23.09.2014, 13:16 | #1 |
Von Raben umkreist
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Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Und immer wieder
Als ob tausend Schmetterlinge
ohne Hast zur Erde streben, fallen Blätter ohne Ende, künden von der nahen Wende. Wieder einmal endet Leben, lautlos wetzt der Tod die Klinge. Als ob aus den hohen Bäumen mahnend feine Stimmen flüstern, streicht der Wind durch müde Zweige, denn der Sommer ging zur Neige, und der Winter bläht die Nüstern. Es wird Zeit, das Feld zu räumen. Als ob aus den grauen Höhen Tränenströme sich ergießen und den greisen Herbst beweinen, wie er wankt auf dürren Beinen. Seine letzten Stunden fließen. Bald beginnt der Frost zu mähen. Und so mehren sich die Jahre, die wie welke Blätter fielen, auch so bunt wie diese waren. Ich spür Wind in meinen Haaren, lass ihn wehen, lass ihn spielen, schaue hoch zum Schwarm der Stare.
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner« |
23.09.2014, 16:35 | #2 |
TENEBRAE
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Hi, Sid!
Schöne Sprache, indes, durch die kurzen Zeilen beschleunigt sich der Duktus ins Ruhelose, was der Stimmung, die der Text vermitteln will, nach meinem Gefühl zuwiderläuft. Beim Reim "Höhen/mähen" (S3) musste ich stutzen - ganz sauber scheint er nicht zu sein. Man muss sich immer wieder bemühen, langsamer, getragener zu lesen. Angesehen davon - ein eingängiges Stimmungsbild! Gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
23.09.2014, 19:16 | #3 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Hallo Sidgrani,
nach Erichs Kommentar habe ich versucht besonnen und langsam zu lesen. Es ist tatsächlich nicht so leicht - habe ich so nicht erwartet. Sehr schön die immer wiederkehrende Melancholie eingefangen. Ganz besonders hat mir das Bild der tausend Schmetterlinge in Blattform gefallen. Aber auch - "Es wird Zeit, das Feld zu räumen" in seiner Doppeldeutigkeit. Wirklich schöne Bilder, gute Metaphern und zum Schluss der einsame Spaziergänger, der schon einige Jahreswechsel durchlebt hat. Seine Gelassenheit, einfach zum Starenschwarm aufzublicken und den Dingen ihren Lauf zu lassen, leitet von Melancholie in angehauchte, fröhliche Hoffnung. Gefällt mir sehr. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
23.09.2014, 19:50 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Sid:)
Heute Morgen habe ich Dein Gedicht das erste Mal gelesen, und es ist mir die ganze zeit nicht aus dem Kopf gegangen. Du hast so ungewöhnliche Bilder gefunden.
Als ob tausend Schmetterlinge ohne Hast zur Erde streben, fallen Blätter ohne Ende, künden von der nahen Wende. Wieder einmal endet Leben, lautlos wetzt der Tod die Klinge. Es ist so leicht wie die Schmetterlinge fallen, wie die Blätter, und am Ende der S. benutzt Du ein hartes Bild, das "der Tod", "wetzt" und "die Klinge". Gerade weil die Bilder so gegensätzlich sind, gefallen sie mir. Als ob aus den hohen Bäumen mahnend feine Stimmen flüstern, streicht der Wind durch müde Zweige, denn der Sommer ging zur Neige, und der Winter bläht die Nüstern. Es wird Zeit, das Feld zu räumen. Hier bist Du mit Deiner Bilderwahl weicher, wobei mir der Reim: flüstern / Nüstern zusagt. Als ob aus den grauen Höhen Tränenströme sich ergießen und den greisen Herbst beweinen, wie er wankt auf dürren Beinen. Seine letzten Stunden fließen. Bald beginnt der Frost zu mähen. Hier wirst Du doppeldeutig, und ich habe dabei auch an ein Menschenleben gedacht, Eines das bald zu Ende geht. Beim Reim: ergießen / mähen hatte ich Schwierigkeiten, wobei " mähen" finde ich klasse, aber ich habe nichts Passendes zu "gießen" gefunden. Aber das sind Erdnüsse...vielleicht findest Du ja noch was Und so mehren sich die Jahre, die wie welke Blätter fielen, auch so bunt wie diese waren. Ich spür Wind in meinen Haaren, lass ihn wehen, lass ihn spielen, schaue hoch zum Schwarm der Stare. Hier bleibst Du in der Doppeldeutigkeit, Du wirst sogar noch direkter. Das Bild: Ich spür Wind in meinen Haaren, lass ihn wehen, lass ihn spielen, schaue hoch zum Schwarm der Stare. finde ich als Abschluß gelungen. Dein Herbstgedicht ist klasse! Es liest sich meiner Meinung nach auch gut. Liebe Grüße sy Geändert von juli (23.09.2014 um 19:58 Uhr) |
25.09.2014, 07:59 | #5 |
Von Raben umkreist
Registriert seit: 27.12.2009
Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Hei eKy,
bei mir ergeben sich ziemlich oft - fast automatisch - Verse mit 8 Silben, aber du hast recht, längere Zeilen würden die beabsichtigte Stimmung mehr unterstützen. Also langsamer lesen. Der unreine Reim ist nicht ideal, aber hier muss ich passen. Danke für dein Mitwirken. Lieben Gruß Sid Hei Dana, du hast gut erkannt, was ich mit meinem Gedicht ausdrücken wollte, wenn es dann noch schön langsam gelesen wird, ... Lieben Gruß Sid Hei sy, auch du hast dich intensiv mit dem Gedicht beschäftigt und einige Stellen hervorgehoben, die dir gut gefallen. Den einen spricht das an, den anderen das. Mähen und ergießen gehören allerdings hinsichtlich des Reimes nicht zusammen. Dass du beim Lesen keine Probleme hattest, ist schön. Lieben Gruß Sid Ich danke euch allen für eure netten und positiven Kommentare und freue mich.
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»Erich Kästner« Geändert von Sidgrani (25.09.2014 um 08:51 Uhr) |
01.10.2014, 22:31 | #6 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Sidgrani,
wie poetisch ist dein Werk! Besonders die 1.Str. hat mir zugetan. Aber auch die weiteren Strophen sind nicht von schlechten Eltern. Die Beschreibungen sind realistisch aber lebendig formuliert, zwischen den Zeilen spüre ich eine erzählerische Magie, die flüsternd durch das Gedicht zieht. Gefällt, sehr gelungen! Gerne und mehrmals gelesen. liebe Grüße momo |
04.10.2014, 09:32 | #7 | |
verkannt
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Ort: Wo der Himmel die Erde berührt
Beiträge: 332
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Hallo Sid,
ich muss mal erwähnen, dass ich dieses Gedicht einfach mag. Besonders gefallen mir die letzten Zeilen der ersten drei Strophen, die den melancholischen Unterton deiner Zeilen unterstreichen. Zitat:
zum Inhalt passend und es verstärkt für mich den Zyklus den du hier beschreibst. Gern gelesen. Gruß C.
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© auf alle meine Texte „Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“ Dylan Thomas |
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11.10.2014, 11:12 | #8 |
ADäquat
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Beiträge: 13.004
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Lieber Sid,
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14.10.2014, 08:36 | #9 |
Lyrische Emotion
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Beiträge: 9.912
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Moin Sid,
ich lese immer wieder gern Texte, die mit Metaphern von Jahreszeiten das menschliche Dasein beschreiben. Das ist dir in diesem Fall gut gelungen, denn die Bilder sind ausnahmslos gut getroffen. Auch gelingt zum Schluss die Wende von einem eigentlich melancholischen Gedicht hin zu einer abgeklärten Gelassenheit, welche die Einstellung des Textes in diese Rubrik rechtfertigen. Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
30.10.2014, 16:36 | #10 |
Von Raben umkreist
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Ort: Am Niederrhein
Beiträge: 1.053
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Hei Cebrail, Chavi und Faldi,
ich freue mich sehr über eure Zeilen, sie zeigen mir, dass mein Gedicht euch berührt hat. Gedichte über die Jahreszeiten gibt es wie Sand am Meer, viel zu oft denken die LeserInnen „Nicht noch eins“. Ich glaube, das ist die Kunst beim Gedichteschreiben, es müssen Bilder vor dem geistigen Auge entstehen, die dann Gefühle auslösen. Danke für eure positiven Meinungen und liebe Grüße Sid
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