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Alt 21.06.2017, 10:42   #1
Laie
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Standard Abend in den Alpen

Im Felsenhang verblüht der Abend
wie ein Adieu aus rotem Mohn,
und seine schönsten Farben tragend
weiß er von seinem Ende schon.

Von Osten naht die Nacht. Sie schreitet
wie eine Königin heran.
Von ihren edlen Schultern gleitet
ihr Mantel in das Tal und breitet
den Himmel aus wie Enzian.


Version 2 (ohne den unreinen Reim in Strophe 1):

Im Felsenhang verblüht der Abend
wie ein Adieu aus rotem Mohn,
und sich an seinen Blüten labend
weiß er von seinem Ende schon.

Von Osten naht die Nacht. Sie schreitet
wie eine Königin heran.
Von ihren edlen Schultern gleitet
ihr Mantel in das Tal und breitet
den Himmel aus wie Enzian.


Version 3 (jetzt reicht's aber auch):

Im Felsenhang verblüht der Abend
wie ein Adieu aus rotem Mohn,
und seine schönsten Farben tragend
und eine letzte Blüte wagend
weiß er von seinem Ende schon.

Von Osten naht die Nacht. Sie schreitet
wie eine Königin heran.
Von ihren edlen Schultern gleitet
ihr Mantel in das Tal und breitet
den Himmel aus wie Enzian.

Geändert von Laie (21.06.2017 um 13:56 Uhr)
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Alt 21.06.2017, 11:05   #2
Kokochanel
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wie Sahneschokolade, sehr schön.
LG von Koko
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Alt 21.06.2017, 12:26   #3
Laie
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Hallo Koko,

es freut mich, dass es dir gefällt


Gruß,
Laie
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Alt 21.06.2017, 12:39   #4
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Sehr schön, lieber Laie!

Ich mag die Ruhe, die dein Gedicht ausstrahlt. Das Alpenglühn kann ich förmlich vor mir sehen (dieses, Schauspiel ist eines, das ich in der Sommerfrische immer sehr genieße und woran ich mich auch nie sattsehen kann).

Mir gefällt die erste Version mit dem unreinen Reim um einiges besser - ev. weil sie für mich viel natürlicher wirkt (sowohl sprachlich als auch vom Bild her).

Sehr gerne gelesen!
Lieber Gruß,
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 21.06.2017, 13:59   #5
Laie
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Hallo fee,

hab vielen Dank für deine lieben Worte. Ich freue mich sehr darüber

Und du hast recht, die zweite Version klingt auch für mich irgendwie nicht ganz richtig. Dafür gibt es jetzt aber eine dritte Aber auch bei dieser bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie mir besser gefällt als die Urfassung


Gruß,
Laie
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Alt 21.06.2017, 15:05   #6
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Zitat:
Zitat von Laie Beitrag anzeigen
Dafür gibt es jetzt aber eine dritte Aber auch bei dieser bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie mir besser gefällt als die Urfassung

Hm, ja, da bin ich mir auch nicht sicher, lieber Laie.

Ich denke, was an deiner Ur-Version für mich so ansprechend ist, ist die Unaufgeregtheit und sanft-anmutige Schlichtheit. Da ist nichts zu viel und nichts zu wenig und nichts wirkt gewolllt.

"Die letzte Blüte wagend" ist mir da vom Sprachstil her schon fast zu wuchtig oder "edel"....wenn du verstehst, was ich meine. Ich finde, das Gradlinige an der ersten Version ist, was die Stimmung so von selbst entstehen lässt im Leser. Man fühlt sich nicht "gelenkt" beim Lesen. (nicht umsonst sind ja meistens die ersten Versionen vom Gefühl her am nähesten an dem, was man versucht in Worten einzufangen und zu transportieren ...da ist es oft schwer, beim Überarbeiten nichts davon zu verlieren oder zu übertünchen).

Schön sind sie aber alle drei, wenn man es genau nimmt. Bloß Version 1 geht mir ans Herz - so ganz fein und fast schon unauffällig (und dafür nur umso tiefer). In die hab ich mich verguckt.

Nochmal sehr gerne gelesen.

Lieber Gruß,
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― Peter Stamm, Agnes
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Alt 21.06.2017, 16:03   #7
Erich Kykal
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Hi Laie!

Mir gefallen Version 2 und 3 am besten. Nr. 2 schätze ich als die lyrisch beste Version ein, bei Nr. 3 gefällt mir das übereinstimmende Schema der Strophen.

Das Bild der "Nacht, die wie eine Königin von Ost heranschreitet", kommt mir sehr bekannt vor. Zufall?

Hier eine mögliche "Bildvorlage" für deine S1 von Rilke aus "Traumgekrönt":

XVI

Abendläuten. Aus den Bergen hallt es
wieder neu zurück in immer mattern
Tönen. Und ein Lüftchen fühlst du flattern
von dem grünen Talgrund her, ein kaltes.

In den weißen Wiesenquellen lallt es
wie ein Stammeln kindlichen Gebetes;
durch den schwarzen Tannenhochwald geht es
wie ein Dämmern, ein jahrhundertaltes.

Durch die Fuge eines Wolkenspaltes
wirft der Abend rote Blutkorallen
nach den Felsenwänden. - Und sie prallen
lautlos von den Schultern des Basaltes.

(Mir hätte ja in der vorletzten Zeile "fallen" besser gefallen als "prallen", nicht zuletzt, weil im Sprachgebrauch ein "prallen" meist als zusammengesetztes oder geteiltes Verb mit "ab" oder "auf" benutzt wird. Auch hier ist das Bild eins des Abprallens, das "ab" wird aber verschluckt. Sprachtechnisch nicht ganz rein, wie ich finde. Aber wer bin ich, dass ich Rilke kritisieren dürfte, auch wenn er noch sehr jung war, als er dies schrieb ... )

Ob nun bewusst rilkelastig oder gar plagiativ oder nicht - allein, das dein Stil so an ihn erinnert, freut mich und macht mich neidisch zugleich! Sollen andere meckern - mir gefällt's ausdermaßen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (21.06.2017 um 16:09 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.06.2017, 16:36   #8
Laie
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Hallo fee und eKy,

welche Version mir selbst jetzt am besten gefällt, muss ich noch herausfinden.

@eKy: Wenn du mir jetzt sagst, dass dieses Bild in einem Rilke-Gedicht vorkommt, bekomme ich langsam die Krise. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, jedes Bild, das mir einfällt, zu googlen und nachzusehen, ob es schon bei Rilke steht
Das von dir gepostete Gedicht kannte ich bis eben nicht. Aber auch ich dachte gleich, dass mir "fallen" besser gefallen würde. Aber wenn der Abend wirft, macht (zurück-)"prallen" schon auch Sinn.


Vielen Dank für eure Kommentare!


Grüße,
Laie
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Alt 21.06.2017, 19:41   #9
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Laie!

Ich will dir aufrichtig glauben, dass du nicht bewusst versuchst, Rilke zu kopieren - aber die Ähnlichkeit des lyrischen Stils ist eben wirklich verblüffend.

Vielleicht bist du seine Reinkarnation, wenn es sowas geben sollte ...

Lass dich nicht ins Bockshorn jagen! Du schreibst wunderschöne Lyrik, das zählt.

Wenn du das obige Gedicht bis dato nicht kanntest, KANNST du Rilkes Gesamtwerk nicht gelesen haben, zumindest nicht durchgängig. Das spricht für dich.

Ich werde künftig nicht mehr auf irgendwelchen Parallelen herumreiten! Ich hoffe, das hilft dir.

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2017, 11:45   #10
juli
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Hallo Laie,

Hier hast du 3 Fassungen präsentiert. Wie immer ist deine Sprache ein Hochgenuß, und ich werde nicht müde, dir das zu sagen.

Mir gefällt die 1. Version am Besten, sie ist nah am Bauchdenken, wenn du verstehst, was ich meine.

Liebe Grüße vom Meer sy

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