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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 15.05.2011, 20:59   #31
Falderwald
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Moin Erich,

ich habe trotz ausdauernden Stöberns im Internet nichts über die Ichsimulation finden können.
Nicht mal bei Amazon konnte ich Literatur darüber entdecken, so daß ich mich größtenteils auf deine Aussagen beziehen muss.

Unter einer Simulation verstehe ich die Nachbildung oder Darstellung physikalischer, biologischer, chemischer, technischer oder ökonomischer Prozesse durch mathematische oder physikalische Modelle oder eben eine Vortäuschung "falscher Tatsachen".

Ich kann dies jetzt nicht mit dem sogenannten "Ich" in Verbindung bringen, weil dies m. E. wieder eine äußere Kraft voraussetzt, die simulierend tätig wird.

Zitat:
Nach neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung ist eine Selbstsicht, also ein sog. "Ich", bei höheren Lebensformen deshalb entstanden, damit sie besser, abgegrenzter und also tendentiell selbsterhaltender mit ihrer Umwelt (und also auch ihresgleichen) interagieren konnten.
Das ist also einfach so entstanden, quasi aus der Notwendigkeit zur Interaktion heraus?
Wer oder was aber hielt dies für notwendig?
Kam diese Veränderung nun durch äußere Einwirkung zustande oder aus den höheren Lebensformen selbst?

Zitat:
Dieses "Ich" ist aber - so die neuesten Erkenntnisse - kein wirkliches Bewußtsein im Sinne dessen, was Philosophie oder Religion darunter verstehen (Seele, Geist, usw..), sondern eigentlich eine Art Simulation von "Selbst", die auf unterster Ebene gesteuert wird, zu 99% unbewußt und ohne sog. "logisches" Denken. Wir sind also offenbar bei weitem nicht so autark, wie wir gern hätten. Wir sind nach dieser Theorie eigentlich nicht einmal "wir".
Für die Theologie ist die Dualität und damit die Trennung von Körper und Seele unverzichtbar, sonst verlöre sie ihren Sinn.
Nicht aber für die Philosophie, obwohl Platon darauf seine Weltanschauung gründete.
Ich muss jetzt auf Schopenhauer zurückgreifen, der durchaus die Meinung vertritt, daß der Intellekt in organischen Ursachen, nämlich dem Gehirn, zu finden ist und mit dem Tode aufhört zu existieren.
Daß das "Selbst" gesteuert wird, stellt er nicht in Abrede:

Der Wille bestimmt alle Vorgänge der organischen und anorganischen Natur. Er objektiviert sich in der Erscheinungswelt als Wille zum Leben und zur Fortpflanzung. Diese Lehre vom „Primat des Willens“ bildet die zentrale Idee seiner Philosophie. Sie hatte weitreichenden Einfluss und begründet die Aktualität von Schopenhauers Werk.

Seine berühmt gewordenen These lautet:

"Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“

Ich glaube, dazu bedarf es keiner "Ichsimulation".

Zitat:
Was diese Theorie impliziert, auch im Hinblick auf unseren Diskurs hier, kannst du wohl ohne mich nachvollziehen, und was er für die Philosophie im allgemeinen bedeuten wird, ist noch gar nicht absehbar.
Ja, die Wissenschaft müsste sich nur mal die Zeit nehmen, sich ausführlicher mit Schopenhauers Thesen auseinander zu setzen.
Sie würde dort vieles erfahren, was sie jetzt erst zu entdecken glaubt.

Zitat:
Unsere "Zellhaufen" leisten sich sozusagen den Luxus von übergeordneten Pseudochefs, die sie auch noch glauben lassen, sie allein hätten das Sagen.
Das kann ich nicht nachvollziehen, denn einer muss ja das Sagen haben und das bin eindeutig ich oder mein Wille, zumindest was meine Handlungen und Entscheidungen betrifft.
Selbst wenn diese mir selbst manchmal zweifelhaft erscheinen, so bleiben sie trotzdem meine Entscheidungen.
Ich kann mir kaum vorstellen, was mein "Zellhaufen" für ein Interese daran haben sollte, mit deinem "Zellhaufen" in dieser Form zu kommunizieren.
Es muss also der Intellekt sein, denn wir haben verschiedene Vorstellungen, Überzeugungen, Meinungen etc. Unsere bloßen "Zellhaufen" hingegen würden wohl in ihren Meinungen übereinstimmen, könnten sie denn eine haben.

Zitat:
Aber mal ehrlich - wieviele Entscheidungen treffen wir aus rein logischen oder sinnvollen Überlegungen heraus?
Also wenn ich an mich denke, und ich kann nur von mir ausgehen, dann sind dies eine ganze Menge.

Zitat:
Sind nicht die meisten solcher Argumente eigentlich nur dazu da, unsere "Bauchentscheidungen" vor uns selbst (bzw. vor unserem Egosimulacrum) zu rechtfertigen, damit die Illusion des übergeordneten Willens aufrecht erhalten werden kann?
Nein. Die meisten meiner täglichen Entscheidungen treffe ich bewusst und stets aufs Neue.
Ich will ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung abgeben:
Wenn morgens früh um 5:00 Uhr mein Wecker geht, dann reißt es mich manchmal aus dem tiefsten Schlaf und ich verspüre den Wunsch, liegen zu bleiben und weiter zu schlafen.
Nun muss ich eine Entscheidung treffen und ich sage mir also, steh auf, das geht nicht, du musst deinen Job machen, es gibt Ärger, wenn du nicht (pünktlich) erscheinst.
Das nenne ich ein logisches Abwägen der aus meinem Verhalten resultierenden künftigen Konsequenzen.
Also stehe ich auf und handle gegen meinen Wunsch oder Willen, denn "glückseliger" wäre mein momentaner Zustand, könnte ich noch ein paar Stunden schlafen.
Manche Entscheidungen fallen auch unbewusst, weil sie sozusagen Routine sind und damit automatisch ablaufen.
Manchmal aber gebe ich auch meinem Willen einfach nach und tue das, was ihm für den Moment am besten erscheint.

Dann möche ich in diesem Zusammenhang noch die Frage stellen, was mit den Entscheidungen ist, die plötzlich getroffen werden müssen?
Wie kann es sein, daß wir auf bestimmte und veränderte Situationen sofort reagieren und uns entsprechend darauf einstellen und verhalten?

Ich will dafür wieder ein Beispiel anführen:

Als guter und sehr erfahrener Autofahrer fahre ich sowieso meistens mit der nötigen Voraussicht, d. h. ich versuche mich den äußeren Umständen und Bedingungen anzupassen, indem ich mir z. B. vorstelle, daß nasses Laub auf der Fahrbahn unweigerlich zu einem längeren Bremsweg für mein Fahrzeug führen wird, wenn ich gezwungen bin, die Geschwindigkeit plötzlich drastisch zu reduzieren. Mein Fahrzeug kann dabei sogar ins Schleudern geraten und die Gefahr eines Unfalls erhöht sich.
Ich denke also vorausschauend in die Zukunft und an die hypothetischen Möglichkeiten, die aus meinem Verhalten resultieren können.
Jetzt könnte man sagen, das sei ein erlerntes Verhalten, weil ich die Erfahrung vielleicht schon früher gemacht habe.
Das ist richtig, aber trotzdem muss ich erst einmal die Situation erkennen, sie richtig einschätzen, auf die Erfahrung in der Vergangenheit zurückgreifen, diese auf eine mögliche Zukunft übertragen und die richtige Entscheidung für die Gegenwart, also den Moment treffen.

Ich bezweifele, daß dies unser "Zellhaufen" alleine schafft.
Das vegetative Nervensystem hat alle Hände voll damit zu tun, unseren Lebenskreislauf aufrecht zu erhalten und wäre also somit vollkommen überfordert, müsste es noch abstrakte Entscheidungen treffen.
Das kann mir keiner erzählen...

Zitat:
Auf kurze Distanz und bei bloßem Gerede können "wir" was bewegen - bei wesentlichen Entscheidungen aber regieren die Primärbedürfnisse der Zellhaufen, die uns spazierenführen!
Dem muss ich entschieden widersprechen.
Ich habe sehr wohl und schon sehr oft wesentliche Entscheidungen getroffen.

Natürlich sind bestimmte Primärbedürfnisse ständig zu erfüllen, als da wären Luft-, Nahrungs- und Wasseraufnahme, die Entsorgung der Stoffwechselprodukte, Schlaf und meinetwegen auch die Befriedigung des Geschlechtstriebes etc.
Bis auf das Letztgenannte sind dies aber alles Bedürfnisse, die der Organismus, also der "Zellhaufen", unbedingt zum Überleben benötigt.

Das Wie, Wann und Wo aber bestimmt nicht er, das entscheide ich (meistens) ganz alleine und gebe es ihm dann, wenn es (mir) passt.
In der Psychologie spricht man nämlich bei sofortiger Bedürfnisbefriedigung von einem Zustand der Verwahrlosung.
Und da spielen auch äußere Faktoren eine ganz gewichtige Rolle.
Der Mensch hat gelernt, mit diesen Dingen umzugehen und das ist genau einer der wesentlichen Punkte, die ihn vom Tier unterscheidet (und selbst das Tier würde ich nicht auf einen bloßen Zellhaufen reduzieren wollen).

Wir Menschen besitzen die Fähigkeit der abstrakten Gedanken, wir können uns über Zeit, Raum, Sinn, Unsinn, Gott und die Welt unterhalten und wir verspüren das Verlangen dazu.

Welchen Sinn sollte dies aber für den "Zellhaufen" haben, dem es reichen würde, seine Bedürfnisse zu befriedigen, um zu existieren?
Wofür gibt es also die Neugier, wozu den Forscherdrang und warum überhaupt den Intellekt?

Den Menschen also auf einen elektrochemischen Selbsterhaltungsprozess auf der Basis von Aminosäuren und denkenden Zellhaufen zu reduzieren, der mit einer Ichsimulation ausgestattet ist, reicht mir nicht und bisher hat keine Wissenschaft auch nur annähernd erklären können, was das eigentliche Wesen der Dinge ausmacht (außer der bloßen Funktionsweise des Organismus').

Und deshalb möchte ich noch einmal einen der größten Denker aller Zeiten bemühen.
Immanuel Kant schrieb in der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten:

Zitat:
Zitat von Immanuel Kant
Es ist eine Bemerkung, welche anzustellen eben kein subtiles Nachdenken erfordern wird, sondern von der man annehmen kann, daß sie wohl der gemeinste Verstand, obzwar, nach seiner Art, durch eine dunkele Unterscheidung der Urteilskraft, die er Gefühl nennt, machen mag: daß alle Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), uns die Gegenstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns affizieren, wobei, was sie an sich sein mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch, auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufügen mag, doch bloß zur Erkenntnis der Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen können. Sobald dieser Unterschied (allenfalls bloß durch die bemerkte Verschiedenheit zwischen den Vorstellungen, die uns anders woher gegeben werden, und dabei wir leidend sind, von denen, die wir lediglich aus uns selbst hervorbringen, und dabei wir unsere Tätigkeit beweisen) einmal gemacht ist, so folgt von selbst, daß man hinter den Erscheinungen doch noch etwas anderes, was nicht Erscheinung ist, nämlich die Dinge an sich, einräumen und annehmen müsse...
Tja, ich befürchte, da wird uns selbst eine Ichsimulation nicht wirklich weiter bringen...


Liebe Grüße

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.05.2011, 22:24   #32
a.c.larin
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hallo falderwald,

ich mische auch noch meinen senf dazu.

bewusste entscheidungen - treffen wir sie immer?
manches entscheiden wir vielleicht aus einer vorahnung, einem instinkt heraus.
oder aus einer art "wissen" , die über unser spatzenhirn-beusstsein hinausgeht.

ein beispiel gefällig?

ein bekannter von mir fuhr entlang einer schmalen, schluchtartigen straße im gebirge. plötzlich überkam ihn das dringende gefühl, stehen zu bleiben und die landschaft zu betrachten. er tat es, obwohl er sich über seine entscheidung wunderte.
er stand nur kurze zeit, da hörte er, wie wenig vor ihm ein hangsturz auf die fahrbahn donnerte. wäre er weiter gefahren, es hätte ihn erwischt.....

anderes beispiel?
ebenso wahr: jemand saß auf der terasse seines hauses. es war ein sonniger tag. plötzlich spürte er einen kühlen luftzug und ein seltsames gefühl des unbehagens. er beschloss, sich aus dem haus eine jacke zu holen. fünf sekunden, nachdem er aufgestanden war, stürzte genau auf die stelle, wo er gesessen hatte, die über ihm hängende halterung der balkonblumen.
wäre er sitzen geblieben, es hätte ihn erschlagen....

woher kamen diese entscheidungen? es gab keinerlei äußeren anlass (außer vielleicht der kühle luftzug), die betroffenen wunderten sich selber über ihren plötzlichen entschluss.

worauf beruht intuition?
wie kann ein bloßer zellhaufen mehr wissen als er weiß ?

drittes beispiel (mir selber passiert)
wir suchten nach einer lösung, das vorzimmer neu zu gestalten.
wir wollten eine zusätzliche sitzbank haben, um dort die schuhe auszuziehen.
wegen der vielen winkel, ecken und türen schien aber nirgends platz dafür zu sein. wir verwarfen also diese idee als undurchführbar. monate vergingen. wir dachten nicht mehr an unseren plan, sprachen nicht mehr darüber.
eines nachts träumte ich die lösung!
ich sah ganz klar vor mir, wo es doch möglich war, diese sitzbank unterzubringen. ich erwachte - es war drei uhr früh - und wunderte mich über mein erwachen, erkannte aber sofort, dass irgendetwas ( in ?) mir wohl den traum zeigen wollte. ich zeichnete rasch eine skizze, um das gesehene nicht zu vergessen, drehte mich um und schlief unbekümmert weiter.
wohlgemerkt: ich hatte monatlang nicht mehr daran gedacht - diese lösung kann also kein "tagesrest" gewesen sein.
man kann auch nicht sagen , dass mein bewusstsein daran beteiligt gewesen wäre. welcher teil von mir war es aber dann?
mein bewusstsein konte sich lediglich dazu entschließen, den traum in die realität umzusetzen und die dafür notwendigen leute zu kontaktieren.

im volksmund gibt es ja den spruch: "dem seinen gibts der herr im schlaf"

sind wir im zustand der unbewusstheit näher an den "ewigen wahrheiten" -
und daher auch freier für "lösungen"?

oder sind wir dann manipulierbarer?

das bewusstsein lässt sich auch täuschen.
werbepsychologen wissen das.
kurze einblendungen einer bestimmten getränkemarke während eines kinofilms ( kurz heißt: unter der wahrnehmungsschwelle ) erhöhten den konsum des produktes danach signifikant.
niemand der solchermaßen getäuschten probanden hätte aber das gefühl gehabt, unbewusst gehandelt zu haben.......

hypnose funktioniert ja auch.
man kann sich sogar selbst hypnotisieren ( wenn mans gelernt hat)

was unsere "bewussten" entscheidungen auch noch mitbeeinflusst, sind sogenannte "aufträge aus dem famileinsystem" (gemeint ist damit die herkunftsfamilie). die können bewusst ( du musst auch arzt werden!) oder unbewusst sein. (wer mit fingern ist, ist ein ferkel, so etwas tut ein anständiger mensch auf gar keinen fall!)
geheimnisvollerweise überspringen solche ge-und verbote manchmal sogar eine generation, um bei er übernächsten wieder ihre wirksamkeit zu entfalten.

ist der mensch herr im eigenen haus?

manchmal denke ich, wir können froh sein, wenn wir dieses haus einigermaßen klaglos benützen dürfen....

so.
ich gehe jetzt (bewusst oder auch nicht) in die heia. es macht irgendwie sinn.

gute nacht!
larin
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.05.2011, 22:23   #33
Falderwald
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Servus larin,

deinen Senf lese ich immer gerne, also nur zu...

Ich denke, wir treffen die meisten Entscheidungen durchaus bewusst und möchte das an deinen Beispielen kurz erläutern:

1. Dein Bekannter fuhr mit dem auto. Während des Fahrens überkam ihn das Gefühl stehen zu bleiben. Musste er in diesem Moment nicht eine Entscheidung treffen und zwar ganz bewusst? Denn das Anhalten eines fahrenden Fahrzeugs setzt bestimmte Handlungen voraus.
Er wunderte sich anschließend selbst, jedoch hat er sich aus freien Stücken dazu entschlossen, seinem Gefühl nachzugeben und nicht weiter zu fahren.
Das nenne ich eine bewusste Entscheidung treffen. Ob diese Entscheidung zu diesem Zeitpunkt sinnvoll war oder nicht, konnte er nicht wissen und dennoch tat er es, niemand hat ihn dazu gezwungen.

2. Im zweiten Beispiel verhält es sich ähnlich. Du schreibst nämlich, er beschloss, sich eine Jacke zu holen, weil ihm kühl wurde und er ein Gefühl des Unbehagens verspürte. Er traf also bewusst die Entscheidung seinen Platz zu verlassen, um etwas zu tun.

In beiden Beispielen wird eine bewusste Entscheidung getroffen und zwar nicht um Unfälle zu verhindern, sondern weil ein bestimmtes Gefühl dazu riet.
Aber immer war dies mit bewussten Handlungen verbunden, die freiwillig geschahen.

3. Auch im dritten Beispiel verhält sich das so. Du hast zwar nicht entschieden, eine Lösung für ein längst vergessenes Problem zu träumen, aber auf jeden Fall das Geträumte aufzuzeichnen, damit es nicht wieder verloren geht.
Das ist die einzige aktive Handlung, die du ausführtest, weil du dies beschlossen hast. Niemand hat dich dazu gezwungen, oder?

Solche Beispiele gibt es haufenweise. Wo die Gefühle oder die Träume herkommen, das bleibt unklar, aber die darauf folgenden Handlungen waren real und damit bewusst.

Anders verhält es sich nur, wenn ich vorher von etwas weiß.
Wenn sich mir z.B. irgendeine Bedrohung in den Weg stellt, von der ich Kenntnis besitze, dann werde ich zu einer Entscheidung gezwungen.
Für was ich mich letzendlich entscheide, bleibt wiederum bewusst, ob Angriff oder Flucht, jedoch wird es mir nicht möglich sein, meinen Weg einfach friedlich fortzusetzen, so daß meine Entscheidungsfreiheit hier einer erheblichen Beschränkung unterliegt.

Oder nicht?


Liebe Grüße

Falderwald
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Alt 17.05.2011, 03:07   #34
JimPfeffer
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Hallo ihr alle,

was für eine interessante Auseinandersetzung über das Leben. Ich glaube nicht wirklich an Götter, jedoch frage ich mich warum die Menschen an sie glauben. In der Disskusion wurde viel darüber gesprochen was den Menschen so ausmacht und wie sie funktionieren, doch nicht, warum sie seit Jahrtausenden an Götter glauben. Vielleicht aus Angst oder stammt ihr Wissen aus einer alten Weisheit? Woher wollt ihr denn wissen das der Mensch wirklich auf der Erde entstand, so wie er sich verhält hat er massive Probleme mit der Natur hier klar zu kommen. Er scheint an sich eher ein Gast zu sein, als ein Produkt dieser Erde. Er passt hier nicht rein und findet sich auch nicht zurecht! Mit Intelligenz, wie wir sie sie verstehen scheitern wir, warum????, weil wir nicht in der Lage sind mit der Natur im Einklang zu leben. Warum können wir das nicht? Wären wir wirklich Intelligent hätten wir das schon längst im Griff, aber nein die Menschen wollen lieber kopieren als sich auf das Echte und Wahre einzulassen. Damit schaffen sie es vielleicht noch ein paar hundert Jahre und dann ist die Erde so verdreckt, dass die Menschen aussterben und die Natur zu ihrem Rhytmus (auf ihre Art und die ist wesentlich Intelligenter ist als wir es jemals waren, zurückfindet) Wir werden es nicht mehr erleben und wir haben es auch nicht wirklich verdient , die ewige Neugeburt erleben zu dürfen! Das werden die Menschen nie verstehen! LG Jim
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„Ich interessiere mich für alles was mit Revolte, Durcheinander und Chaos zu tun hat und insbesondere für jegliche Aktivitäten die scheinbar sinnlos sind“.
Jim Morrison
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Alt 17.05.2011, 13:40   #35
Justin
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Hallo Erich,

ellenlangen philosophischen Betrachtungen möchte ich mich nicht hingeben, sondern in erster Linie Dein Gedicht belobigen. Trotz der vielen Strophen hat es eine gute Merkfähigkeit, die mir sehr wichtig erscheint. Bei "Kerzen im Wind" ist es nicht viel anders. Auch oder gerade wegen einiger Unkenrufe habe ich diesem Gedicht eine gute Resonanz vorausgesagt, und sollte recht behalten. Doch das nur am Rande.

Es muß Dich nicht groß anfechten, wenn persönliche Empfindungen möglicherweise der Logik widersprechen könnten. Das aber hängt stark von der Sichtweise des Betrachters ab. Darüber hinaus sollten wir trotzdem nicht die Aussagen übergehen, deren Wahrheitsgehalt immerhin zutreffend ist. Die logische Ausgangsbasis bleibt somit größer als der kritische Einwand. Was übrigens die Logik betrifft, müßte sich der Klerus in Grund und Boden schämen, denn nichts ist ihm suspekter, als sich überhaupt mit solchen Ansichten zu beschäftigen. Wo doch allein nur der Glaube zählen soll. Die Verkündigungen der Geistlichen erscheinen immer so, als hätte man persönlich am Tische des Herrn gesessen, was ironisch nicht zu überbieten ist. Der Philosoph Bertrand Russel sagte mal: " I would never die for my beliefs, because I might be wrong" - "Ich würde nie für meinen Glauben sterben, weil ich falsch liegen könnte". Diese Aussage halte ich für sehr viel angemessener, weil sie schon die Fragwürdigkeit des Glaubens mit einschließt.

Die kritiklose Bibelauslegung ist mit gesunder Logik nur schwer vereinbar. Es heißt da z. B., daß Judas Schicksal schon längst vor dessen Geburt vorausbestimmt war. Davon ausgehend müssen wir uns doch die Frage stellen, worin nun überhaupt seine Schuld bestanden hat. Können wir so noch die Anklage ihm gegenüber aufrecht erhalten? Ich glaube, in keiner Weise, sonst würden wir nämlich unser Gewissen belügen. Das nur als Beispiel.

Du hast dich in Deinem Gedicht mit vernünftigen Gedanken auseinandergesetzt, zu denen Du ehrlichen Gewissens stehen kannst.

Liebe Grüße

Justin

Geändert von Justin (17.05.2011 um 22:42 Uhr)
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Alt 18.05.2011, 07:41   #36
Erich Kykal
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Hi, larin, Jim und Justin!

Vielen Dank für eure Ansichten zu diesem Thema - es ist offenbar recht vielschichtig.

Hi, Faldi!

"I beg to differ!" - Ich wage zu widersprechen.

Es ist eine erwiesene Tatsache, dass wir weit über 90% unserer Entscheidungen eben nicht aufgrund logischer - also geistiger - Überlegungen treffen! Das Beispiel mit dem Autofahrer und dem Felssturz ist diesbezüglich schlüssig:

Das Anhalten selbst war ein bewußter Akt, aber die Entscheidung dazu fiel davor, und zwar aus un- oder unterbewußten Erwägungen heraus. Gerade deshalb konnte sich der Mann seine Entscheidung ja nicht erklären und musste geradezu mumaßen, es könnte eine "höhere Eingebung" gewesen sein, weil die Entscheidung auf einer ihm nicht direkt zugänglichen Ebene seines Wesens fiel - eben nicht "logisch oder bewußt" erklärbar WAR!!!
Seine "Ichsimulation", wenn ich das immer noch so formulieren darf, folgte nur diesem starken Impuls, anzuhalten, konnte ihn sich - gerade weil er im Zusammenhang mit dem Felssturz solches Gewicht erhielt - hinterher aber nicht erklären und griff somit auf bewährte Interpretationsmuster zurück, die Menschen seit der Steinzeit für Unerklärbares pflegen: Göttliche Fügung, Schicksal, höhere Ordnung usw...
Betrachten wir die Tatsachen: Das Zusammentreffen der Entscheidung, anzuhalten, und dem Steinschlag kann - und war letztlich auch - rein zufällig. Nur unser Geist will bei Ereignissen, die solch großen Einfluss auf uns haben, einfach nicht daran glauben. Er verbindet diese Ereignisse zu einer - für ihn logischen und folgerichtig erscheinenden - Kette, die einander in seinen Augen bedingen MUSS, weil er sonst ja tot wäre usw...
Wir projizieren die EIGENE Sicht von Wichtigkeit auf die Ereignisse (weil sie dank ihres direkten Aufeinanderfolgens für unser eigenes Dasein so bedeutend wurden) und verleihen ihnen damit ein Gewicht, das sie - jedes für sich - so nie gehabt hätten. Man sagt dann gern: Das KANN kein Zufall geswesen sein!
Denkfehler! Es KANN sehr wohl!!!
Zurück zur Hirnforschung: Wie gesagt, seine Entscheidung war bauchgesteuert. Sein bewußtes Ich reagierte und setze sein Wollen in die Tat um. Die Ursachen können vielfältig sein: Er wollte - unbewußt - eine schöne Landschaft genießen, musste vielleicht pinkeln. Oder das Ereignis überwältigte ihn so sehr, dass er sich hinterher nicht mehr an den ursprünglichen Grund seines Anhaltens erinnern konnte (oder wollte!), weil es nicht in die so wunderbar sich fügende "Legende" gepasst hätte. Eine gute Geschichte ist eben immer besser als eine nüchterne Wahrheit. Da biegt man sich oft was zurecht und glaubt nach einiger Zeit vielleicht sogar selbst daran.

Man muss sich nur mal vor Augen halten, wie sehr sich schon einfachste Beobachtungen in Zeugenaussagen unterscheiden oder gar widersprechen. Wir funktionieren eben extrem subjektiv, bilden uns aber gern ein, wir würden alle die Umwelt relativ objektiv wahrnehmen. Pustekuchen!
BEWUSST funktionieren wir eben nur bei solchen Gelegenheiten wie dieser hier: Wenn es um "geistige" Inhalte geht. Aber schon der "Gusto" auf was anderes (Tasse Kaffee, Hunger, Durst, ungeklärte Probleme, soziale Mechanismen, ...) lenkt uns ab, und schon wieder folgen wir einem unbewußten Impuls, der uns - ohne dass wir an Manipulation auch denken würden, da wir nicht bewusst zwischen geistigen und unterbewussten Befehlen unterscheiden - woanders hindrängt, obwohl wir diesbezüglich nie eine fundierte geistige Entscheidung getroffen hatten.
Das Bewusstsein baut diese Entscheidungen wie selbstverständlich hinterher in sein Selbstbild ein, sodass der Eindruck entsteht, wir hätten uns - also als Ganzes, MIT Hirn eben - dafür entschieden, aber dem ist eben nicht so!
Deshalb auch sprechen die Hirnforscher von Ichsimulation - nicht zuletzt, weil wir tatsächlich nur sehr wenige Entscheidungen MIT Hirn treffen. Wir denken bloss, es wären mehr, weil sich unser "Geist" eben meist nur an ebendiese Entscheidungen auch "bewusst" erinnert! (So wie in verblassender Erinnerung die "guten alten Zeiten" immer "schöner", immer verklärter werden - man erinnert sich eben nur an das Gute.)

Nach reiflicher Erprobung dieser Erkenntnisse am eigenen Dasein konnte ich diesen Aussagen nur beipflichten. Du - als vom Wert und der Bedeutung des Geistigen Überzeugter - möchtest es natürlich gern anders sehen, weil eine solche Sicht der Dinge den "Wert" des eigenen Selbst zu schmälern scheint.
Da kommt dann wieder die anthroprozentrische Selbstüberschätzung ins Spiel,
die den Menschen gern als "Krone der Schöpfung", als "Herrn der Erde" - oder, wenn schon das nicht, so doch wenigstens als "Herr seiner selbst" sehen möchte. Nun, nicht einmal DAS sind wir offenbar. Schade. Soviel Philosophie für nix und wieder nix! Ein Pech aber auch....

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (31.07.2014 um 16:22 Uhr)
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Alt 22.05.2011, 23:18   #37
Falderwald
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