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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 02.09.2016, 10:33   #1
Wodziwob
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Standard Banalität des Bösen


Banalität des Bösen


Das Böse hier, das Böse dort,
grad so, als sei es intressant
und wert genannt zu werden.
Ich sah schon manchen Schreckensort,
hätt mich am Liebsten abgewandt,
verdammt mein Sein auf Erden.

Zu tragen meiner Väter Schuld
mir in die Wiege war gelegt
und hätt mich fast erdrückt.
Das Grauen spottet jeder Huld,
das Gute ist hinweg gefegt,
der Böse nur beglückt.

Und wo die Teufel sich befunden,
als sie die Herrschaft ausgekostet,
wer möchte das ergründen?
Dass sie gefoltert und geschunden,
sieht man an Zäunen angerostet
als Zeugen ihrer Sünden.


2.9.16



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Alt 02.09.2016, 22:25   #2
juli
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Standard Hallo Wozzi :)

Die erste S. finde ich besonders gelungen.

Auch weil das Thema ein nie leider Endendes ist

Ich habe mit deinem Gedicht ein wenig gespielt, vielleicht habe ich zu viel "Senf" hineingekippt, ich hoffe du nimmst meinen Spielkram als Idee.


Das Böse hier, das Böse dort,
grad so, als sei es intressant
und wert genannt zu werden.
Ich sah schon manchen Schreckensort,
hätt mich am Liebsten abgewandt,
verdamm mein Sein auf Erden.


Ich trage meiner Väter Schuld
sie ist mir in mein Sein gelegt
und hätt mich fast erdrückt.
Das Grauen spottet jeder Huld,
das Gute ist hinweg gefegt,
der Böse nur beglückt.


Und wo die Teufel sich befinden
die Herrschaft wird stets ausgekostet -
Wer möchte das ergründen?
Dass sie uns foltern und uns schinden,
sieht man dem Zaun an, der durchrostet
als Zeuge ihrer Sünden.


Ich weiß nicht, ob das zu viel verändert.

Liebe Grüße sy


Geändert von juli (03.09.2016 um 16:33 Uhr)
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Alt 03.09.2016, 06:31   #3
Wodziwob
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Zitat:
Zitat von syranie Beitrag anzeigen
Ich weiß nicht, ob das zu viel verändert.
Guten Morgen, Sy,

ach i wo. An meinen Gedichten darf man gern herumbasteln. Besonders interessant finde ich Deinen Bezug zur Gegenwart durch das "uns" und "stets" in der dritten Strophe. Selbst habe ich mir die Frage, ob ich im KZ gelandet wäre, nur selten gestellt. Zu anschaulich unmittelbar hatte ich die ungeheure Macht vor Augen, mit der die Nazidiktatur das Denken der Menschen beherrschte und manipulierte, so dass ich nicht mit Gewissheit sagen kann, ob und wie weit ich mich dieser furchterregend perfekten Propagandamaschinerie hätte entziehen können. Außerdem habe ich nicht das Recht dazu, mir die Sache dadurch zu erleichtern, mich zum Opfer zu stilisieren.

Es müsste eher heißen: In mein Sein gedrückt. Ich wurde ja nicht als "Deutschnazi" geboren, sondern so unschuldig wie nie mehr wieder. Das wachsende Bewusstsein, der direkte Nachkomme einer Generation von aktiven und passiven Massenmördern zu sein, kam erst später, dafür aber mit erschlagender Wucht. Das können sich die folgenden Generationen nicht mehr vorstellen. Wir konnten unsere Eltern nur hassen dafür, wenn wir nicht ersticken wollten.

Der Böses? Hast Du Dich da vertippt? Der Böse mit den vielen Namen ist gemeint, und kein anderer. Ich kenne ihn seit früher Kindheit.

Deine Version ist erträglicher. Der freundliche Nachbar und Vater Deines Schulfreundes war keiner, von dem alle raunten, er sei KZ-Wächter gewesen. Wir hatten den Geruch der Krematoriums-Schornsteine quasi noch in der Nase. Der Lehrer, der... die... jeder und alle hätten aktive und "überzeugte" Nazis sein können.

(Mein Pa war Sanitätsfahrer im Russlandfeldzug. Schriftlich belegt. Wenn er einen über den Durst getrunken hatte, erzählte er davon, sehr lebendig und anschaulich. Ich brauchte wirklich keine abartigen Computerspiele, um fiebriges Grausen zu erleben, die Wahrheit und Wirklichkeit eines Krieges ist so unvorstellbar anders und entsetzlicher als alles "Animierte", dass sie sich nicht einmal mehr aus zweiter Hand wiedergeben lässt. Aber das nur am Rande. Fest steht, dass die Kriegsgeneration durch die Bank irreparabel "kaputt" war.)

Aber freut mich, dass Du Dich damit beschäftigt hast und Dir die Mühe gemacht, es kongenial zu "übersetzen".

Herzliche Grüße
Wozzi

Geändert von Wodziwob (03.09.2016 um 06:32 Uhr) Grund: zz
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Alt 03.09.2016, 17:02   #4
juli
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Standard Hallo Wozzi :)

Hallo wozzi,

Ah, nun verstehe ich, du hattest KZs vor den Augen. Ich hatte dein Gedicht so verstanden, als sei „die Banalität des Bösen“ Gegenwart. Daher auch die Änderungen „uns“ und „stets“, eigentlich wollte ich den Sprachrhythmus glätten. Die Gegenwart hat auch genug Beispiele parat.

Die Nazizeit ist ein sehr düstere Zeit, und das ist noch wohlwollend ausgedrückt. Ich kenne Familiengeschichten, weil ich auch nicht mehr die Jüngste bin, die jedes Szenarium der heutigen grausamen Ballerspiele übersteigen. Und Vergangenheitsbewältigung geht langsam, langsamer als wir Deutschen es und wünschen. Die letzten zwei Kriege hier in Europa sind noch lebendiger Zeitgeist. Es gibt noch Erlebnisse in der Großelterngeneration, die nun im ganz alten Alter ( sie sind so um die 80 Jahre alt) aus ihren Gehirnen hervorkriechen, lang lang waren Schreckensereignisse, Traumata eingesperrt. Ich meine bei den Siegern wie auch bei den Verlierern. Und da ich Volk von aktiven und passiven Massenmördern bin, kann ich nicht aus meiner Haut. Mitgehangen mitgefangen. Ich bin friedlich und weiß das Gewalt wieder Gewalt auslöst. Meine Kinder haben sich die schaurigen Kzs angeschaut, ihre Klassenfahrten gingen dorthin, und sie waren schwer beeindruckt, nachdenklich und hatten viele Fragen. Ich bin der Meinung so etwas darf es nie nie wieder geben, dennoch weriß ich, wie kurzlebig Erfahrungen bei den Menschen sind. Krieg und das gegenseitige Auslöschen gehört zu unserer Spezies. Aber zurück zu deinem Gedicht, ich weiß nun genauer was du meinst: Die Naziverbrechen, die Vernichtung vieler vieler Juden und Andere, die nicht ins Nazischema paßten.
Normalerweise sind meine Antworten voller Smileys, weil ich die kleinen bunten Kugelköpfe zu gerne mag und die wehenden Blümchen, aber nun nicht...

Böse(s) war ein Tippfehler.

Danke für deine ausführliche Antwort.

Liebe Grüße sy
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Alt 03.09.2016, 17:36   #5
Wodziwob
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Standard

Hab mal in Dein Profil geluchst, Sy,

na, dann weißt Du ja genau, wovon ich spreche. Auch deshalb hab ich den Holocaust des syrischen Flüchtlingsstroms insbesondere der Frauen und Kinder so ungeschützt hautnah an mich heranlassen müssen, ich wusste wenigstens mittelbar, wo sie herkommen, was sie hinter sich haben und warum es kein Zurück gibt für sie. Ebenso das Massensterben im Mittelmeer, lieber ertrinken als das, ich kann es nachvollziehen... Als würde ein Dibbuk in mir wohnen und mein Gewissen samt Verantwortungsbewusstsein erbarmungslos wachhalten. Klar ist die Banalität des Bösen zeitlos aktuell, alles kehrt zurück, Geschichte wiederholt sich ständig. Und wir treten auf der Stelle. Manchmal bin ich unendlich müde.

Danke für Deine verständigen Zeilen.

Wozzi

Geändert von Wodziwob (18.09.2016 um 04:35 Uhr) Grund: Flüchtigkeitsfehler
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