01.04.2014, 22:30 | #1 |
TENEBRAE
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Abseite
Der Hinterhof sah auch schon bessre Tage,
die Wände, die ihm drohen, sind befallen von schwarzem Ruß und Moder. Über allen verlieren Schatten sich in kleinen Räumen, die hinter schmalen Fenstern davon träumen, bewohnt zu sein - und keine bange Frage. Die gilbende Gardine auf der Leine bewegt ein Wind, und wie enttäuschtes Sehnen scheint sich die faltige Gestalt zu dehnen in eine Stille, die nichts kennt und achtet, und nur das karge Bildnis überfrachtet, das sie beschließt, so wie der Tod das Seine. In ausgewitterten Kaninchenställen verdämmern kleine Nager ihre Tage erschreckend unbelastet von der Frage, ob Sommerwiesen wirklich existieren, und ob sie dieses Dasein bald verlieren, verbleibt ein Urteil, welches andre fällen. Das Büschel Gras gleich neben einer Tonne für Altpapier wirkt staubig und verloren, so schuldlos in die Dämmerwelt geboren, doch zäh aus seiner Kruste sich erhebend, nach Leben gierend, täglich überlebend - und immer träumend von der fernen Sonne.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (03.04.2014 um 21:04 Uhr) |
06.04.2014, 19:57 | #2 | |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
ein tiefsinniger Blick in die Abseiten - einer der schmerzt ob der Wirklichkeit. Unbewohnte Häuser, Menschen, Tierhaltung und die "ums Dasein" kämpfende Natur. Wunderschön lyrisch vorgeführt, Bilder geschaffen und nachdenklich gestimmt. Bist du dir dieser Aussage in ihrer Lyrik und Bedeutung bewusst? Zitat:
Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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06.04.2014, 21:57 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
Das mit "faltig" und "Sein(e)" verstehe ich nicht, nein. Kannst du mir das bitte näher erklären? Zum Gedicht: Jede Strophe ist zugleich Beschreibung des Hinterhofes UND ein Gleichnis: S1 - beschreibt die Träume der Menschen, versinnbildlicht durch die kleinen Räume, die sie bewohnen. Was für diese Räume bedeutet, bewohnt zu sein, ist für die Menschen, Sinn und Ziel im Leben zu haben. S2 - beschreibt die Enttäuschung, die Selbstaufgabe, das Vegetieren von Menschen hinter diesen Mauern, versinnbildlicht durch die schlaffe Gardine auf der Wäscheleine. S3 - Die Kaninchen stehen für die Fremdbestimmtheit, die Abhängigkeit der Menschen in der Stadt,wo sie leben wie - eben Kaninchen in Käfigen und Freiheit schon gar nicht mehr vermissen. S4 - beschreibt das zähe Ringen um Leben, das Hoffen auf Besserung der Lage, auf Glück und Erfüllung trotz aller Fährnisse, versinnbildlicht durch das ärmliche Büschel Gras, das nicht aufgibt. So spiegelt sich das Leben und Weben der Menschen in diesem Hinterhofbild. Da denke ich noch an die Hinterhöfe meiner Kindheit: Diese rußigen, staubigen, zuasphaltierten oder wellig gepflasterten Lichthöfe, oder die etwas größeren mit Grasfleck und Wäscheleinen, oft mit dazugebauten Holzverschlägen oder kleinen Schuppen, die sich an die tristen Wände schmiegten, für allerlei Gerät oder Hobbies. Eigentlich ein bloßer Nutzraum ohne Idee der Wohnlichkeit dahinter, aber eben doch mit eigenem Charme, eigener Seele. Diese kleinen Räume boten ein verblüffendes Spiegelbild des städtischen Lebens, waren Teil der Stadt und doch irgendwie davon getrennt, eigenständige Enklaven, Fluchtpunkte vor Getriebe und Hektik auf den Straßen an der Außenseite der Gebäude. In meinen Ohren klingen noch das Vogelgezwitscher, das Taubengurren, das Rauschen in den vereinzelten zwergwüchsigen Bäumchen, das Kindergeschrei oder Weinen, das Klappern der Töpfe hinter offenen Küchenfenstern, der Duft nach Mittag in vielerlei Essensgerüchen, usw.... Heutzutage sehen die Hinterhöfe anders aus: Geradliniger, betonierter, aufgeräumter irgendwie. Flair und Charme der alten "Abseiten" ging vielerorts verloren. Vielen Dank für deinen Kommi! LG, eKy
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07.04.2014, 15:41 | #4 |
Gast
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Hallo eKy
Ich habe mir Dein Gedicht nach deinem Kommentar nochmals durchgelesen, und staune. Heutzutage fehlen solche Nischen, die trotz allem mit Leben gefüllt sind.
Wie gesagt ich lese und staune sy |
07.04.2014, 20:26 | #5 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
Zitat von Erich Kykal Die gilbende Gardine auf der Leine bewegt ein Wind, und wie enttäuschtes Sehnen scheint sich die faltige Gestalt zu dehnen in eine Stille, die nichts kennt und achtet, und nur das karge Bildnis überfrachtet, das sie beschließt, so wie der Tod das Seine. ich meinte den Bezug innerhalb der Strophe, die Sinnhaftigkeit. Das ist mir aufgefallen und hat mir imponiert. a) Zur gilbenden Gardine passt ein einsamer alter Mensch, dessen faltige Gestalt sich sehnend zu dehnen scheint. b) der Tod beschließt das Sein (e) - und mit ihm geht eine ehemalige Heimeligkeit verloren. Es gibt nur noch luxuriös Schönes und karge Betonbauten für den "Rest". Ein wirklich berührendes Gedicht. Liebe Grüße Dana
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07.04.2014, 20:37 | #6 |
ADäquat
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Servus Erich,
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07.04.2014, 23:25 | #7 |
TENEBRAE
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Hi, Sy, Dana, Chavi!
Vielen Dank für das freundliche Feedback! Wie gesagt, in meiner Kindheit in den Siebzigern kannte ich noch solche unrenovierten alten "Rückseiten": Teils Gärten, teils Abstellraum, teils Freizeitzone. Das darf man sich aber nicht so wie heute vorstellen: Nix für Sport, Lifestyle oder so - eher was für Taubenzüchter, Hobbytischler, Kakteenfans oder Freizeitmechaniker. Alles oft windschief und sicher ohne Baugenehmigung, verwinkelt, muffig, staubig, verrostet - kurz, ein Kinderparadies! Ein Schulfreund von mir lebte damals in einem Hinterhaus mit Gärtchen, und von Besuchen kannte ich noch andere. Das oben Beschriebene ist sozusagen die Quintessenz daraus. Diese besondere Qualität: Keine Gartendesigner, keine Wohnraumoptimierer haben hier zugeschlagen: Dies wuchs aus Bedarf und innerhalb der Begrenzung enger finanzieller Möglichkeiten: das pure, ehrliche Leben und ungekünstelte Dasein im Alltäglichen, das nichts darstellen oder aussagen will: Es entstand eben - und war. Letztlich haben Bauvorschriften, Hygieneparagraphen und zuviel Geld dafür gesorgt, dass diese kleinen Lebensoasen verschwanden. Das "Slumartige" musste weichen, wurde flurbereinigt. Vielleicht weniger Ratten und weniger Möglichkeiten, sich Schürfwunden zu holen - aber eben auch weniger "Charakter" und Authentizität! Wohnqualität kann man unterschiedlich interpretieren.... Heute will man es eben lieber aufgeräumt und keimfrei! Ein Pensionist, der sich noch nützlich machen will, alte Möbel repariert und seine Bretter im Hof stapelt? Undenkbar! Ein Bastler, der an der fensterlosen Wand einen Schuppen für sein Werkeln hochzieht? Ohne Genehmigung, die er sicher nie bekommt? Unvorstellbar! Ein Pflanzenfan, der ein Stück der langweiligen Rasenfläche umgräbt und ein Beet mit Gemüse oder Blumen anlegt? Ohne Absprache mit der Mieterversammlung, wo mit Sicherheit immer einer dagegen ist? Aussichtslos! Tja, das ist der Lauf der Welt. Als man in den Sechzigern und Siebzigern noch ärmer war und die Schutthalden des Krieges noch erlebt hatte, fand niemand etwas dabei. Erst mit der Isolation, dem Zerbrechen der Gemeinschaften mit der vernetzten modernen Mediengesellschaft wurde diese Orte "untragbar". Heute heißt es ohnehin fast überall: Zutritt für Unbefugte verboten! LG, eKy
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