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Alt 12.12.2009, 17:26   #1
Corazon
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Standard Die alltägliche Gewalt und die Machtlosigkeit des Einzelnen ihr gegenüber

Im Herbst 2007 zog ich mit meiner Tochter in eine 3 Zimmer Wohnung in einem Hochhaus in Dietzenbach bei Frankfurt am Main. Ich kannte Dietzenbach nicht, aber die Wohnung war relativ günstig.
Meine Tochter ging dort in die erste Klasse der Grundschule.

Zu ihrem Geburtstag bestellte ich ihr eine Kappe, so eine Baseballkappe, mit den Figuren einer japanischen Manga Serie darauf. Die Kappe gibt es in Deutschland nicht, war ein Direktimport aus Japan und nicht billig.

Paar Tage später kommt sie weinend aus der Schule zurück und sagt, ein Junge aus einer Parallelklasse hätte sie ihr abgenommen. Ich beruhigte sie und meinte, ich würde am nächsten Tag mit ihr zur Schule gehen, mit dem Jungen reden und natürlich würde er die Kappe zurückgeben. Bis zu diesem Zeitpinkt sah ich da kein grosses Problem.

Am nächsten Tag zeigt sie mir den Jungen im Schulhof, der doch tatsächlich ihre Kappe trug. Ein kleiner, sechsjähriger Marokkaner. Ich gehe zu ihm, sage ihm wer ich bin und bitte ihn ganz freundlich die Kappe zurückzugeben. Er explodiert förmlich, spuckt mich an und schreit, er würde seinem grossen Bruder Bescheid sagen, der würde mich "in den Arsch ficken".
Ich bin nicht so der Typ, der sich sowas von einem sechsjährigen Knirps sagen lässt und dann eine pädagogische Diskussion anfängt. Ich knallte ihm also links und rechts paar auf die Backen, nahm ihm die Kappe ab und brachte meine Tochter in ihre Klasse.

Am späten Nachmittag sitzen wir zu Hause, es klingelt und die ganze Sippe steht vor unserer Tür. Bestimmt zehn Leute, Männer und Frauen, schreien mich an, drohen mir, mich demnächst abzustechen, oder meine Tochter am Spielplatz zu verprügeln. Es wird so extrem, dass ich die Polizei rufe. Bis die kommen ist die ganze Sippe wieder weg, natürlich unter Drohungen und Beschimpfungen.

Die Polizisten sind nett, aber hilflos. Solange mir oder meiner Tochter nichts passiert ist, kann die Polizei nichts machen. So ist es nun mal. Wegen ein paar Morddrohungen unternimmt man nichts, das sieht das Gesetz nicht vor.

Ich telefoniere mit meinem Vater, der ist Anwalt. Nachdem ich lange mit ihm gesprochen habe, packe ich zwei Koffer für mich und meine Tochter und fahre zu meinen Eltern nach Bad Homburg. Am nächsten Tag beauftragt mein Vater eine Möbelspedition unser ganzes Zeug aus der Wohnung abzuholen. Ich war nie wieder in Dietzenbach.

Ich habe Glück, dass meine Eltern in Bad Homburg ein relativ grosses Haus haben und ich und das Kind dort sofort einziehen konnten. Andere haben dieses Glück leider nicht und müssen mit dem Terror, der Gewalt leben.

Es wird immer viel davon gesprochen, dass jeder gegen Gewalt ist. Gegen Militär, was weiss ich, gegen was alles. Aber vor der alltäglichen Gewalt der man ausgesetzt ist werden von vielen die Augen verschlossen. Weil man sie nicht sieht und manchmal nicht sehen will.

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