27.07.2011, 18:35 | #1 |
Galapapa
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Ein Schrei im All
Dein Blick, als ich ging, war ein Schlag in die Seele,
ein Schrei ohne Hoffnung und Trost, ohne Schall. Ich wandte mich ab, so dass er mich verfehle. Er traf mich ganz lautlos - ein Schrei tief im All. Die Tränen in deinen bezaubernden Augen verfolgen mich quälend bis heut überall, als wollten sie still jene Schuld aus mir saugen, mich höhlen, so leer, wie das Nichts tief im All. Dein Schweigen drang laut in die schuldigen Ohren, dein wortloses Klagen war hart wie Metall, ich fühlte, ich hatte den Boden verloren - wie ziellose Trümmer im endlosen All. Geändert von Galapapa (09.09.2011 um 18:56 Uhr) |
28.07.2011, 11:52 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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guten tag galapapa,
du schlimmer du! du hast sie verlassen, pfui aber auch! das gedicht ist sehr ausdrucksstark und auch flüssig zu lesen da du nichts zur ursache sagst, frage ich mich nur, warum dich ihre bezaubernden augen nicht bezaubert haben? das verwirrt mich etwas gern gelesen und kommentiert ida |
28.07.2011, 13:04 | #3 |
Galapapa
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Hallo Ida,
erst mal danke fürs Kommentieren und für Dein Lob! Dann möchte ich Dich darauf hinweisen, dass der Autor und das lyrische Ich nur selten identisch sind. Du solltest also nicht automatisch davon ausgehen, dass mit einem "ich" im Text der Autor gemeint ist. Den "Schimmen" und das "pfui" gebe ich also entsprechend weiter. Übrigens: Es wäre ja sogar denkbar, dass ein Dichter, der selbst verlassen wurde, also Opfer ist, auf diese Weise seinen Schmerz und evtl. seine Demütigung verarbeitet. In diesem Fall wäre er mit dem verlassenen Opfer identisch. Spaß beiseite und zu Deiner Frage: Die Urache habe ich bewusst weggelassen, um den Leser auf den bloßen Vorgang und dessen direkte Auswirkungen zu konzentrieren. Ich meine, dass für die Ursache ein weiterer Text zu machen wäre, in dem jene im Mittelpunkt steht. Mit dieser Arbeitsweise hatte ich die Möglichkeit, drei Details besonders haerauszuarbeiten, ohne das Gedicht zu überladen: -Der Blick des Verlassenen, der wirkt wie ein stummer Schrei -Die Tränen, die Schuldgefühle auslösen -Das anklagende Schweigen. Auf diese Weise halte ich die Wirkung der Verse für tiefer gehend. Dass man jemanden verlässt und trotzdem dessen Augen "bezaubernd" findet, soll Dich nicht verwirren. Wir kennen, wie gesagt, die Gründe ja nicht. Das wiederum führt zu einem weiteren, bewusst eingesetzten Mittel: Ich lasse den Leser mit Fragen zurück, die er sich selber beantworten muss. Das macht meiner Meinung nach den Text wesentlich interessanter. Danke fürs vorbeischauen und herzliche Grüße an Dich! Galapapa |
29.07.2011, 15:36 | #4 | ||
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo galapapa,
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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30.07.2011, 11:25 | #5 | |||
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 1.836
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Hallo, Galapapa,
ich finde dein Gedicht ebenfalls gut gelungen. Die identischen Endreime "All", und ganz besonders die Epipher "tief im All" (du hast beides also miteinander verbunden), gefallen mir sehr. Was ginTon sagt, stimmt, der "Walzertakt" des Amphibrachys neigt dazu, einen Text normalerweise eher "schwingen" zu lassen. Dein Gedicht ist geeignet, um aufzuzeigen, dass es auch anders sein kann. Meiner Meinung nach liegt es a) an der "Wortwahl" und b) an den angewandten Stilmitteln, die du auf die männlichen Kadenzen "gelegt" hast - das verstärkt die "Wirkung" bzw. "Eindringlichkeit" der enthaltenen Aussage. Auch die sehr eindringlichen Adjektive tragen sicher das ihre dazu bei. Eine kleine Inversion hast du drin, aber sie stört nicht sehr. Das Einzige, woran ich ein bisschen knabbere (nicht im "technischen", sondern im "inhaltlichen" Sinne) ist der letzte Vers im Gedicht. Das liegt am Singular: "ich fühlte, ich hatte ..." und dann der Plural: "wie ziellose Trümmer ...". Eigentlich kann das LI nur "ein Trümmerstück" sein, das bekomme ich irgendwie nicht ganz "zusammen". Meines Erachtens nach liegt das am Adjektiv "ziellos". Wenn man statt dessen "zahllos" einsetzt, ergibt das einen direkten "Vergleich" zwischen Ein- und Mehrzahl; ich hoffe, du verstehst, was ich ausdrücken möchte. (?) Natürlich ist das nur mein ganz persönlicher Eindruck, ich meine das nicht wirklich als Kritik. Da zuvor niemand etwas Diesbezügliches anmerkte, kann ich natürlich auch daneben liegen. Nichts für ungut also, in Ordnung? (Von den Regeln der Kommasetzung her muss das Komma bei "... und Trost, ohne Schall" bleiben, da ein Zusatz bzw. Nachtrag ein Komma erfordert. Das hat aber mit der Zäsur an sich nur indirekt zu tun, da hat ginTon recht!) Zum Inhalt: Zitat:
Der "anklagende" Blick des LD trifft das LI tiefer, als er/sie wahrhaben möchte. Also wird versucht, dem auszuweichen, aber es gelingt nicht. Das "schlechte Gewissen" (sich-schuldig-fühlen?) sorgt dafür. Zitat:
Auch nach längerer Zeit scheint sich das LI noch immer "schuldig" zu fühlen. Das asoziiere ich mit einem "Unrecht" - böswilliges Verlassen? Irgendwie kann ich nicht umhin, das dem LI irgendwie zu "gönnen" ... Zitat:
Der "schweigende Vorwurf", ich frage mich, ob das tatsächlich so ist, oder das LI sich so schuldig fühlt, dass es so "wirkt". Macht er/sie sich vielleicht die "Vorwürfe" eher selbst? Gerät das LI deshalb so aus dem Gleichgewicht, dass es sich haltlos, ziellos und verloren vorkommt? Mir scheint es eher so zu sein. Ein emotional sehr eindringlich wirkendes Gedicht, wobei ich allerdings gestehen muss, dass ich das LI nicht sonderlich "bemitleide" ... (LI und Verfasser sind nicht identisch, das hast du Ida bereits geschrieben, daher kann ich das ja unbesorgt zugeben!) Sehr gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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01.08.2011, 00:09 | #6 |
Galapapa
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Hallo ginTon,
danke für Deinen Kommentar und Dein Lob! Was den Amphybrachis als Versfuß angeht, so sagst Du ja selbst, dass dieser eher wellenförmig wirkt. Ich meine, dass gerade ein solcher schwunghafter Dreivierteltakt auch etwas traurig Wiegendes bis hin zu anklagend haben kann. Das ist wohl der Grund, warum das hier auch passte. Übrigens war dies nicht eine Überlegung bei der Planung des Textes. Ich gehe in der Regel so vor, dass ich nach einer "Stoffsammlung", die schon isolierte, einzelne Verse enthalten kann, irgendwie einen Anfang mache und dann meist den gesamten Text nach diesem Anfangsvers ausrichte. Das Komma in S1/V2 würde ich nicht weglassen wollen, da dies die Aussage ihrer Eindeutigkeit berauben würde. Ich gebe allerdings zu, dass es aus dem Zusammenhang ohnehin klar ist, dass es sich um einen Schrei, und nicht um Trost ohne Hoffnung handelt. Mit herzlichen Grüßen an Dich! Galapapa Hallo Stimme, auch Dir herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und das Lob! Wie ich bei der Antwort an ginTon schon erwähnt habe, finde ich, dass der Dreivierteltakt ohne Weiteres auch einen traurigen bis hin zu anklagenden Klang erzeugen und so eine Eindringlichkeit ausdrücken kann, wie Du es ja auch bezeichnet hast. Wie bereits erwähnt, war dies nicht bewusst erzeugt worden und ist deshalb für mich sehr interessant. Ich glaube, man könnte damit einem Text sogar so etwas, wie einen gewissen Hospitalismus verleihen. Lieder hast Du die Inversion nicht näher beschrieben, ich denke aber es handelt sich dabei um S2/V4. Jedenfalls habe ich dort weniger eine Inversion, als vielmehr einen Zeichenfehler gefunden: Hinter "höhlen" gehört ein Komma. Gemeint war von mir "höhlen" als eigenständiges Verb, was allerdings etwas ungewöhnlich ist, da man das Wort eher mit dem Zusatz "aus-" verwendet. In einem lyrischen Text, meine ich, kann man das Verb schon mal so einsetzen. Wenn ich also das Komma, das ich vergessen habe, einfüge, dann denke ich ist das akzeptabel. So, wie Du im inhaltlichen Sinne an dem Ausdruck Trümmer im Plural geknabbert hast, habe ich es zuvor an der selben Stelle aber im technischen Sinn getan. Ich habe im Duden extra noch nachgeschaut, aber einen Trümmer gibt es nicht. Allerdings könnte man die Aussage ja auch so verstehen: "...verloren...wie ziellose Trümmer" im Sinne von "jedes einzelne Stück". Anders ausgedrückt, das lyrische Ich hatte den Boden verloren, wie jedes einzelne Trümmerstück von zahllosen solcher im endlosen All. Dein Lösungsvorschlag ist sehr gut, hat aber den Nachteil, dass ich auf "ziellos" verzichten müsste (zugunsten von "zahllos"). Aber gerade dieses Adjektiv ist mir an der Stelle wichtig. Deshalb lass ich es jetzt mal so stehen. Worum es Dir dabei ging, habe ich sehr wohl verstanden und meine nicht, dass Du mit der Anmerkung "daneben liegst". Ich hoffe halt jetzt mal, dass Du mit meiner Erklärung leben kannst. Das Schuldgefühl des lyrischen Ich, das Du mit einem begangenen Unrecht asoziierst, sieht natürlich auf den ersten Blick nach einem solchen aus. Mit der Anklage bzw. dem "Gönnen" muss man jedoch, glaube ich, vorsichtig umgehen. Ohne Weiteres könnte hier auch eine Situation zugrunde liegen, die den Angeklagten entschuldet, ohne dass die Verlassene etwas davon ahnt. Auch sollte man sich vor der Anklage fragen, ob jemand, der eine Beziehung beendet, weil er sie nicht mehr tragen kann, sich wirklich schuldig macht; anders gefragt: Macht es Sinn, eine einseitig zerstörte Beziehung dem Anderen zuliebe weiterzuführen? Darüber nachzudenken, was hier wohl dahinter stecken könnte, das wollte ich mit dem Text auch auslösen. Bei Dir hat es ja geklappt und mit Deinen Vermutungen hast Du auch schon in genau diese Richtung gedacht. Mit herzlichen Grüßen an Dich! Galapapa |
11.08.2011, 21:28 | #7 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Lieber Galapapa,
hier habe ich alles gerne gelesen, sowohl dein eindringliches Gedicht als auch die inhaltliche Diskussion. Mir gefällt die lyrische Sprache als auch der Inhalt, der dem Leser "freies Spiel" lässt. Mit dem Verlassen und Trennen ist das so eine Sache. Ich denke niemand verlässt seinen Partner oder seine Partnerin ausschließlich deshalb, weil er ihn/sie leidend sehen möchte. (Wenn doch, dann ist wohl alles "dummtraurig" gewesen.) Man kann "arme, unschuldige, liebende Verlassene" erleben, die dem "Gegangenen" allzu bald die Pest an den Hals wünschen. Ich glaube es ist schon lange her, aber einst wurden Ehen mit einer Schuldzuweisung geschieden, was bedeutet, dass die Schuldfrage vom guten Anwalt und dem Geschick des jeweiligen Partners abhing. Eine Trennung kann viele Gründe haben und die wenigsten können von Dritten verstanden oder gar beurteilt werden. Nicht selten leidet derjenige, der die Entscheidung zu gehen aus eben tausend Gründen getroffen hat, ebenso oder gar mehr. Er wünscht der/dem Verlassenen alles Glück dieser Welt und trägt, solang dies nicht geschieht, ein Schuldgefühl in sich. Ob das "gut" oder "schlecht" sei, wäre schon ein weiteres Thema. Das alles beinhaltet dein Gedicht und greift sicher nicht zufällig ins All hinein. Schon eine Diskussion darüber kann ins Unendliche schweifen und trifft immer noch nicht den Kern. Wir können leicht und schnell urteilen, wir können tief und hilfreich mitfühlen - wirklich verstehen können wir nicht. Für jede Partnerschaft, für jede Liebe gelten ureigene "Gesetze". Gern "agbedriftet", wohlwissend, dass diese Trennungen immer für sich stehen bleiben und sogar von den Zweien unterschiedlich gefühlt und wiedergegeben werden. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
15.08.2011, 10:41 | #8 |
Galapapa
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Liebe Dana,
danke für Deine Worte zu meinem Text und Dein Lob! Ich stimme Dir ohne Einschränkung zu in Deiner Ansicht, dass eine Trennung ungeheuer schwer zu beurteilen ist. Als außenstehender Beobachter kennt man in keinem Fall alle Fakten und kann die Motive und Antriebe der Betroffenen nie ganz richtig einordnen; das können nur die beiden selber. Mit dem veränderten Scheidungsrecht hast Du etwas angesprochen, das diese Problematik sehr gut wiederspiegelt. Ich bin der Meinung, dass weder die frühere Rechtsprechung nach der Schuldfrage, noch die heutige, die diese ganz außer Acht lässt, den Gegebenheiten gerecht wird. Gleichwohl war es ein Schritt in die richtige Richtung, die Versorgung der Kinder in den Vordergrund zu rücken. Die neuen Regeln ermöglichen den Frauen heute, im Vorfeld einer Trennung die Möglichkeiten zu nutzen, auch aus egoistischen Gründen eine Scheidung zu betreiben, um einen neuen Weg einzuschlagen und sich aus der Verantwortung zu stehlen bzw. diese dem Partner allein aufzubürden. Dies ist sicher auch nicht der ganz richtige Weg. Nur wenn beide Partner den Mut aufbringen, gemeinsam die Entscheidung zum Wohle der Kinder zu treffen, weil diese unter den gegebenen Umständen mehr leiden, als unter einer Scheidung und dann aber auch gemeinsam nach ihren Möglichkeiten Sorge tragen, dass die Kinder so gut wie möglich versorgt sind, werden sie ihrer bider Verantwortung gerecht. Wie Du selbst angedeutet hast gibt es also in diesem Gedicht eine Vielzahl von Denkanstößen, die in jeder individuellen Situation unterschiedlich sind. Je tiefer eine Beziehung war, ja mehr man sich selbst eingebracht hat, umso länger braucht es, die Trennung zu verarbeiten. Die "große Liebe" wird einen ein Leben lang nicht loslassen. Ich danke Dir für Deine Gedanken und grüße Dich ganz herzlich! Galapapa |
09.09.2011, 14:06 | #9 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Charly!
Wunderschön in aller Dunkelheit des Alls... Hoffentlich nicht selbst erlebt, zumindest nicht mehr als einmal... Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
18.09.2011, 23:13 | #10 |
Galapapa
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Hallo Erich,
bitte entschuldige, dass die Antwort so spät kommt. Ich bin die letzten Tage unheimlich eingespannt und finde kaum noch Zeit fürs Forum; tut mir leid! Danke für Dein schönes Lob! Man muss zwar lyrisches Ich und Autor des Textes getrennt sehen, aber ich gebe zu, dass ich so eine Situation erlebt habe. Es gab allerdings für meine Handlung keine Alternative, die ich hätte mit meinem Gewissen hätte vereinbaren können. Es tat auf beiden Seiten gleich weh. Manchmal schreibt das Leben solch grauenhafte Drehbücher und leider sind wir dabei nur Marionetten... Mit herzlichen Grüßen! Galapapa |
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