste das nicht Plural sein? "Verdreht sind ..."
du bist gebrochen, die Gefühle sind daneben Gemeinsprachliche Phrase am Zeilenende, nicht lyrisch. Vorschlag: "du bist gebrochen, wie getilgt ist all dein Streben,"

und diese Welt wird ohne Schenken niemals eben, Seltsames Bild - ist eine ebene Welt besser? Vorschlag: "und deine Welt wird ohne Schenken nie erbeben,"
die Kinderlosigkeit zerstört den Neubeginn.
Wie sollen wir behalten ohne aufzugeben? WAS behalten? Vorschlag: "wie sollen wir uns halten, ohne aufzugeben?". Komma vor "ohne".


Zum Inhalt hat Jongleur sich schon in paar gute Gedanken gemacht.

Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 10.05.2016, 08:57   #4
juli
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Lieber Jongleur,

Ich bedanke mich für deine mutige Interpretation. Zeit spielt bei mir keine Rolle, kennst du das 5. Element? Das sagen die Außerirdischen auch. Spaß beiseite. Seit 2009 worte ich hier so vor mich hin. Du kennst mich nicht, aber ich werde dir veraten, daß ich dieses Jahr 60 Jahre jung werde. Ich werde, weil du mir Trost spenden wolltest, mein Profil ändern. Damit man mehr sehen kann, wer hinter Syranie steckt.

Dieses Gedicht habe ich jemanden gewidmet. Du hast mir anhand Deiner Rückmeldung gezeigt, wie sehr ich Emotionen übertragen habe. Das habe ich gar nicht so vermutet. Ich bedichte das wonach mir ist. Themen, die bestimmt werden, kann ich meist nicht erfüllen, weil mein Gedichtegehirn dann streikt. Ja, du hast absolut Recht, das Leben heißt Hoffnung, Dur und "Halb Glas voll"! Das Pärchen was ich vor Augen hatte, hat noch keine Worte gefunden, und dann können Trauer Tränen befreien.

Dieses Gedicht ist für die Pärchen, die keine Worte finden.

Ich wollte nur einen kleinen Beitag bringen...

Kinderlosigkeit bedeutet nicht unglücklich zu sein, ich kenne auch andere Paare, die gemeinsam in die Welt gehen. Klar könnte man Backbuchrezepte rausjagen, und sagen, dann knuddele doch eben Tiere, reise um die Welt, erlebe Höhen in deinem Job, adoptiere doch andere Kinder, kümmere dich um Hilflose und und und... Es muß jeder für sich alleine einen Weg aus dem nicht erfüllten Kinderwunsch finden.

Vielen Dank für dein Trösten wollen, und deine mutige Interpretation.

Liebe Grüße sy

Lieber eKy,

Ich bedanke mich für deine Ideen. Dein Kopf ist gold wert! Mit deinen Formulierungen kann ich mich anfreunden, sie bereichern und verändern nicht den Sinn.

"und diese Welt wird ohne Schenken niemals eben," damit meine ich: läuft das Leben in normalen Bahnen. Und es ist ja ein Bedürfnis von Frauen, die Kinder bekommen, daß das Baby ein Geschenk ist. Ob die Welt dann besser wird, weiß ich auch nicht, aber die schwangere Frau denkt es, weil sie ein Baby bekommt. Mir ging es so.



du bist gebrochen, wie getilgt ist all dein Streben," getilgt? finde ich nicht so gut, auch wenn bei mir am Ende eine gemeinsprachliche Phrase steht, werde ich sie behalten.

In der letzten Zeile fehlt das "uns" klar! Darüber hatte ich noch gegrübelt, und dann doch das Gedicht in den Orbit gejagt. So ist die letzte Zeile viel besser.

Liebe Grüße sy


Geändert von juli (10.05.2016 um 09:10 Uhr)
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Alt 10.05.2016, 11:32   #5
Jongleur
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Liebe syranie,

danke für deine so liebe wie erhellende Antwort.

Ja, Kinderlosigkeit gehört aus meiner Sicht zu den Themen, wo man online irgendwie barfuß über rohe Eier läuft...

....wobei eben auch hier die Frage ist, wie weit man als Autor und Feedbacker "Mitgefühl" fasst. Wie reagiert man am klügsten, wenn ein naher Mensch ein schlimme Diagnose erhält. Zuviel Bedauern erhöht unnötig dessen Leidensdruck, zuwenig aber auch.

Also wenn ich von mir ausgehe, dann lösen alle schockierende Mitteilungen in mir zunächst Panik aus. Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig, das verzweifelt Fluchtausgänge sucht. Aber in der Panik laufe ich natürlich an allen vorbei. Da ich das weiß, verdränge ich das Problem, bis ich einige heftige Spaziergänge im Grünen hinter mir und zwei, drei Nächte geschlafen habe. Danach hat sich noch jede Panik ein klein wenig beruhigt...

... und mein Schöpfergeist darf wieder ran. Nicht dass ich ihm in dieser Phase übertrieben vertraue, aber dennoch: nichts strömt mehr Zuversicht aus als die Suche nach Lösungen. Deshalb nehme ich als nächstes täglich eine sich steigernde "Dosis Arbeit" gegen die hellhörige Panik. Gerade so viel, dass ich den Eindruck habe, es geht voran. Meldet sich die die Panik, will ich sagen können: "Ruhig Brauner, ich arbeite ja dran."

Und zu dieser Therapie zähle ich auch die meisten meiner unveröffentlichten Gedichte! Oft vermische ich hier meine speziellen Erfahrungen mit einer Angst und ihrer Besänftigung. Denn es ist seltsam: Jede Krisensituation taucht meine innere und äußere Welt regelmäßig in ungewöhnlich klares Licht und scharfe Konturen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich junge Dichter hauptsächlich vom Unglück inspiriert fühlen.

Ich allerdings bin vorsichtiger geworden. Ich kenne kein Unglück mehr ohne Glück.. und kein Glück ohne Unglück. Deshalb wandern meine Krisentexte meistens in die allgemeine Stoffsammlung und tauchen abgespeckt erst wieder in Texte auf, an denen ich irgendwann später mal entspannt mehrere Tage oder Wochen arbeite.

Diese entspannten Texte sind es, die ich auch noch nach Jahren gern lese, weil ....hm... naja.. weil ich mich vielleicht SO am liebsten sehe...

Lg

Ehrlich gesagt: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Mensch in seiner Ohnmacht selbstmitleidige Lyrik braucht, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Selbstmitleid? Lähmender Trost? Was und wem nützt es, wenn wir radikal darstellen, dass wir soeben (mal wieder) endgültig resignieren?

Geändert von Jongleur (10.05.2016 um 14:54 Uhr)
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Alt 11.05.2016, 08:46   #6
juli
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Lieber Jongleur,


danke für deine so liebe wie erhellende Antwort.

Gerne, sehr gerne.

Ja, Kinderlosigkeit gehört aus meiner Sicht zu den Themen, wo man online irgendwie barfuß über rohe Eier läuft...

Kinderlosigkeit ist in der Gesellschaft ein Thema. Immer mehr Paare versuchen mit Hilfe der Medizin Kinder zu bekommen, die Frauen werden beim ersten Kind immer älter. Es wird viel geschwiegen, und die Paare versuchen oft ihre Kinderlosigkeit auch vor Freunden geheim zu halten. Ich habe mein Sonett in "ich Form" geschrieben,( es stimmt es nimmt mehr mit, aber ich bin nicht frei von Emotionen) und du hast Recht, das Thema ist wie "barfuß auf rohen Eiern".

....wobei eben auch hier die Frage ist, wie weit man als Autor und Feedbacker "Mitgefühl" fasst. Wie reagiert man am klügsten, wenn ein naher Mensch ein schlimme Diagnose erhält. Zuviel Bedauern erhöht unnötig dessen Leidensdruck, zuwenig aber auch.

Klugheit wird nicht immer mit dem Löffel gefressen, ich bin nicht immer klug, bei mir steht "wilder Engel" und ja zu viel Bedauern heilt nicht und zuwenig heißt, das man gefühllos ist, es ist ein Grad auf der Rasierklinge.

Also wenn ich von mir ausgehe, dann lösen alle schockierende Mitteilungen in mir zunächst Panik aus. Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig, das verzweifelt Fluchtausgänge sucht. Aber in der Panik laufe ich natürlich an allen vorbei. Da ich das weiß, verdränge ich das Problem, bis ich einige heftige Spaziergänge im Grünen hinter mir und zwei, drei Nächte geschlafen habe. Danach hat sich noch jede Panik ein klein wenig beruhigt...

Du berichtest hier so frei, das gefällt mir. Es ist immer gut nach einer schokierenden Nachricht eine Runde um den Block zu gehen, oder sich die Natur anzuschauen, mindestens eine Nacht drüber schlafen, eine Freundin aufsuchen und über alles reden...Ja das ist auch mein Rezept. Ich bin ruhig, obwohl da "wilder "Engel" steht.

... und mein Schöpfergeist darf wieder ran. Nicht dass ich ihm in dieser Phase übertrieben vertraue, aber dennoch: nichts strömt mehr Zuversicht aus als die Suche nach Lösungen. Deshalb nehme ich als nächstes täglich eine sich steigernde "Dosis Arbeit" gegen die hellhörige Panik. Gerade so viel, dass ich den Eindruck habe, es geht voran. Meldet sich die die Panik, will ich sagen können: "Ruhig Brauner, ich arbeite ja dran."

.....Du bist ein nachdenklicher Typ, Lösungen sind immer besser als Verzweiflung und Wut.Auch da bin ich auf deiner Welle. Humor ist auch nicht schlecht, schwarzer Humor oder Galgenhumor.

Und zu dieser Therapie zähle ich auch die meisten meiner unveröffentlichten Gedichte! Oft vermische ich hier meine speziellen Erfahrungen mit einer Angst und ihrer Besänftigung. Denn es ist seltsam: Jede Krisensituation taucht meine innere und äußere Welt regelmäßig in ungewöhnlich klares Licht und scharfe Konturen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich junge Dichter hauptsächlich vom Unglück inspiriert fühlen.

...herrje, ich gestehe, ich veröffentliche auch Gedichte, die spontan kommen, mit der Zeit habe ich gelernt, sie zu verfeinern, Synonyme zu suchen, den Klang zu beachten. Metrik versuche ich immer, manchmal verrutscht sie. Anscheinend bin ich im Herzen jung geblieben! Unglück inspiriert mich immer noch! Es ist eine Triebfeder der Kreativität, und manchmal kann man sich dinne suhlen. Ein Gedicht im Unglück zu schreiben bedeutet, Worte zu finden, die Trauer, Kümmernisse auszudücken.


Ich allerdings bin vorsichtiger geworden. Ich kenne kein Unglück mehr ohne Glück.. und kein Glück ohne Unglück. Deshalb wandern meine Krisentexte meistens in die allgemeine Stoffsammlung und tauchen abgespeckt erst wieder in Texte auf, an denen ich irgendwann später mal entspannt mehrere Tage oder Wochen arbeite.


Ja es gibt kein Unglück ohne Glück und umgekehrt! Ich denke der Mensch hat Körper, Geist und Seele und das Leben ist es das in den Einklang zu bringen. Der Moment zählt, und der Weg ist das Ziel.

Diese entspannten Texte sind es, die ich auch noch nach Jahren gern lese, weil ....hm... naja.. weil ich mich vielleicht SO am liebsten sehe...

Jeder Jeck ist anders und das ist auch gut so! So wird das Leben bunter. Ich bin gespannt auf deine Gedichte!

Lg

Ehrlich gesagt: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Mensch in seiner Ohnmacht selbstmitleidige Lyrik braucht, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Selbstmitleid? Lähmender Trost? Was und wem nützt es, wenn wir radikal darstellen, dass wir soeben (mal wieder) endgültig resignieren?


Dieses Gedicht " Vergeblich" drückt Trauer aus und ist ein Momentzustand. Lähmender Trost kann zur Depression werden, und das ist noch eine tiefere Düsternisse. Ab da beginnt (vielleicht)die Sprachlosigkeit. Die vielen Smileys finde ich klasse! Ich habe schon des öfteren die Mengenzahl überschritten.

So viel Kommentar habe ich lange nicht mehr in den Orbit gejagt. Ich bedanke mich für deine intensiven Worte. Der Austausch hat mich herausgefordert und es hat auch Spaß gemacht.

Ich kann immer noch nicht die Zitierenfunktion mehrfach bedienen, daher "Blau" für dich, und "Schwarz" für mich.

Ich wünsche einen schönen Tag liebe Grüße sy


Geändert von juli (11.05.2016 um 12:03 Uhr)
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Alt 11.05.2016, 12:11   #7
Jongleur
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Liebe syranie,

Herzlichen Dank für deine offene Antwort. Ich stimme eigentlich fast überall mit dir überein und picke mir nur einzelne Sätze heraus, die mich besonders interessieren.

Zitat:
Du berichtest hier so frei, das gefällt mir.
Tja, wie sonst kommt man an die Hintergründe künstlerische[QUOTE]n Schaffens? Kann vergleichen oder neue Anregungen erhalten? Jede nachhaltige Erkenntnis ist mMn mit Schmerzen erkauft.

Früher schrieben sich gegenseitg interessierte Künstlerrecht ehrliche Briefe, fühlten sich vom Briefgeheimnis beschützt. Mancher nannte derartige Korrespondenzen wichtige Inspirationsquellen...

Heute verlagert sich die Selbstbestätigung durchs Schreibens zunehmend in öffentliche Foren. Offenbaren oder nicht offenbaren, das ist hier die Frage. Als Autor schafft man mittels interessanter, unverbrauchter Details Anschaulichkeit. Warum sollte das nicht für einen Kritiker gelten? Andererseits ist die Welt auch voller böser Überraschungen... Meine Devise lautet: Schrit für Schritt und dann mal schauen.

Zitat:
Immer mehr Paare versuchen mit Hilfe der Medizin Kinder zu bekommen, die Frauen werden beim ersten Kind immer älter.
Jede (r) muß mit seinen Entscheidungen leben. Das mag nichtssagend klingen. Aber das Thema älterer "junger" Eltern ist mir in so viel Varianten begegnet, dass ich damit einen Roman füllen könnte. Kurz währt das Glück und lange das Leben ;-)

Zitat:
Humor ist auch nicht schlecht, schwarzer Humor oder Galgenhumor.
Finde ich auch! Ich habe eigentlich zu jedem Phänomen wechselnde Gefühle. Krankheit, Tod und Liebe nicht ausgenommen. Meinem Sternbild entsprechend bin ich himmelhochjauchzend zu Tode betrübt ;-) Dieses Wissen kann und will ich beim Schreiben nicht ausblenden.

Deshalb male ich am liebsten realistisch mit etwas entsättigten Farben oder eher satirisch mit schrillen. Und hier sind wir bei dem, was mich am stärksten in unserem Austausch interessiert.

Zitat:
Dieses Gedicht " Vergeblich" drückt Trauer aus und ist ein Momentzustand. Lähmender Trost kann zur Depression werden, und das ist noch eine tiefere Düsternisse. Ab da beginnt (vielleicht)die Sprachlosigkeit.
Ich fühle mich in der Tradition von Erich Kästner. Natürlich zieht mich als Autor das Unglück an. Zeigen sich hier doch die Folgen unserer Entscheidungen am krassesten. Wir können sie nicht mehr verbergen, schönreden. Ich skizziere mal einige Assoziationen zu Deinem Gedicht. <

Ein junger Mann stellt fest, dass es unfruchtbar ist. Die Welt bricht für ihn zusammen. Obwohl er eigentlich noch gar keine Kinder will. Aber plötzlich zweifelt er an seiner Männlichkeit oder gar seiner Existenzberechtigung. Zwar kennt er kinderlose Menschen, aber die erscheinen ihm plötzlich alle suspekt...
Die Fruchtbarkeit älterer Männer nimmt meistens irgendwann stark ab. Das könnte man wissen, rechtzeitig checken. Aber wieviele Männer tun das? Man müht sich mit seiner jüngeren Partnerin über viele Monate vergeblich, bis der Sex zur Qual wird...
Die Schwangerschaftsrisiken und späteren Erziehungsprobleme für ältere Mütter sind bekannt. Meistens werden sie ignoriert. Die Karriere ging immer vor. Und nun plötzlich Mutter...

Manchmal treten verdrängte Befürchtungen und deren Folgen leider ein. Als Freund oder Betroffener hab ich natürlich ehrliches Mitleid mit dem plötzlichen Häufchen Elend...
... aber als Autor kann ich den GESAMTEN Prozess und meine eigenen Erfahrungen nicht ausblenden. Wir Menschen tendieren mMn dazu, die Ursachen zu unter- und die Folgen zu überschätzen. Da wir teilweise blind für unser Handeln sind, treffen uns die unerwünschten Folgen besonders schmerzlich! Obwohl sie, bei Lichte besehn, so unspektakulär wie die erwünschten sind. Auch Kinderlose sind glücklich. Behaupte ich jetzt mal so!

Mir erscheint die pathetische BEHAUPTUNG von grenzenloser Depression oder Euphorie etwas zu ...ähm...ja...scheinheilig, oft sogar lebensfremd. Der Todkranke hofft heimlich noch auf Heilung! Der Verliebteste leidet heimlich an Eifersucht. Für mich ist eine humorlose erörtende MEINUNG über Depression oder Euphorie ...hm... das klingt jetzt hart... letztlich eine Arbeitsverweigerung des Künstlers.

Etwas ganz Anderes ist die DARSTELLUNG von Trauer oder Hochstimmung. Aber wenn man sich im Strom der Zeit weinen oder jubeln sieht... stellen sich da nicht automatisch AUCH komische Assoziationen ein? Beerdigungen beinhalten so viele komische Bilder. Der Blitz der großen Liebe kann in den tragischsten Momenten einschlagen... Ich jedenfalls liebe diese irretierende Farben und Zeilen. Denn sie zeigen mir die Grenzen unserer Wahrnehmungen.

Und da, wo (zeitbedingt) die Wahrnehmungen des Publikums enden, sollte mMn der Künstler beginnen...

Liebe Grüße (und sieh mich das alles bitte mit einem freundlichen Lächeln schreiben )

Geändert von Jongleur (11.05.2016 um 12:56 Uhr)
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Alt 11.05.2016, 18:18   #8
charis
/ Bil-ly /
 
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Beiträge: 435
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Liebe Syranie,

Da hast du dir ja wirklich was angetan, die strenge Sonett Reimfolge in den Quardetten einzuhalten: abba. Alle Achtung!

Das ist für mich eine überzeugende und sehr einfühlsame Momentaufnahme. Ich kenne das (leider) aus eigener Erfahrung (die dann aber keine endgültige war), aber auch aus meinem Freundeskreis (wo es dann endgültig war).

"Die Gefühle sind daneben", besser könnte man es nicht ausdrücken und man muss sich erst wieder neu "erfinden".

Lieben Gruß
charis
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.05.2016, 08:07   #9
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Lieber Jongleur & Liebe charis

Dieses Sonett hat einen Moment beschrieben.

Charis danke für dein Lob!

Mein Gehirn hat auch ganz schön gebrizzelt.

Eine Weile texte ich schon im Internet, und es kann Überraschungen von Seiten der Leser kommen. Ich denke meist nicht an meine Übertragung an den Leser, weil ich egoistisch bin. Ich schreibe das, was mich bewegt. Das mag naiv sein und vielleicht auch manchmal blauäugig. Ich bin ein Bauchschreiber. Um so mehr freuen mich Eure Rückmeldungen.

Dieses Thema scheint den Leser zu bewegen, Ihr Beide habt hier viel gesagt, auch von Euch. Das läßt mich nicht kalt. Ich bedanke mich für Euer Interesse und Eure Gedanken.

Jedenfalls denke ich" Das Glas ist halbvoll!" Erich Kästner mag ich auch.

Liebe Grüße sy


Geändert von juli (12.05.2016 um 08:52 Uhr)
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Alt 12.05.2016, 14:42   #10
Jongleur
Hallig-Dichter
 
Registriert seit: 04.05.2016
Ort: Großstadt
Beiträge: 63
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Eine sehr interessante Diskussion. Ihr hab schon Recht: auch ein MOMENT darf verewigt werden. Klar!

Da ist nur ein kleines Paradoxon, was mich stört: Das Gedicht beschreibt kein vergangenes oder gegenwärtiges Moment, sondern ein künftiges! Es beschwört quasi ein Ereignis von kurzer Dauer, das nie aufhören wird

Naja, ich will nicht rechthaberischer als der Papst sein. Ich ahne, dass zu diesem Thema Männlein und Weiblein recht unterschiedliche Meinungen haben dürften.
Jongleur ist offline   Mit Zitat antworten
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