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05.07.2017, 11:48 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Liebe fee,
vielleicht könnte man bei "barfuß Darüberlaufen" das "Darüber" weglassen und zweitens das "um zu... stechen" vermeiden, weil die Splitter nicht aktiv sind und dadurch auch das wichtige "um" in der Schlussstrophe mehr Bedeutung erhielte. Insgesamt finde ich die Form gut und passend. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
05.07.2017, 12:14 | #2 | |
heimkehrerin
Registriert seit: 19.02.2017
Ort: im schönen Österreich
Beiträge: 389
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Zitat:
Danke, lieber Thomas! Es ist m.E. eben ein Irrglaube, anzunehmen, dass (vor allem) diese Splitter nicht aktiv sind. Die, die man sich als Kind beim Darüberlaufen (=das Thema unbewusst "aktivierend" und damit die Familie in ihrer unbewussten aber heftigen Abwehr auf den Plan zu rufen) nicht nur ein- sondern irgendwie auch zugezogen hat....wenn du verstehst, was ich meine. Danke für den Rat mit dem "um zu"...das schaue ich mir in Ruhe nochmal genauer an. "stecken sie stechen beim Auftreten in bestimmten Winkeln ohne Vorwarnung" könnte ich mir vorstellen (muss das aber noch "befühlen"). So gesetzt, sperrt sich für mich etwas beim Lesen. Lieber Gruß, fee
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x x x x x x x x "Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst, ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat. Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.” ― Peter Stamm, Agnes |
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06.07.2017, 09:09 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Ja, das ist eine sehr schwierige Situation, zumal sie irgendwann nicht mehr geändert werden kann, wenn die alten Menschen wegsterben.
Meine Oma, die zwei Weltkriege erlebt hat, im ersten ihre Brüder, im zweiten ihren Mann verloren hat, hat immer viel und gerne davon erzählt.Meine Mutter, die das Nachkriegsleid mit all den Entbehrungen erfahren musste, wollte das nie hören, ich als Enkelin jedoch schon. Vielleicht war das Leid meiner Mutter selbst so groß, dass sie das andere nicht ertragen konnte. ich habe darüber nie nachgedacht, dein Gedicht jetzt und die Diskussion dazu, machen mich nachdenklich. Ich habe es meiner Mutter immer als Empathielosigleit angekreidet, konnte es nie verstehen. Das Verhältnis meiner Mutter zu meiner Oma war um ein Vielfaches schlechter als meines zu meiner Oma, obwohl es nie Gewalt gab. Aber viel Verangtwortung, die meine Mutter als Zehnjährige für den Babybruder, der seinen Vater nie kennenlernte, übernehmen musste. Dass sie ein Trauma haben könnte, daran habe ich nicht gedacht. Jetzt denke ich, vielleicht war das so... Ja, schwierig, das alles. Darum ist wohl das wichtigste Gut im Leben Frieden. LG von Koko |
06.07.2017, 11:31 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Liebe fee,
Dein Gedicht muß genau gelesen werden, das heißt nicht, das ich andere Gedichte nicht genau lese. Nein der Aufbau fordert durch seine Umbrüche dazu auf. Es ist unbequem. Ich bin ja auch eine Reimerin und automatisch will mein Denken in eine harmonische Schiene, einen Singsang haben. Das Eingeklammerte bedeutet wohl „ Feudel“. In den Fugen der Generationen ruhen viele Scherben. Besonders die Kriegsgeneration konnte nicht alle Rillen und Tiefen von den Altlasten befreien. Manchmal reicht ein Menschenleben einfach nicht aus. Und in den folgenden Generationen sind noch die Narben der Älteren zu erkennen. Die Menschen, die Traumatisches erlebt haben, verstecken oft ein Lebensland die Schreckensbilder vor sich selbst, weil sie es nicht ertragen können, und geben unbewußt ihre Eindrücke an die Kinder und Kindeskinder weiter. Bei manchem Menschen bröckeln die Barrieren im Gehirn, wenn sie alt geworden sind, und es kommen grauenhafte Geschichten zu Tage. Flucht, Bomben, Terror und und und... Selbst im Alter hilft es dann noch mit jemandem darüber zu reden. Jedes Wort, das geteilt wird, jeder Schrecken wird zum halben Schrecken. Dein Gedicht lässt innehalten durch die Form und den Inhalt. Auch wenn oder weil es so ist sehr gerne gelesen. Liebe Grüße sy |
06.07.2017, 14:14 | #5 | |
heimkehrerin
Registriert seit: 19.02.2017
Ort: im schönen Österreich
Beiträge: 389
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Zitat:
Das verhielt sich bei mir recht ähnlich, liebe Koko, und auch ich bin erst kürzlich und völlig unerwartet auf das Thema der Kriegskinder und Kriegsenkel gestoßen und darauf, dass das für mich und meine Beziehung zu meiner Mutter von Bedeutung gewesen sein könnte. Da kommt auch in mir die Nachdenklichkeit darüber , dass ich da eine Art "blinden Fleck" gehabt haben muss (vermutlich über die Familientradition des Schweigens "mitbekommen") bisher. Denn desinteressiert wäre ich definitiv nicht gewesen, wäre mir das Thema früher bewusst geworden. Das Schweigen und Wegschließen jeglicher Gefühle und Erinnerungen war aber damals überlebensnotwendig. Also nichts, das man unseren Eltern und Großeltern zum Vorwurf machen könnte oder sollte. Meine Großmutter lebte leider nicht mehr lange genug, um meine Fragen zu beantworten und ich war damals auch noch zu klein, um überhaupt schon solche Fragen stellen zu können. Ja, schwierig das alles. Und anscheinend ein Thema, das erst seit kurzem "sein" darf, um endlich thematisiert und aufgearbeitet werden zu können. Liebe syranie, danke recht lieb dafür, dass du das unangenehme Gedicht dennoch gelesen und dich darauf eingelassen hast. Ja - die Kriegsgeneration, deren Kinder und Enkel....vielleicht braucht es eben mindestens drei Generationen, um so schreckliche Altlasten angehen zu können. Vielleicht hätten auch meine Oma und meine Mutter im Alter begonnen zu reden und sich ihren Schrecken von damals zu stellen, wären sie nicht so jung gestorben... Ach....der "Bartwisch" ist Wienerisch und bezeichnet den kleinen Besen beim Besen-und-Schaufel-Set. Euch beiden meinen herzlichsten Dank für die schöne Diskussion hier und für das Einlassen auf dieses schwere Thema! Lieber Gruß, fee
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x x x x x x x x "Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst, ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat. Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.” ― Peter Stamm, Agnes |
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