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Alt 03.08.2011, 19:19   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard Beiläufig

Beiläufig


Der Tod ist eine Beiläufigkeit, er geschieht sozusagen beim Laufen. Beim Auslaufen. Beim Ablaufen. Beim Hinlaufen. Beim Weglaufen. Laufend eben.
Da setzt das Herz aus. Der Kopf aus. Das Licht aus. Egal, ob stehend, liegend, sitzend. Es ist ein einziges Ausatmen. Wenn es dazu noch reicht.
Und es bleiben ein paar zurück auf den Laufbändern. Hin und her. Rechts und links. Hoch und tief. Rauf und runter.
Eine Träne stiehlt sich in Augenwinkel. In Blickwinkel. Macht trüb. Vernebelt.
Beim Grablegen ist es oft so kalt, dass die Nasen laufen. Geschneuze. Geschluchze. Die eine Träne bekommt Gesellschaft. Soll ja nicht so allein sein.
Es halten sich Hände, die vorher nichts gehalten haben, nicht mal die leeren Versprechen. Der Sarg ist nicht leer, aber die Augen.
Danach verläuft sich das, was gekommen ist. Jeder strebt seinem Ende zu. Die Richtungen sind verschieden. und wie sie auch schlendern, gehen, eilen, laufen, rennen, hasten: sie kommen alle da an, nämlich hier.
Lass sie laufen, Bruder. Wenn es soweit ist, werden sie‘s erfahren. Ganz beiläufig.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
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Geändert von Walther (06.08.2011 um 18:23 Uhr)
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Alt 06.08.2011, 09:28   #2
Stimme der Zeit
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Guten Morgen, Walther,

dein Werk hier las ich mit einem Hauch Bewunderung.

Das hier ist eigentlich ein einziges Stilmittel. Kaum zu glauben, nicht zu fassen.
Ich bin angetan, erfreut und beeindruckt. Beinahe hingerissen.

Da ich eine echte Schwäche für rhetorische Stilmittel aller Art habe, ist das hier ein Werk, das mir beim Lesen wirklich Freude schenkt.

(Nein, ich zähle das nicht alles auf, das würde nach "Ich weiß es! Ich weiß es!" aussehen ... aber ich weiß es schon.)

Wobei ich finde, dass es aufgrund der vielen angewandten Stilmittel durchaus in der richtigen Rubrik steht. Ich (persönlich natürlich) denke, es ist für die Prosarubrik lyrisch gesehen zu komplex. Aber darüber könnte man sich streiten. Ich plädiere dafür, es hier zu lassen, und warte ab, ob sich noch eventuelle "Gegenstimmen" zu Wort melden.

Inhaltlich erzählt es eine Geschichte, die den "Titel zum Programm" macht. Die Beiläufigkeit des Todes ...
Was, wenn man es genau betrachtet, ja auch der Fall ist. Der Tod geschieht einfach, jederzeit, so oder so. Eben einfach so.

Der Einzelfall ist eine Tragödie, aber der Tod als Ganzes betrachtet, ist ein Ereignis, das an unserem bewussten Denken meist "vorbeirauscht". Es wird (buchstäblich) ständig gestorben, überall, unbeachtet und meist unbemerkt. Das betrifft im Grunde genommen nicht nur uns Menschen. Heute morgen lag ein toter Nachtfalter auf meinem Küchenfußboden.

Das Leben geht weiter. Die "Gebliebenen" halten sich kurz aneinander fest - bevor alle wieder ihres Weges gehen. Ich glaube, das liegt auch an einem Empfinden, das viele Menschen auf Friedhöfen haben: Schauder - nichts wie weg hier ...

Allerdings ist es genau so, wie von dir geschildert. Entkommen können wir nicht, wir kommen unweigerlich an - dort.

Zitat:
Lass sie laufen, Bruder. Wenn es soweit ist, werden sie‘s erfahren. Ganz beiläufig.
So ist es.

Sehr gelungen finde ich auch die Art der Schilderung. Eine "beiläufige" Aufzählung, um eine "Beiläufigkeit" zu schildern. Wie ein "geistiges Achselzucken" - das ist eben so, nichts weiter Wichtiges, war schon immer so und wird immer so bleiben. Punkt.

Dadurch gelingt es, eine der Aussage entsprechende Stimmung im Leser zu erzeugen. Nichts Bedrohliches, nur etwas ganz Normales.

Sehr schön ausgearbeitet. (Aber nicht eitel werden, nur weil ich schon wieder zum Loben gezwungen bin!)

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 09.08.2011, 16:54   #3
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Lb. Stimme der Zeit,

angeregt wurde dieser Text durch einen Kollegen in einem anderen Forum. Ich habe ihn dann weiterentwickelt und hier gepostet.

Es freut mich sehr, daß Dir meine Wortspielereien über den Tod als alltaäglichen Bestandteil des Lebens zusagen. Schließlich sind wir Weltmeister im Verdrängen. Zu dem, was wir sehr gerne aus unserem "Leben" hinausrotieren, gehört das Ableben.

Vielleicht liegt es am zunehmenden Alter, daß man sich diesem Thema nach und nach nähert. Ich hoffe, irgendwann sogar neugierig darauf zu sein. Das ist, neben dem Willen, weiter mitzumischen bei alledem, vielleicht der beste Weg, sich mit seinem Ende zu beschäftigen.

LG W.
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