Senf-Ei
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Claudis Rumpelkammer
.Rainer
In der ganzen Stadt ist keiner
so verführerisch wie Rainer.
Vorne, hinten, im Profil,
sitzend, stehend oder liegend
sich zum Fragezeichen biegend,
lässig mit den Beinen baumelnd
oder aus der Kneipe taumelnd:
Rainer, der hat Sexappeal.
Ein Pyjama wirkt bei Rainer
wie ein Smoking vom Designer.
Leder, Filz, Brokat und Tüll,
Sakko oder Unterhose,
ganz egal, in welcher Pose,
Rainer stehen alle flotten
maßgeschneiderten Klamotten
ebenso wie die vom Müll.
Rainers Nase, Mund und Brauen
fesseln mich vom Morgengrauen
bis die Sonne abends sinkt.
Aber seine Augen funkeln,
wenn es dämmert und im Dunkeln,
noch ein paar Nuancen blauer,
als es ein Juwel im Tower
bei Beleuchtung fertig bringt.
Keiner, aber auch nicht einer
lacht melodischer als Rainer,
wenn ihn einer amüsiert.
Führt er seinen Mund zur Gabel,
findet keiner es blamabel,
wenn er Frikassee und Nudeln,
die sein Oberhemd besudeln,
mit ’nem Zwiebelring garniert.
Ach, ich wünschte mir, der Rainer
wäre hässlicher und kleiner
und dafür nur halb so faul!
Denn was nützen mir am Ende
seine Pianistenhände,
wenn sie mir beim Möbelrücken
lediglich die Daumen drücken,
und ich schwitze wie ein Gaul?
Heißhunger (elegische Distichen)
Mann, du bist appetitlich! Da pfeife ich auf die Manieren,
geh mit den Fingern ran, nehme das ganze Menue.
Küsse, die prickeln wie Sekt, ins Blut gehn wie Rum aus Jamaika,
schlürf ich als Aperitif, bin ja schon völlig beschwipst!
Beim pikanten Hors d'oeuvre befrei ich die Frucht von der Schale,
feiere Erntedank, beiße mit Wonne hinein
(Konfiseriepralinen sind Gretchens Kamellen dagegen).
Hast du noch mehr davon? Du, ich vernasch dich am Stück,
knabbere, lutsche und sauge: die herrlichen Delikatessen
sind eine Sünde wert. Fahr in die Hölle mit mir!
Gib mir alles! Na komm, ich kann es nicht länger erwarten,
Mann, ich verlier den Verstand! Komm schon und gib mir den Rest!
Frühlingszwiebel
Adonis hat mich angelacht!
Ich bin fantastisch drauf
und style meine Lockenpracht
zum Zwiebeltürmchen auf,
dem neuen Männerfänger-Look,
so stand es in der Lisa,
nur: Wenn ich in den Spiegel guck,
ist's mehr der Turm von Pisa.
Ich schlüpfe in das Etui
von Nina Ricci: r.r.r.r.r.r.ratsch!
Ein Reißverschluss ist irgendwie
der allergrößte Quatsch.
Na prima, wie das Ding schon heißt,
macht's seinem Namen Ehre,
doch dass es nur zur Hälfte reißt ...
verdammt! Wo ist die Schere?
Das schiefe Türmchen zwiebelt sehr,
frohlockt, beginnt zu sprießen
und wie aus einem Luftgewehr
mit Klämmerchen zu schießen.
Ich üb mich in Gelassenheit:
nicht weinen, Powermädchen!
Die Pforte zur Glückseligkeit
ist jetzt ein Schokolädchen.
Da feixt die abgewetzte Jeans:
Adonis im Visier?
Vertrau mir, Baby, ich verdien's
und fessele ihn dir!
Sonett
Es wäre ja so nett, mal ein Sonett zu dichten,
so nett, dass die forensischen Kollegen,
die gerne mal zu kritisieren pflegen,
so nett wärn, auf Sonettgemäkel zu verzichten.
Gelängen mir dabei die zwei Sonettquartette
nur halb so nett, ich würde mich erfrechen,
auch zwei Terzette übers Knie zu brechen,
wenn ich so nette Fans wie die Kollegen hätte.
So nett ich aber meistens mein Papier verschwende,
ich wär so nett und fräße einen Besen,
wenn hier nicht wieder einer was zu mäkeln fände.
Doch hättest du soeben mein Sonett gelesen,
bevor ich es auf dem Klosett verwende,
das wäre ja so nett, so nett, so nett gewesen!
Liebeserklärung
Du, ich fühl mich ungelogen
magisch zu dir hingezogen,
seit ich dich beim Bäcker traf.
Millionen Moleküle
überschäumender Gefühle
rauben mir den Schönheitsschlaf.
Du, ich stopf mir schon seit Wochen
Spritzgebäck und Liebesknochen
in den Aphroditenbauch,
doch es hört nicht auf zu brodeln,
und ich werd vor Freude jodeln,
wenn du sagst, du spürst es auch.
Du, ich möchte mit dir kuscheln,
dir vertraut ins Öhrchen nuscheln:
"Du bist nicht wie Kunz und Hinz!".
Will von deinem Apfel beißen
und für dich Schneewittchen heißen,
denn du bist mein Märchenprinz.
Du, ich lass auf meinem Rasen
deine Ziegenherde grasen,
räum die Schränke für dich leer,
repariere deinen Wagen,
würde dich auf Händen tragen,
wenn du sagst: "Ich kann nicht mehr!"
Du, ich würde dir erlauben,
die Regale abzustauben
und ich bügle dir sogar
ohne merkliches Befremden
die türkisgestreiften Hemden
für 'nen Kuss als Honorar.
Du, ich möchte mit dir streiten,
dich zum Fußballspiel begleiten
nach verlorner Kissenschlacht,
pflück dir bunte Tausendschönchen,
schenk dir Töchterchen und Söhnchen.
Willst du sieben oder acht?
Der Wind
Was Sehnsucht ist, vermag ich zu begreifen,
seh ich dich Weidenbaum am Ufer stehn.
Und hörst du mich mein Liebesliedchen pfeifen,
wird’s dir vielleicht bis in die Wurzeln gehn.
Ich trockne dir behutsam deine Zweige
und hüll dich ein in laue Sommerluft,
bevor ich stürmisch mein Verlangen zeige,
berauscht vom süßen Weidenblütenduft.
Hab schon an manchem Weidenbaum gerüttelt
und pflückte mir ein Blatt von Zeit zu Zeit.
Doch wenn du willst, dass ein Orkan dich schüttelt,
dann helfe ich dir gerne aus dem Kleid.
Der Apostroph
Ein simples Wort ist meist zu schlicht,
als dass es wem ins Auge sticht,
sofern man da nicht ungehemmt
'nen Apostroph dazwischenklemmt.
Der kleine Strich ist schnell getuscht,
gezeichnet oder hingepfuscht
sowie in keinem Fall verkehrt,
wo sich kein Sterbenswörtchen wehrt.
Wenn einer damit routiniert
die Pluralendung amputiert,
begreife ich doch immerhin,
was für ein Dilettant ich bin.
Und sehe ich mal wieder rot:
aha, ein Sonderangebot,
apostrophiert er mir wie toll
den ganzen Einkaufswagen voll!
Angeschmiert
Wenn wir den dummen Kühen was vom Pferd erzählen,
dann schmieren sie sich alles ins Gesicht.
Kein Mittelchen wird seinen guten Zweck verfehlen,
zu dumm, nur auf der Kuhhaut wirkt es nicht.
Die Ratten sterben alle, aber beim Karnickel
hat sich die Emulsion schon mal bewährt,
bis eine alte Ziege sich beschwert:
"Jetzt hab ich außer Krähenfüßen auch noch Pickel!"
Wir schaffen's, jeden Esel gründlich einzuseifen.
Nur eine Brillenschlange, so ein Biest,
wird wohl den Sinn der Sauerei begreifen
und auf die Antifaltencreme pfeifen,
wenn sie die kleinen Etiketten liest.
Und bist du nicht willig
Wo Reim nicht willig ist geneigt
zu fügen sich, der Dichter zeigt,
sofern er mit Verstand gesegnet,
wie seinem Knecht der Herr begegnet.
Ein Wörtchen, das sich auf ihm drängt,
ins Versmaß er mit Tücke zwängt.
So sehet nur, wie ein Genie
beherrscht das Reimen da und hie! .
Geändert von Claudi (21.09.2016 um 15:12 Uhr)
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