Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Finstere Nacht

Finstere Nacht Trauer und Düsteres

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 24.05.2009, 14:45   #1
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard schicksalsHaft

Rühr mich nicht an, mir graut vor deinen kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von Restbeständen.

Starr mich nicht an, es ekelt mich bei deinen Blicken,
die nichts mehr übrig lassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du verbaut,
mit deiner Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollen Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitter angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Die böse Aura konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst als Geiseln du die beiden Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
mir blieb nur eins - die Tür von aussen zuzuschlagen.

Du stopftest Zuckerbrot in ihre kleinen Münder,
die gut versteckte Peitsche können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie nicht verstehn,
benutzt als Waffe gegen mich die eignen Kinder.

Die Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen,
du hältst mit Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass mir ein Teufel gegenüberstand,
doch dieser feige Sieg wird dir kein Ruhekissen.

Noch spinnst du Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lachen Hohn und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du es mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir, was mein - nimm das als mein Versprechen.

Geändert von Lailany (05.04.2023 um 21:49 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.05.2009, 17:57   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Liebe Lailany,

ich meine dieses Gedicht schon aus früheren Zeiten zu kennen, deshalb will ich mich auch nicht ausufernd dazu äußern.

Auf jeden Fall ist es eines deiner beeindruckendsten Werke, das tief in die Hintergründe einer Beziehung blicken lässt.
Deine Protagonistin betreibt eine gezielte Abrechnung mit dem Partner, der ihr anscheinend sehr weh getan hat.
Das geht soweit, daß er die Kinder ausspielt, indem er ihnen (oberflächlich) Gutes geschehen lässt, sie also quasi mit materiellen Dingen besticht, weil sie noch nicht alt genug sind, die Wahrheit zu erkennen.

Ja, eine sehr authentische Schilderung einer Mutter, die um ihre Kinder kämpfen muss.

Auch der Titel ist zweideutig, und zwar nicht nur schicksalshaft sondern auch die Haft, also das Gefangensein, im eigenen Schicksal.


Gerne (wieder) gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.05.2009, 19:26   #3
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
Standard

Liebe Lailany,



das geht tief unter die Haut!
Erstaunlich ist das durchgängige abba, doll durchgehalten, sehr beeindruckend!
Die Geschichte ist gräßlich, ganz gleich, wie oft sie passieren mag.
Deine zornigen Worte (um nicht zu sagen rachelüsternen) zeigen mit Sprachgewalt, wie es im Innern dieses LyrI aussieht, brodelt, gärt und lodert.
Ich hätte manche Satzzeichen anders gewählt - aber das ist marginal!

Ein großer Wurf!

Lieben Gruß
von
cyparis
Leier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.05.2009, 10:44   #4
Medusa
Gesperrt
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Berlin
Beiträge: 2.213
Standard

Guten Morgen Lailany,

ich glaub, dieses Gedicht hat schon ein wenig Zeit auf dem Buckel und ich hoffe, diese Zeit ist ausgestanden und abgeschlossen?

Für mich eines Deiner stärksten Gedichte, dass mit viel Herzblut geschrieben und Dir damals sicher geholfen hat, stark zu bleiben. Mir gefällt ganz besonders die Kampfansage in der letzten Strophe, in der die Wut und die Enttäuschung förmlich herausgeschrien werden.

Ich hätte statt des umarmenden Reims a-b-b-a, der ja sehr liebevoll ist, eher eine andere Reimform mit stumpfen, männlichen Kadenzen gewählt. Das könnte die Härte des Entschlusses noch unterstreichen. Für mein Gefühl bleibt bei diesem freundlichen Reimschema noch ein Türchen offen......

Aber das ist Schnee von Gestern !

Das Gedicht liest sich schön flüssig und präsentiert überaus wortgewaltig sehr, sehr eindringliche und scheußliche Bilder. Deine Sprache begeistert mich immer wieder!

Herzliche Grüße nach Downunder,
Medusa.

Geändert von Medusa (25.05.2009 um 10:45 Uhr)
Medusa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.11.2014, 04:39   #5
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Da hier noch eine Antwort (für zwei gesperrte Userinnen) und, wie ich grad sehe, auch für Faldi ausständig ist, nutze ich gleich diese Gelegenheit, es hochzuziehen und brauch es nicht in Versunkenes zu posten, wie ich es vorhatte, nachdem ich Sidgranis Werk 'Entfremdung' gelesen hatte.
www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=12795

Lieber Faldi,
ja, dieses Werk ist schon etliche Jahre alt. Es ist nicht perfekt, nicht ebenmäßig. Kleine Änderungen hab ich vorgenommen und es wäre durchaus machbar, alles anzugleichen.
Dabei jedoch würde wahrscheinlich viel von dem verloren gehen, woran ich festhalten möchte. Es ist in einem Zustand verzweifelter Hilflosigkeit, Schmerz und Wut entstanden, die den Leser ungebremst erreichen, wie ich in allen Kommentaren (hier und an anderer Stelle) erfahren konnte.
Die scheußliche Sache ist noch nicht ausgestanden. Dabei kann mir nur die Zeit helfen.
Erst, wenn die Kids sich ihr eigenes Urteil bilden, in der Lage und gewillt sind, sich dafür stark zu machen, dann ist meine Chance gekommen.

Herzlichen Dank für Deine Worte.

LG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (18.11.2014 um 21:36 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.11.2014, 08:35   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Lai!

Ein gewaltiges Gedicht - intensiv wie ein Schlag!

Allerdings mangelt es an Rhythmus:

Berühr mich nicht, mir graut vor deinen eisig kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von meinen Restbeständen.

Hebungsschema S1: 7-6-6-7

Starr mich nicht an, es ekelt mich vor deinen geilen Blicken,
die nichts mehr übriglassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du mir längst verbaut,
mit deiner bloßen Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

Hebungsschema S2: 7-6-7-7

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollgepackten Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitterstäbe angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Hebungsschema S3: 6-7-7-6

Die böse Aura um dich konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst du dir als Geiseln die zwei Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
doch mir blieb nur die Chance, die Tür von aussen zuzuschlagen.

Hebungsschema S4: 7-6-6-7

Du stopftest reichlich Zuckerwatte in die kleinen Münder,
die Peitsche hinter deinem Rücken können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie jetzt noch nicht versteh'n, "verstehn" - Apostroph überflüssig.
nutzt sie als eine Waffe gegen mich - die eig'nen Kinder. "eignen" - Apostroph überflüssig.

Hebungsschema S5: 7-7-7-6

Hast meine Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen
und hältst mit aller Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass mir ein Teufel gegenüberstand,
doch dieser feige Sieg, er wird dir niemals Ruhekissen.

Hebungsschema S6: 7-7-7-7

Noch spinnst du deine Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lacht Triumph und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du mir dafür mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir zurück, was Mein - nimm das als mein Versprechen. Schöner: "... nimm dies als ein ..."

Hebungsschema S7: 7-6-7-7


Ich erlaube mir mal einen durchgängig 6-hebigen Versuch:

Berühr mich nicht, mir graut vor deinen kalten Händen,
mit denen du wie Billigware mich betastest,
mir Regeln aufdrückst, die du nur für mich verfasstest -
heut ist der Tag der Inventur von Restbeständen.

Starr mich nicht an, es ekelt mich vor deinen Blicken,
die nichts mehr übriglassen als die nackte Haut.
Den Weg nach draußen, dachtest du, hast du verbaut,
mit deiner Gegenwart drohst du mich zu ersticken.

An meiner Kraft hast du gesaugt wie eine Zecke,
als Lasttier vor den vollen Karren mich gespannt,
bin jahrelang nur gegen Gitter angerannt,
mein Wille blieb in Staub getreten auf der Strecke.

Das Böse um dich konnte ich nicht mehr ertragen,
da nahmst du dir als Geiseln die zwei Lichtgestalten,
ich sah sie winken und sich an den Händen halten -
doch mir blieb nur, die Tür von aussen zuzuschlagen.

Du stopftest reichlich Zucker in die kleinen Münder,
die Peitsche hinterm Rücken können sie nicht sehn,
du fütterst sie mit Lügen, die sie nicht verstehn,
benutzt als Waffe gegen mich die eignen Kinder.

Hast Zelte abgebrannt, die Brücken eingerissen
und hältst mit Macht das mir so teure Unterpfand.
Ich ahnte nicht, dass gegen mich ein Teufel stand,
doch dieser feige Sieg wird dir kein Ruhekissen.

Noch spinnst du Fäden ungestraft um dein Verbrechen,
aus deinen Augen lachen Hohn und dreistes Grinsen.
Bezahlen wirst du es mit Zins und Zinseszinsen.
Ich hole mir, was mein - nimm dies als ein Versprechen.



Sehr gern gelesen und bearbeitet!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 13.11.2014, 15:46   #7
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Lieber Lailany :)

Aus deinem Gedicht spricht eine Menge Wut, über das Unfassbare, die Ungerechtigkeit, die der Partner mit deiner Protagonistin treibt.

Die eigenen Kinder gegen den Partner zu benutzen ist das Letzte.

Mir gefällt, die Sprache, das Unzensierte, sie gibt die Verzweiflung wieder.


Sehr sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße sy
  Mit Zitat antworten
Alt 18.11.2014, 21:51   #8
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Hallo Eky,
herzlichen Dank für die Bearbeitung, die ich in Bausch und Bogen übernommen hab. Und dabei blieb alles das konserviert, was ich beibehalten will. Prima!
Nur das Zuckerbrot hab ich behalten... da die Redensart in diesem 'Fall' den Nagel mittig auf den Kopf trifft.

Liebe Sy,
ja, die Varianten des Kindermisshandlung haben unzählige Facetten, jede davon ist unterste Schublade und gerade da versagt die Gesetzgebung schmählich.

Danke Euch beiden für Eure Kommentare.

LG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (26.12.2015 um 23:28 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 15:45 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg