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Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

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Alt 27.06.2012, 17:22   #1
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Der Dirigent

Der Dirigent

Der Dirigent Sebaldus Bock
blickt rechts, mit dem erhobnen Stock,
der Harfinistin untern Rock
und prüft dann links mit Kennermiene
das Dekolletee der Violine,
sodann, wie Flöte Karoline
sich sinnlich ihre Lippen netzt,
worauf zufrieden er zuletzt
das Klangwerk in Bewegung setzt,
wozu nun Stock und Fingerspitzen
ekstatisch auf- und abwärtsflitzen
um unter Bocks enormem Schwitzen,
Figuren in die Luft zu ritzen.

Zwei Damen aus dem ersten Rang
sind fasziniert vom Bockschen Klang
und schauen eine Stunde lang
entzückt, gebannt und sinnenfroh
auf Bocks musikbewegten Po.
"Ach, dieses herrliche Vibrato!"
so spricht die eine. "Bis! Dakapo!"
erschallt der anderen Entzücken
in des Musikstücks kurze Lücken.
Dann schwelgen beide stundenlang,
nachdem der letzte Ton verklungen,
in seligen Erinnerungen:
"Oh, edle Klassik! Welche ein Klang!"
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Alt 27.06.2012, 19:42   #2
fee
asphaltwaldwesen
 
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sagenhaft spitzbübisch gelungen, lieber thomas.

(in der letzten zeile ist ein "e" reingerutscht, fiel mir auf).
dermaßen bildhaft und verschmitzt liest sich das - ein echter genuss und hat mir ein höchst fröhliches grinsen aufs gesicht gezaubert - das erste an diesem tag. danke!

herzliche grüße,

fee
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 27.06.2012, 20:24   #3
Dana
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Lieber Thomas,
"edle Klassik", die überzeugt!
Nun kann man auch den "aufgebrachten Dirigenten" und die entrückten Zuhörer wirklich verstehen.

Klasse gemacht - Humor auf höchster Ebene, (trotz "profaner Bilder")
Bilder, die eines Dichters würdig, der Klassik angemessen und dem Leser Vergnügen bereiten.
Gern und lachend gelesen, ohne die Kunst zu verkennen.

Liebe Grüße
Dana

Von Wilhelm Busch:

Gemartert

Ein gutes Tier
Ist das Klavier,
Still, friedlich und bescheiden,
Und muß dabei
Doch vielerlei
Erdulden und erleiden.

Der Virtuos
Stürzt darauf los
Mit hochgesträubter Mähne.
Er öffnet ihm
Voll Ungestüm
Den Leib, gleich der Hyäne.

Und rasend wild,
Das Herz erfüllt
Von mörderlicher Freude,
Durchwühlt er dann,
Soweit er kann,
Des Opfers Eingeweide.

Wie es da schrie,
Das arme Vieh,
Und unter Angstgewimmer
Bald hoch, bald tief
Um Hilfe rief
Vergess' ich nie und nimmer.
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 10.07.2012, 21:33   #4
Thomas
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Liebe Dana,
vielen Dank für das Busch-Klavier. Ich fühle mich durch den indirekten Vergleich sehr geehrt.
Liebe Grüße
Thomas
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Alt 11.07.2012, 19:42   #5
Löwenzahn
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Hallo, Thomas
ich frage mich gerade, wie der Dirigent das wohl anstellt, dass er "mit erhobenem Stock" der Harfinistin
unter den Rock guckt? Wobei das Ganze sogar ziemlich mißverständlich ausgedrückt ist, denn es hört sich an,
als ob der Dirigent nicht mit den Augen guckt, sondern mit dem Stock. Ich weiß, dass es nicht so gemeint ist, aber es klingt so. Eigentlich steht ein Dirigent aufrecht vor dem Orchester und zwar, damit ihn alle sehen können, wenn er einen Einsatz "stöckelt" etc. Um einer Harfinistin unter den Rock zu gucken müßte der Ärmste auf dem Boden liegen, denn meistens haben diese Musikerinnen einen bodenlangen Rock/Kleid an. Es wäre also ziemlich schwierig für den Dirigenten aus dem Stand heraus darunter zu gucken. Es wird kaum eine Harfinistin geben, die sich dermaßen aufreizend vors Publikum setzt (sprich: Sündhafter Minirock) dass man ihr bis nach Pusemuckel hineingucken kann. Ich besuche oft Konzerte, aber solches ist mir noch nicht widerfahren, dazu ist alles zu ernsthaft in den klassischen Konzerten. Ins Dekolette der Violinistin wird es ihm schon eher gelingen einen Blick zu werfen, allerdings bezweifele ich, dass ein Dirigent hierzu überhaupt Zeit hat, denn das genaue Hineinschauen in die Partitur verlangt eine äußerste Konzentration. Du spielst hier also ziemlich billig ein Klischee des geilen Dirigenten aus, was ja schon durch den einfallslosen Namen Bock (Gedichtanfang) angedeutet wird.
All dieses wäre schon eher in einer Blaskapelle möglich, aber Du sprichst von einem klassischen Konzert
(siehe Gedichtsende). Was Dir schon eher gelingt, ist die zweite Strophe, denn diese karrikiert ziemlich wirklichkeitsnah den desinteressierten Zuschauer/Zuhörer (hier zwei Damen) den Abonnenten gar, der aus gesellschaftlichen Gründen Konzerte besucht und dabei keinerlei wirkliches Inreresse an der Musik hat.
Es gibt sie, diese Damen, die wenn sie sich nicht gerade mit Pralinen vollstopfen (während des Konzertes)
oder nicht gerade in die Musik hineinplappern, durchaus auf den Po des Dirigenten starren, vor allem wenn dieser dann auch noch atraktiv sein könnte. Wobei manche sogar nicht nur in "des Musikstücks kurze Lücken" hineinquatschen, sondern sich an den Pianissimo-Stellen wie Hühner auf der Leiter aufführen.
Die Pointe des Gedichtes ist für meine Begriffe ziemlich dürftig, aber sie trifft dennoch den Nagel auf den Kopf,
denn ich habe ihn schon gehört, diesen plappernden und nichtzuhörenden Besucher/Besucherin, die ein solches Konzert über sich ergehen lassen (in welcher Form auch immer) und hinterher genau Deine Gedichtworte
benutzen:"Oh edle Klassik! Welch ein Klang!"


Mit herzlichen Grüßen, Löwenzahn
P.S. ich hoffe, Deine Harfinistin hat man nicht von der Decke (samt Harfe) hängen lassen.
Wenn ja, dann, aber nur dann! hätte der Dirigent es nicht schwer unter ihren Rock zu gucken
Löwenzahn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.07.2012, 17:57   #6
Thomas
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Hallo Löwenzahn,

deiner präzisen orchester-anatomische Analyse kann ich meine Zustimmung nicht versagen. Obwohl die Harfinistin ein Luder ist, scheint der Blick des Dirigenten mehr Phantasie als Realität zu sein.

Es freut mich, dass du die Aussage über das Publikum akzeptabel findest. Ich glaube aber, dass die Sache nicht einseitig ist. Künstler ziehen sich ihr Publikum. Dabei muss es nicht so drastisch zugehen, wie in dem überspitzen und komischen Gedicht. Mich stört bisweilen, wenn Aufführungen musikalisch (oder theatralisch) 'sexy' aufgemotzt werden und deshalb dann leider bisweilen großen Beifall finden. Ich wollte eigentlich die unglückliche Beziehung zwischen Künstler und Publikum karikieren und nicht das Klischee des geilen Dirigenten bedienen.

Ich sehe im Augenblick nicht so ganz, wie ich deine Kritik umsetzten kann, aber ich werde mir das Gedichtchen bei Gelegenheit und guter Laune noch mal vornehmen. Im Augenblick bin ich in einer etwas anderen Welt unterwegs. Dein Kommentar freut mich auch deshalb, weil du es warst, der mich indirekt zu dem Gedichtchen angeregt hat. Mein Kopf macht seltsame Dinge, er spinnt und ich versuche ihm auf die Schliche zu kommen. Irgendwie hat sich nämlich der Dirigent (aus meiner Antwort auf dein Bumm) verselbstständigt, bis er mit dem ursprünglichen Anlass gar nichts mehr zu tun hatte. Irgendwie war das Wort, bzw. der Begriff wohl interessant für ihn. Solche Anregungen sind mir das wichtigste an der Forenwelt.

Liebe Grüße
Thomas
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