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Alt 03.03.2017, 15:44   #1
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.04.2010
Beiträge: 294
Standard Der Wesenstest

„Junge, nimm dir eine Frau, die nicht rechthaberisch ist. Leider sind die rar gesät.“
„Mama, ich werde schon aufpassen.“
Und tags darauf im Cafe; ganz alleine an einem der Tische saß SIE, die blonden seidigen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, das zarte Gesicht mit großen blauen Augen darin. Ich fragte, ob ich mich zu ihr setzen dürfe, auf einen der freien Stühle. Sie schien abwesend in einem Tagtraum. Erst als ich ein zweites Mal mit energischer Stimmlage zu ihr sprach, erwiderte sie mit etwas erschrockenem Blick:
„Ja, ja, klar, nehmen Sie ruhig Platz. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nicht gleich wahrgenommen habe. Ich war ganz in Gedanken versunken.“
„Etwas Bedrückendes?“, fragte ich, und wusste im selben Moment, dass ich mich mit meiner Frage weit vorgewagt hatte, und sie hätte gleich darauf antworten können, dass es mir nichts anginge. Aber wir plauderten gleich miteinander, als hätten wir uns schon ewig gekannt. Und sie erzählte bereitwillig:
„Ich tagträumte gerade eben, ich sei ein aufgescheuchtes Huhn gewesen.“
Ich dachte an die Warnung von Mama vor rechthaberischen Frauen, und wollte bei der Gelegenheit meine Traumfrau gleich auf die Probe stellen. Ich trat ihr kühn entgegen:
„Sie, die Träumende, fühlten sich NICHT wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich kann das eine wie das andere behaupten, es ist nicht auszuschließen.“
„Ich war aber ein aufgescheuchtes Huhn.“
Ich griff mir in meine Hosentasche und kramte eine Schraube hervor, die ich vor ihr auf den Tisch legte und sagte:
„Sehen Sie, hier ist eine Eisenschraube.“
„Nono“, warf sie sofort ein, „die Schraube ist NICHT aus Eisen; nur wenn Sie mir zugestehen, ich sei in meinem Traum ein aufgescheuchtes Huhn gewesen.“
„Ich denke nicht daran! Die Schraube kann nicht das eine und andere sein. Entweder sie ist aus Eisen, oder sie ist es nicht. Ihr Traumhuhn könnte aber einmal ein aufgescheuchtes gewesen sein, ein anderes Mal ein NICHT aufgescheuchtes. Im Falle der Schraube ist aber nur eine Wahrheit möglich.“

Die Dame erhob sich von ihrem Stuhl, schaute mich genervt an, verabschiedete sich und zischte:
„Meinefresse, ihr Männer wollt immer alles besser wissen. Aber meine Mutter hatte mich ja gewarnt gehabt.“
__________________
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Fenek)

Geändert von Fenek (04.03.2017 um 02:32 Uhr)
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Alt 03.03.2017, 18:34   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Fenek,

eine lustige Geschichte, welche etwas konstruiert wirkt. Der Schraube zuliebe solltest du sie auf Englisch erzählen.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 04.03.2017, 02:33   #3
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.04.2010
Beiträge: 294
Standard

Danke, habe es etwas geglättet.

LG F.
__________________
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so, als hätten wir alles im Blick." (Fenek)
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