Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 25.08.2012, 12:23   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard August, Samstag vormittag

Ein Glockentaumeln küsst die Hügelränder,
die ferne Blaskapelle kniet im Klang.
Ein sachtes Innehalten quert die Länder
und schmeckt nach Feiertagen und Gesang.

Die Morgenkühle duckt sich ungeständig
noch scheu in Talestiefen um den Bach,
der Tag wird mündig, reibt sich eigenhändig
die letzten Nebel fort und gibt sich wach.

Wo seid ihr einig meinem Sein und Werden,
scheint er zu fragen, und ich weiß nicht was
ich darauf sagen soll. Mir ward auf Erden
kein mit Dazugehören und kein Maß.

Vielleicht nur darum weiß ich so zu deuten,
was sich an Welt vor meinem Sehnen regt -
ich weiß mich ungebunden neu zu häuten
mit jedem Tag, der meinen Geist bewegt.

Ein leiser Wind greift in die grünen Wogen
besonnter Hügel, wie in reife Ähren
ein weiser Landmann fasst, was er gezogen,
bedacht zu prüfen, und ich wollt, es wären

die Tage alle so: Beseelte Stunden
aus klaren Bildern vor entrücktem Schauen,
das selig erntet, was es tief empfunden,
um täglich neu mir diese Welt zu bauen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (01.09.2019 um 13:08 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.09.2012, 21:57   #2
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber eKy,

war das ein katholischer Feiertag? (Das kam so über mich.)

Dieses Gedicht hat eine andere, neue Wirkung auf mich.
Es entstehen viele Bilder und Stimmungen. Man lässt sich anfangs ganz auf Natur ein, genießt und dann sieht man das lyr. Ich und hört auf seine Gedanken. Die Naturbilder bleiben, aber sie stimmen nachdenklich, für Augenblicke sogar melancholisch und verwandeln sich in eine tiefe Sehnsucht.

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Wo seid ihr einig meinem Sein und Werden,
scheint er zu fragen, und ich weiß nicht was
ich darauf sagen soll. Mir ward auf Erden
kein Mitdazugehören und kein Maß.
Mir ist, als wüsste ich etwas darauf zu sagen und dann fühle ich, dass es mehr ein Wunsch (Sehnsucht) ist:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
und ich wollt, es wären

die Tage alle so: Beseelte Stunden
aus klaren Bildern vor entrücktem Schauen,
das selig erntet, was es tief empfunden,
um täglich neu mir diese Welt zu bauen.
Das sind sie, die beseelten Stunden (meist nur Momente), wo man pure Glückseligkeit erntet, sie zu halten versucht und feststellen muss, dass die Tage dann doch wieder anders werden.
Und doch, ist beides verlässlich - jene Momente und die andere Wirklichkeit.

Selbst beim Kommentieren fällt es schwer, die "andere Wirklichkeit" zu benennen. Der Leser hält lieber an den Bildern und Klängen fest.
Dein Gedicht verführt dazu - es berührt eine vertraute Empfindsamkeit.

Gern gelesen, genossen und "gesinnt".

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.09.2012, 11:40   #3
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

hihihi,
den guten erich ausgrechnet mit "katholischen feiertagen" in verbindung zu bringen - das wird ihm vermutlich noch die letzten kopfhaare sträuben!

aber es stimmt schon: hier kommt eine sehr feierliche, fast andächtige stimmung herüber, und ein wenig wehmut auch, quasi zwischen den zeilen:

Zitat:
Mir ward auf Erden
kein Mitdazugehören und kein Maß.
im grunde genommen ist und bleibt die natur doch die schönste kathedrale:

Zitat:
Ein leiser Wind greift in die grünen Wogen
besonnter Hügel,
das ist schon lyrik vom feinsten!

mögen noch viele gute (sams)tage diesem einen folgen!

lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.09.2012, 15:17   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Dana, Larin!

Vielen Dank für eure Gedanken!

So abwegig ist jener an einen katholischen Feiertag beileibe nicht - hier in Österreich auf dem Lande ist man SEHR katholisch und nimmt das sehr ernst, da kann man meckern, wie man will. Es könnte durchaus so ein Feiertag gewesen sein - und anders als larin denkt, verzweifle ich nicht daran. Gegen Gemeinschaftsrituale, Tradition und bäuerliche Borniertheit ist nun mal kein Kraut gewachsen (Achselzuck).
Oder es war eine Hochzeit, eine Einweihungsfeier, ein Jubiläum, ein Dorffest,... der Möglichkeiten sind viele, und die Glocken werden für sowas alle Nase lang geläutet. Hier ist es ja auch nur der Einstieg, der "Background", die Hintergrundkulisse für die Überlegungen des Lyrich angesichts der Gesamtstimmung im Zusammenspiel ferner Menschenklänge und erhabener Natur.
Ich ließ mich bei diesem Gedicht ganz frei "fließen", dahinrinnen. Es entstand, wie es wollte.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (16.10.2012 um 20:54 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.10.2012, 21:33   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
Standard

Servus Erich,

ich habe mal ein wenig gestöbert und fand dieses Gedicht hier, nebst der dazugehörigen Kommentare.

Als ich mit dem Lesen einstieg, dachte ich, ja, das ist es.

Ich war in meinem Leben erst drei Mal in Österreich, zwei Mal in Wien und einmal in Salzburg, während eines längeres Aufenthaltes in Flachau.
Aber das ist lange her, viel zu lange.
In den letzten 30 Jahren habe ich eure schöne Alpenrepublik lediglich als Transitstrecke missbraucht, um nach Südtirol bzw. Italien, aber hauptsächlich nach Slowenien zu gelangen.
Aber auch dort entstanden mir unvergessliche Bilder und wenn ich noch einmal dorthin kommen sollte, dann möchte ich es so, wie von dir beschrieben.
Da ich jetzt auch wieder relativ fit bin, würde ich dann mit larin in Wien bummeln gehen und dich, mein lieber Erich, über alle erreichbaren 3000er scheuchen, zwar nicht, um sie zu erklettern, sondern um sie wandernd zu erforschen.

Das können wir dann gern auch sonntags machen, wenn die anderen in die Kirche gehen.

Allerdings, und ich betone, das war jetzt rein stimmungsabhängig, entstand mir beim erst Lesen spontan ein anderer Eindruck, so daß ich mich mit einem Scroll nach oben erst einmal vergewissern musste, ob wir hier in der richtigen Rubrik sind...

Zitat:
Ein Glockentaumeln küsst die Hügelränder,
Das ist ja noch relativ unverfänglich, obwohl schon ein undeutliches Bild entsteht...

Zitat:
die ferne Blaskapelle kniet im Klang.
...was allerdings hier festere Konturen erhält, denn jetzt stimmen die Relationen wieder.

Zitat:
Ein sachtes Innehalten quert die Länder
Das könnte ebenfalls in das gerade entstehende Bild passen...

Zitat:
und schmeckt nach Feiertagen und Gesang.
...und wird hier deutlich noch einmal unterstrichen.

Allerdings würde ich dafür dann folgende kleine Änderungen vorschlagen, auch wenn ich deine Einstellung dazu kenne:

Mein Glockentaumeln küsst die Hügelränder,
die ferne Blaskapelle kniet im Klang.
Mein sachtes Hinnehalten quert die Länder,
es schmeckt nach Feiertagen und Gesang.



Nein, Spaß beiseite, ich finde dieses Gedicht sehr schön und tiefsinnig, beschreibt es doch des Lebens ständiges Auf und Ab in anschaulichen Bildern. Auch scheint der Protagonist seine Wünsche schon auf ein recht realistisches Maß reduziert zu haben, weil er zu einer gewissen Einsicht gelangt ist, sich mit dem zufrieden zu geben, was das Leben ihm zu bieten hat. Und doch bleibt am Ende die Hoffnung auf eine gute Zeit erhalten.

Das Gedicht hat mir mit seinen zeilenübergreifenden Reimen und seiner klar strukturierten Sprache sehr gut gefallen und ich hoffe, du nimmst mir den kleinen Scherz am Anfang nicht allzu übel...


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.10.2012, 00:22   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Faldi!

Keine Sorge, ich krieg nicht so schnell was in den falschen Hals. Allerdings hülle ich mich bezüglich aller Umstände, die meine Glocken zum Taumeln bringen, lieber in diplomatisches Schweigen!

Dana und du wart glaube ich letztes Jahr schon zu meinem Dichtertreffen eingeladen, aber da konntet ihr nicht, soweit ich mich entsinne. Heuer gab's auch ein Treffen, allerdings nur für Mitglieder von "LyriKern.de" (mit 2 speziellen Ausnahmen).

Nächstes Jahr, wieder irgendwann so Juli, Anfang August, gibt es voraussichtlich wieder ein Treffen bei mir. Näheres bei Interesse per PN.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Erna und August, nah am Suizid pringles Dramen und Bühnenstücke 1 03.02.2010 22:45
August ruhelos Ausflug in die Natur 10 22.10.2009 12:15
Samstag im Park Klatschmohn Der Tag beginnt mit Spaß 11 14.03.2009 21:25


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 22:16 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg