02.05.2014, 15:51 | #1 |
Kiwifrüchtchen
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Nordwind
Tritt ein, du weit gereister alter Bote,
umarme mich und kühle mir die rote, von hohem Fieber glühend heiße Wange. Sag ihm, dem dunklen Schatten, der schon lange geduldig wartet, ich will seine leisen, doch strikten Worte nicht mehr von mir weisen. Soll er es sein, der aus dem Stundenglase den Sand verstreut und du, Freund Nordwind, blase ihn hin zum Rastplatz aller Wanderjahre, wo meines Schaffens Reichtum ich verwahre. Geleite mich in dieser einen Stunde und trink den letzten Hauch vom kalten Munde.
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (05.11.2014 um 13:23 Uhr) |
02.05.2014, 17:26 | #2 |
Von Raben umkreist
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Liebe Lailany,
was für ein mitreißender, demütiger, tapferer, mitunter auch beklemmender Monolog . Der Bote wird schon sehnsüchtig erwartet, um sich dem Schatten mit seiner Hilfe beugen zu können. Toll, wie gekonnt du mit den Enjambements jonglierst. Ein wirklich schönes Werk. In S2V2 geht es um „strikte Worte“. Willst du damit ausdrücken, dass sie bestimmend oder gebieterisch sind? Ich kann mir an dieser Stelle auch gut „streng, scharf, barsch“ vorstellen oder sogar so etwas wie „so dunkle Worte“ bzw. „so alten Worte“. Aber das ergibt wohl einen völlig anderen Sinn. Deinen „Nordwind“ habe ich sehr gerne – mehrmals – gelesen. Es hat Spaß gemacht, sich damit intensiver auseinander zu setzen und zu kommentieren. Lieben Gruß Sid
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02.05.2014, 20:09 | #3 |
Slawische Seele
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Liebe Lailany,
du jonglierst tatsächlich mit Enjambements und schaffst wunderbare Gedichte. Wegen des Titels und deiner Heimat erfasst mich eine eigene Nachdenklichkeit. Ist es nur ein Nordwind oder gar der noch nördlichere? Ich wurde beim Lesen von einer "Fernwehmelancholie" berührt - nicht nur der deinen, auch der eigenen. Auf jeden Fall ein echter Lailany, der mir sehr, sehr gut gefällt. Schön, dass du wieder hier bist. Liebe Grüße Dana
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02.05.2014, 22:40 | #4 |
ADäquat
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Aber hallo, Lailany, wer ist denn da?
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02.05.2014, 23:10 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe Lailany,
dein Vanitas-Gedicht finde ich gut gelungen. Allein das "alter" in der ersten Zeile klingt mir ein wenig dem Metrum geschuldet. Vielleicht könnte man es wegbekommen, indem man den "Boten" zum "Schicksalsboten" macht, oder auf andere Weise konkretisiert, oder die Art der Reise (z.B. mit dem Wind) interessant macht. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
03.05.2014, 02:27 | #6 |
verkannt
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Hallo Lailany,
ich glaube wir begegnen und hier zum ersten mal und mir gefällt sehr was ich hier finde. Als jemand der den Wind wirklich mag und ihm gerne zuhört, hat mich der Titel hier her gelockt und mir kam direkt die Küste, das Meer, vielleicht ein Leuchtturm, all so was in den Sinn. Als ich dann zu lesen begonnen habe erkannte ich aber Gevatter Hein und das Schöne daran ist, dass dieser in deinem Gedicht nicht negativ besetzt ist, sondern von dem LyI irgendwie als Teil des Ganzen angesehen wird. Mir kam „die Bücherdiebin“ in den Sinn, vielleicht weil der Tod dort als fühlendes Wesen beschrieben wird und von daher kann ich das von Thomas angesprochene Vanitas Motiv nicht wirklich in deinen Zeilen finden, weil dieses ja oft mit einer Gewissen Trauer, Nichtigkeit und Sinnlosigkeit einher geht, nun ja, da könnte man streiten, muss man aber nicht ;-). Auf jeden Fall rufen deine Worte bei mir trotz der Kälte des Nordwindes ein wohlig warmes Gefühl hervor (oder wie Dana so treffend beschreibt, eine 'Fernwehmelancholie') und lassen einen zufriedenen Leser zurück. Das ist ein Gedicht zu dem ich bestimmt noch öfter zurückkehren werde. Einen lieben Gruß C.
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© auf alle meine Texte „Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“ Dylan Thomas |
03.05.2014, 05:34 | #7 | |
Senf-Ei
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Beiträge: 861
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Liebe Eva,
ein Gedicht vom Sterben im Paarreim? Da ist doch was im Busch! Oder sollte ich mich täuschen? Kann natürlich gut sein, dass ich aus eigener Betroffenheit heraus die Flöhe husten höre und meine Fantasie mit mir durchgeht. Auf jeden Fall gehen Deine Zeilen mir sehr nah und wollen mir eine Menge sagen. Ich spinne mal drauflos. Bitte pfeif mich zurück, wenn ich daneben liege. Ich glaube nicht, dass Dein LI hier den eigenen Tod herbeisehnt. Die "glühend heiße Wange" könnte von einem Schlag ins Gesicht herrühren und das Fieber für erhitzte Emotionen stehen, weswegen das LI den kühlenden Nordwind willkommen heißt. Auffallend fand ich, dass V3 nur vierhebig ist. War das Absicht? Zitat:
Der Rastplatz scheint mir die deutlichsten Indizien für meine Interpretation zu liefern. Aber, wie gesagt, ich kann mich täuschen. Du siehst, ich gehe ganz in Deinen Zeilen auf, und ich bin gespannt, was Du sagst. Ich sage nur: Danke für dieses schöne tröstende Gedicht. Liebe Grüße Claudi |
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03.05.2014, 08:13 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 431
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Hallo Lailany,
wie schön, dass du meiner Bitte nach einem neuen Gedicht nachgekommen bist. Das ist ein sehr melancholisches und inniges Stück Lyrik. Dem Gevatter kann man nicht aus dem Wege gehen. Egal, wo man sich versteckt oder hinläuft, er wartet bereits. Ob und wann er zupackt, ist natürlich eine andere Frage. Fein ist in diesem Gedicht der selbstgeschlossene innere Friede herausgearbeitet und die Erkenntnis von der Vergänglichkeit alles, auch des eigenen, Seins. Das ist sehr berührend. Normalerweise halte ich mich mit Änderungsvorschlägen zurück, wenn ein solch kompaktes Werk vorliegt, doch ich möchte anregen, die letzte Zeile umzustellen: und trink den letzten Hauch vom kalten Munde. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
03.05.2014, 12:14 | #9 |
Gast
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Liebe Lailany
Hier lese ich ein wunderschönes, nachdenkliches Gedicht von Sehnsucht erfüllt, über das Warten und die Ankunft von einem Boten, der schon lange herbeigesehnt wird.
Du schaffst es mit nur 2 Sätzen eine melancholische Stimmung zu zaubern. Auch fallen mir die Begriffe: "Was ist Heimat?", "die Suche nach Friede" ein. Sehr, sehr gerne gelesen LIebe Grüße von sy |
05.05.2014, 06:59 | #10 |
Kiwifrüchtchen
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Beiträge: 945
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Liebe Kommentatoren,
Sidgrani, Dana, Chavali, Thomas, Cebrail, Claudi, Narvik und Syranie... erstmals herzlichen Dank für das rege Interesse und die Wortmeldungen. In diesem Text sind keine verschlüsselten Botschaften versteckt; meine Absicht war, den Tod als Privileg darzustellen und nicht, wie meist, als etwas, wovor man bangen muss - vorausgesetzt, man ist mit sich selbst und der Welt im Reinen. Mein LI ist zufrieden mit dem, was es in seinem Leben erreicht hat. Eine versöhnliche Stimmung zu vermitteln, jegliche 'negative' Assoziation zu vermeiden, DAS war mir das Hauptanliegen bei diesem Text. @ Sid, zum 'strikt': Du hast Recht, ganz das Gelbe vom Ei ist dieses Wort nicht, aber es kam meiner Absicht am nächsten. 'Mit Nachdruck'... 'Mit Bestimmtheit'... 'fordernd' - DAS wollte ich rüberbringen. Barsch, scharf... hm. Trifft knapp daneben. 'Streng' geht mir zu sehr mit 'Erziehung' einher. Dunkle und alte würden, wie Du richtig anmerkst, den Sinn verändern. Hmmmm.... ich grüble weiter. Vllt schlägt dazu noch ein Geistesblitz ein. @ Dana, es ist der nördlichste aller Nordwinde gemeint. An diesem Text hab ich ziemlich lang gefeilt, da mir Enjambements nicht ganz locker aus der Feder flutschen. Ich schiele immer ein wenig neidvoll auf Texte, bei denen sie so ungezwungen, quasi im Redefluss daherkommen. Es freut mich, wenns mir hier gelungen ist, sie unbemüht erscheinen zu lassen. Den 'echten Lailany' lass ich mir rahmen. Das hört sich super an... irgendwie so nach Markenzeichen! HUCH... FREU! @ Chavali, Modalee, Katzili ja, ich hab sogar meinen alten Strandkorb wiedergefunden! Die Spinnweben hab ich weggefegt und entdeckt, dass es sich noch immer so gemütlich drin kuscheln lässt wie früher. Freut mich, dass Dir mein Nordwind gefällt. @ Thomas, das 'alte' ist hier nicht der Metrik geschuldet, sondern schlicht unverzichtbar, da mein Bote ja so alt ist wie die Welt. In einem der Entwürfe hatte ich 'greisen Boten', was ebenfalls meiner Intention entsprechen würde, allerdings störte mich die 'laute' Nachbarschaft: weit gereister, greiser Bote. Dein Vorschlag 'Schicksalsbote' träfe zwar die Aussage, ich hatte es auch in einem der Entwürfe und verwarf es, da 'Schicksal' in der 1. Zeile zu viel vorwegnehmen würde. Wie Du ja weißt, bin ich für Vorschläge immer offen und dankbar. Wenn Dir was einfällt, dann schupf mal rüber. @ Cebrail, Deine Interpretation trifft voll ins Schwarze: Den Tod nicht als Schicksalsschlag zu werten, sondern als etwas Unabdingbares, das einen Schlußstrich unter ein reiches, erfülltes Leben zieht. Melancholie, Wärme, Demut... genau diese Attribute wollte ich vermitteln und freue mich, wenn Du es 'erlesen' konntest. @ Claudi, ach herrjeh... mir fiel nicht mal auf, dass ich mich des Paarreims bedient habe. Das kann wohl nur einer unverbesserlichen Bauchdichterin passieren. Doch weißt Du was? Ich freu mich unbändig, da ich mit meinem Text beweisen kann, dass er den Ruf, der Bruder Leichtfuß unter den Reimen zu sein, nicht verdient. Diesmal hast Du mehr in den Text hineingelesen, als von mir beabsichtigt war. Wie schon oben erwähnt, er ist recht direkt und schlicht gedacht. Die vierhebige Zeile ist das Resultat von xmaligem Umkrempeln. Originalfassung: 'mit Fieberrosen übersäte Wange'. Hab ich verschlimmbessert? Hmmm... jetzt bin ich gänzlich verunsichert. Ich tendiere dazu, mein Strickmuster penibel einzuhalten, von daher ist mir dieser Vierheber schon ein Dörnchen im Auge. Was meinst Du? Wie würdest Du das lösen? @ Narvik, Deinen Änderungsvorschlag nehm ich sofort und dankend an. Warum ich das zwar korrekte, jedoch tatsächlich ein bissl verquaste Deutsch verwendet hab, obwohl das einfache, geradlinige mich direkt in den Arsch hätte beissen müssen, kann ich nur mit der Größe der Tomaten auf den Glotzern begründen. Also, eigentlich waren es Kürbisse, aber das bleibt unter uns, ok? @ Syranie, Dein Gedankengang hat mich auch innehalten und nachdenken lassen... 'die Suche nach Frieden': Eine Aufgabe, die uns schon bei unserer Geburt gestellt wird und mit der wir unser ganzes Leben lang beschäftigt sind. Frieden, kostbarstes Gut, das wir wohl erst in vollem Umfang zu schätzen wissen, wenn wir die täglichen Nachrichten sehen, oder wenn es uns genommen wird. 'Innerer Frieden' würd auch ein guter Titel für diesen Text sein. Freut mich sehr, wenn er gefiel. Habt alle ganz herzlichen Dank für Euren Besuch, Eure Gedanken zu meinem Nordwind und das positive Feedback. Liebe Grüße von der Antipode Lailany
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