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Alt 05.08.2019, 10:38   #1
Thomas
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Standard Befreit

Befreit

Ihr Körper war wie Ebenholz,
die Haut, wie Samt und Seide.
Sie schritt wie eine Göttin stolz
einher auf karger Weide
und hütete die Herden gut
bei Regen und in Sonnenglut
und sang ein Lied dabei.

Die dunklen Augen strahlten hell,
erfassten schon im Werden
mit Sicherheit, gepardenschnell
Gefahren für die Herden,
die schütze wehrhaft sie und gut
bei Regen und in Sonnenglut
und sang ein Lied dabei.


Ein weißer Mann nahm sie zur Frau,
hat sie mit Gold bestochen.
Das schwarze Ebenholz ward grau,
ihr edler Stolz gebrochen.
Sie sehnt sich (zwar, es geht ihr gut)
nach Regen und nach Sonnenglut.
Sie lebt nun, heißt es, frei.


Alte Version der dritten Strophe

Ein weißer Mann hat sie entdeckt
und sie mit Gold bestochen.
Das Ebenholz ist nun befleckt,
auch ist ihr Stolz gebrochen.
Sie sehnt sich (zwar, es geht ihr gut)
nach Regen und nach Sonnenglut.
Sie lebt nun, heißt es, frei.
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller

Geändert von Thomas (06.08.2019 um 13:46 Uhr)
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Alt 05.08.2019, 11:29   #2
Erich Kykal
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Hi Thomas!

Vor dem Hintergrund der Emanzipation der letzten Dekaden immer noch gleich von "Befleckung" zu sprechen, wen eine Frau sich nimmt, was sie will (was Männer ja schon seit Jahrtausenden tun, ohne ein solches Stigma fürchten zu müssen ...), ist zum Teil christliche Moralvorstellungen romantisierend, zum Teil unfair gegenüber den Frauen.
Natürlich verstehe ich, was deine Intention war, aber dies waren eben meine ersten Gedanken zu diesen Zeilen. Es kommt eben auch darauf an, wie das Selbstbild so einer Frau beschaffen ist. Ist sie wirklich "frei" und stark, wird sie die Achseln zucken, das Gold genießen und sich nichts weiter dabei denken - oder sie hat sogar noch Spass am Verkehr!
Eine innerlich an enge Moral gebundene, also unfreie Frau allerdings, die auf das Bild der jungfräulichen Reinheit immer noch reinfällt - leider wird das in vielen patriarchalischen Kulturen immer noch propagiert und den Mädchen entsprechend indoktrinativ antrainiert - wird sie leiden, gebrochen sein und sich wertlos fühlen.
Und die starke Frau kann nur den Kopf schütteln und denken: Warum bloß ... ?

Ein paar Kommata hast du zuviel drin, und ein paar Kleinigkeiten schlage ich noch vor:

S1 kommt ab Z2 ganz ohne Kommata aus:

Ihr Körper war wie Ebenholz,
die Haut wie Samt und Seide.
Sie schritt wie eine Göttin stolz
einher auf karger Weide
und hütete die Herden gut
bei Regen und in Sonnenglut
und sang ein Lied dabei.

Die dunklen Augen strahlten hell,
erfassten schon im Werden
mit Sicherheit gepardenschnell Kein Komma hier.
Gefahren für die Herden,
sie schütze wehrhaft sie und gut Hier erscheint mir die Weiderholung von "sie" weniger tapsig als das "die". Alternativ wäre ein weiterer Bezug auf die Augen: bewachten treulich sie und gut".
bei Regen und in Sonnenglut
und sang ein Lied dabei.

Ein weißer Mann hat sie entdeckt
und sie mit Gold bestochen.
Das Ebenholz ist nun befleckt, Ich denke mal, das "nur" war ein Tippfehler ...
auch ist ihr Stolz gebrochen.
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Sie lebt nun, heißt es, frei.


Sehr gern gelesen und beklugfummelt!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.08.2019, 20:55   #3
Thomas
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Lieber Erich,

vielen Dank, du kommentierst immer so anregend und genau. Das ist sehr hilfreich. Mir fällt das schwer. Die angemahnten Fehler habe ich korrgiert. Ich werde versuchen das "befleckt" wegzubekommen, es gefällt mir auch nicht besonders.

Liebe Grüße
Thomas

P.S.: Mir fällt gerade ein:

Ein weißer Mann nahm sie zur Frau,
hat sie mit Gold bestochen.
Das schwarze Ebenholz ward grau,
auch ist ihr Stolz gebrochen.
Sie sehnt sich (zwar, es geht ihr gut)
nach Regen und nach Sonnenglut.
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Geändert von Thomas (05.08.2019 um 21:04 Uhr)
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Alt 06.08.2019, 10:53   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Thomas!

Ja, viel besser mit dem symbolischen Farbwechsel, und farbige Tote sind ja tatsächlich eher grau - eine passende Metapher für inneres Sterben.

Ich würde zusammen mit der Folgezeile sogar einen ganzen Satz draus machen, wo das "ward" als Verb für beide Teile gilt (im unteren als Hilfszeitwort), das wirkt sprachlich eleganter:

Das schwarze Ebenholz ward grau,
und auch ihr Stolz gebrochen.

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.08.2019, 13:47   #5
Thomas
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Lieber Erich,

danke, ich habe es aufgegriffen.

Liebe Grüße
Thomas
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