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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 20.07.2011, 12:37   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard unbedingtheit des abschieds

unbedingtheit des abschieds


wenn sich welten trennen
wiegt sich wenigstens eine im schmerz
denn scheiden ist bescheiden

wahrheit wird zu erwägungen
ganzes vergeht in halbheiten
ein eins bricht entzwei

unabwendbares macht sich notwendig
d.r.inglichkeiten entleiben sich
umdeuter bemächtigen sich des vergangenen

wer abscheidet scheidet aus
ein gutes wort wird vom verrat gebeugt
ein du schrumpft ins es

das erkämpfte wir verliert sich
in den zwischenzeilenräumen
eines geschichteten glaubenssatzes

so erwächst und gedeiht
die fehlinterpretation des gewesenen zur
unbedingtheit des abschieds

unaufdringliche sterbetafeln
referenzieren sich aufeinander
durch blutbuchen verschattet
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt
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Alt 21.07.2011, 00:44   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Walther,

ein Abschied in Endgültigkeit bleibt unbedingt.
Aus Bescheidenheit wiegt nur einer sich in Schmerz,
der andere scheidet aus.

Eine große Wortspielerei, die alles andere als ein Spiel darstellen will.

Hinter den nüchtern anmutenden Feststellungen zeigst du eine Weltentrennung auf, wie sie nur einer durchlebt. Die andere Hälfte des Wir scheidet aus.

Eine ganz andere und anders tiefgreifende Trauerbewältigung.

Unaufdringliche Sterbetafeln und Blutbuchenschatten sagen viel, berühren zwar aber niemals nah genug am Schmerz der gebliebenen Hälfte.

Man findet und erfindet großartige Wortbekundungen - der Betroffene bleibt dennoch allein.

Dein Gedicht berührt durch Realität und spricht eine Wahrheit aus, wie sie aus falsch verstandenem Mitleid selten gewagt wird.

Ich habe bei traurigen Anlässen oft versucht zu gestehen, dass ich nur da sein kann, wenn ich gerufen werde. Dazwischen bleibt jeder für sich. Diese Einstellung hat mir, auf mich selbst übertragen, viel gegeben.
Eine "Nüchternheit", die durchaus stärken kann.

Ein beeindruckendes Gedicht, über das man viel mehr schreiben und reden könnte - ohne an der Endgültigkeit zu zerren.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 21.07.2011, 21:58   #3
Stimme der Zeit
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Beiträge: 1.836
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Hallo, Walther,

im Grunde genommen habe ich dem, was dir Dana bereits schrieb, nicht mehr viel hinzu zu fügen. Somit bin es diesmal ich, die sich ihr „anschließt“.

Zitat:
ein du schrumpft ins es
Für mich persönlich der eindringlichste Vers des Gedichts. Aus einer Person wird ein Ding ...

Die "Entpersonifizierung bzw. Entmenschlichung" der/des Anderen ist etwas, das man (beispielsweise) bei Scheidungskriegen antrifft. Manchmal ist dann sogar ein gemeinsames Kind nur noch ein "Gegenstand", ein "Es", an dem erbarmungslos gezerrt wird. (Ich habe das nicht selbst erlebt, aber ich kenne eine Frau, die genau das als Kind erleiden musste.)

"blutbuchen verschattet" - ich bemerke, dass blut buchen durch den Begriff "referenzieren" (aufeinander) auch eine andere Bedeutung haben kann.

Erstaunlicherweise ist es so, wie Dana schrieb: Dein Gedicht besitzt einen eher "kühl-distanzierten" und erzählerischen Charakter. Jemand berichtet, ist aber m. E. nach selbst kaum emotional tangiert.

Beim Lesen stellte ich fest, dass die Thematik eigentlich sehr traurig ist - aber hier wird die "Tatsache" so nüchtern und realistisch geschildert, dass keine wirkliche Traurigkeit beim Leser aufkommt - eher eine Art kopfschüttelndes Bedauern ...

Zum Formalen:

Ich kann nicht leugnen, dass du gerade meinem „aktuellen Trainings-Faible“ Futter gibst. Alliterationen, Aphorismen und „geflügelte Worte“ – schön!

wenn – welten; wiegt – wenigstens; scheiden – bescheiden; wahrheit – wird; halbheiten; ein – eins + entzwei; unab/wendbares – not/wendig; wort – wird; zwischenzeilen/räumen; geschichteten glaubenssatzes; gedeiht – gewesenen; blutbuchen.

trennen, scheiden, werden, vergehen, brechen, machen, entleiben, bemächtigen; ab/scheiden, beugen, schrumpfen, kämpfen, verlieren u.s.w.

Sinninhaltlich: „Da trennen sich Welten“; „Im Schmerz wiegen“; Scheiden ist bescheiden; Die Wahrheit erwägen; Nur Halbheiten, nichts Ganzes; Eins bricht entzwei; Unabwendbar notwendig; Sich des Vergangenen bemächtigen .... etc., etc.

(Andere Leser sollen auch noch etwas suchen und finden können. )

Dein Wortspiel mit „Dringlichkeiten“ und „Dinglichkeiten“ gefällt mir sehr gut, das muss ich noch erwähnen.

Keine „Butter für die Fische“, sondern in meinem Fall „Butter mit Honig für mich“. Sehr schön gemacht, sehr gekonnt. Mein Kompliment, lieber Walther. Bei Gelegenheit mehr davon?

Liebe Grüße

Stimme
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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 31.07.2011, 17:40   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Dana,

das Thema "Abschied" beschäftigt gerade meine Lyrik. Ich habe die Assoziationen dieser Beschäftigung in dieses Stück Prosalyrik gepackt.

Wenn man sich Gedanken macht, wird die Großhirnrinde und die Vernunft in Marsch gesetzt. Dadurch wird der Text von selbst "kühl". Ein Zweites mag eine Rolle spielen: Abschied und Tod sind nahe beieinander. Der Tod ist schließlich der ultimative Abschied, von dem es garantiert keine Rückkehr gibt, und wenn, dann sieht man sich im Himmel oder der Hölle wieder.

Wir alle wissen, was nach Abschieden so alles passiert. Diese Nachreden habe ich zu Wort kommen lassen. Sie sind nicht erfreulich, aber manchmal können sie den Nachweltfimmel und die Ruhmsucht einhegen. Ich kenne Menschen, die leben für Ruhm und Geschichtsbuch, und übersehen dabei, daß sie beides nicht mehr kontrollieren können.

Vielleicht ist das Abschiedsthema in hoffnungs- und glaubenslosen Zeiten nur lakonisch bewältigbar.

Ich danke Dir für Deine tiefsinnigen Überlegungen - genau diese wollte ich mit dem Text anregen. Hier scheint mir das gelungen zu sein, an anderer Stelle ist der Text abgestürzt.

LG W.

Lb. Stimme der Zeit,

es freut mich sehr, daß Dir die Wortspiele aufgefallen sind, die in Sprache und Klang bewußt gewählt wurden. Der Text hat länger gereift, als man ihm auf den ersten Blick ansieht. Aber vielleicht ist er gerade deshalb so schwer verdaulich, weil man ihn nicht einfach en passent konsumieren kann.

Du hast viele der Paare gut aufsummiert, ich habe noch ein paar mehr eingebaut, aber darum geht es hier ja nicht. Es geht vielmehr darum, welche Aspekte und Denklinien sich um das Thema Abschied ranken und aus ihm erwachsen. Und dabei erhebe ich keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist nur manchmal wichtig, sich und anderen Ereignisse und Möglichkeiten von zukünftigen Entwicklungen vor Augen zu führen. Manches Handeln wäre vielleicht anders verlaufen, hätte man sein Ende bedacht.

Ich danke also bescheiden, daß diesem Text so viele und so wertvolle Gedanken gewidmet wurden. Mag sein, daß er nicht den Mainstream abbildet und erreicht. Aber das ist ja auch nicht das Ziel einer solchen Thematisierung. Das Ziel ist es, ein Gewitter von Assoziationen auslösen, das den Text im Leser fortführt.

Das ist bei Dana und Dir gelungen. Und das ist das schönste Kompliment, das dem Dichter gemacht werden konnte.

LG W.
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