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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 06.02.2014, 12:02   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Gefühlsverlustig

So tausendfach erschien die Welt erschlossen,
da ich als Knabe mich dem Sein verschrieben
und hingegeben hatte an das Lieben,
aus dem der Menschen Lebenswege sprossen.

Wie sehr hat mich das Fühlende verdrossen!
Die Schatten der Vergänglichkeit, sie trieben
die Bilder aus, die von der Glut geblieben
und kostbar waren, eh sie doch zerflossen.

Was blieb ist eines Geistes vage Neigung,
sich weiter umzutun, als wäre Sehnen
ein Tor zum Himmel und für immer offen.

Der Weg dahin verliert vielleicht an Steigung,
indes, schon tödlich bin ich längst getroffen,
und jeder Schritt beginnt die Zeit zu dehnen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 07.02.2014, 19:39   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

schon mehrfach gab ich zu, mich in düsteren Gedichten zu "aalen" - ich mag sie - samt der Stimmung, die sie erzeugen.

"Gefühlsverlustig" trägt etwas Besonderes. Die Ich-Form versteht man nicht persönlich (dem Autor gegenüber), man erkennt darin eigene Lebenserfahrungen und reagiert im Kommentar nicht mit "Konter" und "Rat",
sondern sinnt nach.

Mir hat "eines Geistes wage Neigung" besonders imponiert.
Er erhebt sich, folgt dem Lauf der Zeit und löst sich damit von der vergänglichen Knabenzeit (Mädchenzeit). Zugleich wird alle Vergänglichkeit offenbar. Das Reifen unterliegt ihr auch.

Ein wunderbares Sonett mit einem realen "Abgang" und lyrischer Tiefe.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 07.02.2014, 21:59   #3
Erich Kykal
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Hi, Dana!

vielen Dank für deine Gedanken!

Mit dem einsetzenden Alter(n) habe ich die Erfahrung gemacht, dass all die Dinge, die dem jungen Menschen wichtig sind, nach und nach, schleichend an Bedeutung und Sinn verlieren.
Auch der Schmerz aus jungen Jahren relativiert sich. Man definiert sich neu oder zumindest anders, oder man leugnet die Veränderungen und tut einfach so, als gehe es immer noch weiter und immer weiter.
Aber wenn nichts mehr wirklich zählt, welchen Inhalt hat dann noch ein Leben? Manchmal fühle ich mich wie jemand, der schon vor langer Zeit gestorben ist und einfach nicht aufhören wollte zu atmen.
Zeit spielt keine Rolle mehr, weil man nirgendwo mehr wirklich hin will. Alles dehnt sich ins Gleichgültige - und dennoch, man lebt. Man will leben. Wozu? Tja, diese Antwort muss sich wohl ein jeder selber suchen - und sich ihr stellen!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (08.02.2014 um 10:01 Uhr)
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Alt 07.02.2014, 22:47   #4
Dana
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eKy,
meinst du wahrhaftig, dass man an den Punkt gelangt, dass nichts, gar nichts mehr zählt?
Ich denke, dass wir uns immer noch an etwas hangeln und das Atmen eine rein natürliche Voraussetzung dafür bleibt.
Man nehme nur deine "Klage" in Sonettform darüber. Ist diese nicht auch ein Sinn, der über dem Atmen steht?
Alles dehnt sich, doch wer darf behaupten, bestimmen, ob es sich ins Gleichgültige dehnt?
Ist Hawking ein Gleichgültiger? Nein, er ist der lebendigste Geist, den ich mir denken kann. Seine Behinderung erspart ihm bestimmt keine Sehnsüchte und Träume - und doch lebt sein Geist.
Natürlich stellt sich jeder selbst dieser Frage.
Für mich kann ich nur sagen, dass mir eine endgültige Antwort noch fehlt und ich froh bin, dass ich sie (wenn nichts mehr geht ) immer noch "leichtfüßig" dem Geiste stellen kann.
Ich denke und hoffe, dass dann immer noch etwas geht und sich dehnt.

(Ich liebe Traurigkeiten als Begleiterscheinung zum Sein an sich - aber leben kann ich ohne sie.

Es sind Betrachtungen des Lebens, die sich lyrisch ausdrücken. Vielleicht um "Gedankengleichgesinnten" zu begegnen, um zu leben. Ein ganz eigner "Lebenssinn".

Liebe Grüße
Dana
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(Frederike Frei)
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Alt 08.02.2014, 10:15   #5
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Nein, natürlich glaube ich nicht, dass wir an so einen Punkt kommen - zumindest bei weitem nicht alle.
Ich habe nur den Mechanismus eines Prozesses an mir erkannt und die Sache gedanklich extrapoliert.
Es mag Menschen geben, die krankheitsbedingt ins Nichts abgleiten, siehe Alzheimer, Demenz, spezielle Formen von Parkinson, oder solche, die sich einfach gehen lassen, weil ihnen dies als schmerzfreiere Alternative erscheint. Auf solche kann der obige Text passen.
Aber alle anderen restrukturieren eben ihre Bedürfnisse und Ziele und führen weiterhin ein nach Kräften und Möglichkeiten möglichst erfülltes Leben. Diesen Weg muss, wie ich im letzten Kommi nahelegte, eben jeder selbst für sich finden.
Dass wir uns verändern, weil unsere Körper sich verändern, steht außer Frage. Der Triebdruck lässt nach, der fiebrige oberflächliche Ehrgeiz, sich und/oder der Welt etwas beweisen zu wollen, bisher so wichtig scheinende Ziele wirken plötzlich eitel und leer - einfach, weil sich auch mit Lebenserfahrung und Einsicht die Perspektive verschoben hat. Man verlangsamt sich, wird bedächtiger, ruhiger, kann sich selbst zulassen, auch mit Fehlern, die Welt wird weniger schwarz-weiß, weniger intensiv, hat es weniger eilig. Man begreift, dass die Uht tickt und abläuft - man ist "tödlich verwundet", so oder so - das Leben entfließt uns wie Sand durch die Finger.
Die Zeit dehnt sich, die Welt läuft plötzlich eher an einem vorbei oder über einen hinweg, man fühlt sich nicht mehr als Teil des Stromes.
Dennoch scheinen die Jahre plötzlich nur so zu entfliegen, aber man findet sich drein. Was bleibt einem auch übrig...

LG, eKy
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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