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Alt 12.03.2013, 16:52   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Zeit aus Stein (Lied)

Steh mir selber nur im Wege,
seh kein klares Ziel.
Jede Rechnung, die ich lege,
kostet mich zuviel.
Wachse nie zu großen Taten,
mach mich selber klein,
bin zur wunden Uhr geraten
meiner Zeit aus Stein.

Bin gefangen in mir selber,
Futter für den Schmerz.
Jeder Tag ein eitergelber
Ausfluss um mein Herz.
Konnte nie ein Teil des Ganzen,
nie ein Ganzes sein.
Wusste nie mit ihr zu tanzen,
meiner Zeit aus Stein.

Und vielleicht nur, eines Tages,
geh ich durch die Tür,
jemand liebend, und ich wag es,
gut zu sein dafür.
Gut zu sein dafür...

Mancher findet sich im Leben,
mancher bringt sich ein.
Alles Nehmen, alles Geben,
ließ nur mich allein.
In den Räumen, die mir blieben
muss ich sterblich sein,
lerne dort, sie fast zu lieben,
meine Zeit aus Stein.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (13.03.2013 um 00:23 Uhr)
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Alt 12.03.2013, 19:12   #2
Thomas
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Hallo Erich,

das würde ich gerne mal vertont hören!

Statt "kein Ganzes selber sein." schlag ich vor "selbst kein Ganzes sein." weil das "kein" vor "Ganzes" keinen Ton tragen kann, aber wegen des durchgängigen Trochäus dort einer hin müsste.

Zeile 3 und 4 sind nicht optimal, insbesondere wegen der Inversion "ist bezahlt zuviel", aber eine Verbesserung fällt mir nicht ein.

Eine gute Idee ist die Verkürzung der vorletzten Strophe.

Trotz der kleinen Meckerei gefällt es mir sehr gut.

Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 13.03.2013, 00:29   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Thomas!

vielen Dank für deine Hinweise! Mit diesen beiden Stellen war ich selbst nicht glücklich, aber nach ein wenig Überlegen hoffe ich in beiden Fällen eine Lösung gefunden zu haben, die uns beiden auch zusagt.

Gesungen wird der Text zur Melodie von "Elixier" von Heinz Rudolf Kunze (CD "Protest"). Eine Zeile dieses unglaublich schönen Liedes hat mich auch zu dieser Version inspiriert.
Auf YouTube findet sich leider nur eine - einigermaßen leidlich - gesungene Coverversion eines Users, die mit dem Original allerdings bedauerlicherweise keinesfalls mithalten kann!

http://www.youtube.com/watch?v=ov1FLWTT3Bk

Wie gesagt, recht mäßig, aber es reicht, um die Melodie mitzubekommen.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (13.03.2013 um 18:25 Uhr)
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Alt 13.03.2013, 09:55   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Erich,

ich finde es jetzt auch gut so. Die Melodie habe ich mir (tatsächlich nicht besonders ansprechend gecovert) angehört, sie ist (wie ich finde) schlicht und mit ihrem ruhigen Metrum passend zur "Zeit aus Stein".

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 15.03.2013, 10:40   #5
Cebrail
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Hallo Erich,
endlich passiert hier in dieser Rubrik auch mal was,
danke dafür.
Ich bin selbst ein großer Fan von den Worten des singenden
Lehrers und dass du deine Inspiration aus diesem wundervollen
Lied hast freut mich.
Mit Elixier im Hinterkopf hat man eine schöne Vorgabe, ich denke
der Text würde auch mit einer eigenen Melodie durchaus bestehen.
Ich habs nun auch ein paar mal vor mich hingesummt und muss
leider sagen, dass ich auf „eitergelber Ausfluss“ überhaupt nicht
klar komme, vielleicht bin ich in meiner Vorstellungskraft wieder
mal zu bildlich, aber ich finde die Stelle ekelig und im Rahmen der
sonst so schön gewählten Worte, lehnt es sich zu sehr hinaus und mir wird
bei dem Gedanken an „eitergelben Ausfluss“ einfach schlecht.

Ich verstehe ja, was du umschreibst bzw. sagen willst, aber …. nee,
da kann man doch sicher was finden das, wie soll ichs sagen ….
netter ist?

Wenn man sich an die Vorlage hält, dann wird das gelbe ja auch noch richtig lang gezogen (was von der Konsistenz her ja passt ;-) ) und Ausfluss bekommt noch mal ne extra Betonung.

Mag ja sein dass ich zu pingelig bin, aber Erich ich bitte dich, denk noch mal drüber nach.
Ansonsten finde ich dein Lied überaus gelungen und es hat mich dazu gebracht den Herrn Kunze nochmal auszugraben.
Nen lieben Gruß
C.
__________________
© auf alle meine Texte

„Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“
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Alt 15.03.2013, 11:21   #6
Erich Kykal
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Hallo, Cebrail!

Rein technisch weiß ich natürlich, was du meinst - es ist kein schönes, kein lyrisches Bild.
Allerdings ist das, was es beschreibt, nun mal auch alles andere als schön.
Ich hatte nach einem möglichst deutlichen Ausdruck der anklingenden Gefühlslage gesucht.

Gemeint sind damit Selbstmitleid, Neid, Scham, Selbstekel, Hass,... - die ganze Gefühlspalette, die jene begleitet, die zu kurz gekommen zu sein glauben, selbstverschuldet oder nicht.
Dafür finde ich die Phrase gelungen: Ein eitergelber Ausfluss, der das eigene Herz zu ersticken droht - eklig, kalt und gefährlich!

Ich sinne bei Gelegenheit noch mal drüber nach, tendiere allerdings dazu, nichts zu ändern - diese Stelle SOLL drastisch deutlich sein. Und gerade in dieser weichen, harmonischen Melodie, in diesem scheinbaren Widerspruch, knallt das Kopfkino erst so richtig rein!
Klar - Geschmackssache. Hätte ich dies bei einem anderen als Kommentator gelesen, gut möglich, dass ich genauso reagiert hätte wie du, eher fokussiert auf den lyrischen Duktus. Da ich allerdings die Quelle dieses Bildes, das eigene Innenleben, leider nur zu genau kenne, darf ich behaupten: Es ist bei weitem nicht so heftig, wie es sein müsste, um authentisch zu sein!

LG, eKy
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Alt 29.03.2013, 19:50   #7
Dana
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Lieber eKy,
fast ist mir, als würde ich verstehen. Nicht direkt den Autor, nicht den Protagonisten - aber die jeweils eigene Zeit aus Stein.

Nicht selten landet man liebend, will gut sein und hofft auf eine offene Tür.
Aus Verzweiflung, um zu leben (was denn sonst), nimmt man die Zeit aus Stein verzweifelt liebend an, trotz geschlossener Tür - um zu leben.
Nicht jede Zeit ist zum Tanzen angedacht - aber jede zum Sein im Ganzen - und die meisten wollen.

Mir hat dein unvertontes Lied sehr gefallen.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 29.03.2013, 21:20   #8
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Oh - vertont ist es ja, bloß mit anderem Text!

Der entsprechende Link findet sich in meiner ersten Antwort hier weiter oben:

Ein Song von Heinz Rudolf Kunze (meines Erachtens der lyrischste und sprachbegabteste deutsche Liederschreiber).

Auf diese Melodie (hier leider sehr bescheiden gecovert) schrieb ich meine Textvariante.

LG, eKy
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Alt 19.05.2014, 14:51   #9
Narvik
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Hallo Erich,

ein schönes Lied hast du da geschrieben.
Ist es richtig, wenn ich "die Zeit aus Stein" so interpretiere, dass es die festgelegte Lebenszeit ist, in der sich nichts verändert?
Es ist ja oft so, dass man sich und seinen Zielen selbst im Weg steht und es nie richtig versteht, über sich selbst hinauszuwachsen.
Das ist das innere Gefängnis, dem man nie zu entfliehen vermag.
Da bleibt keine Möglichkeit mehr, sich mit dem Ganzen auseinanderzusetzen, weil man eben nur noch mit sich selbst beschäftigt ist. Wer aus diesem Teufelskreis nicht herauskommt, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden.
Gut gelungen, einzig der "eitergelbe Ausfluss" wirkt ein wenig abstoßend.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
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Alt 19.05.2014, 19:06   #10
Erich Kykal
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HI, Narvik!

Die "Zeit aus Stein" sind die Phasen emotionaler Versteinerung in Isolation und Einsamkeit, die solche, die - wenn möglich - innige Beziehungen pflegen, umso grausamer ihre innere Leere empfinden lassen. Du hast es also ganz gut getroffen.
Ich persönlich stoße mich nicht weiter an Eiter - meine Jahre als Einsatzfahrer und Sanitätshelfer beim Roten Kreuz, erst als Zivi, dann als Freiwilliger, haben mich diesbezüglich abgehärtet. Wer mit abgetrennten Gliedmaßen und Sterbenden zu tun hatte, mit blutsprudelnden Wunden und vollgesch+++enen Seniorenwindeln, dem macht so ein bißchen Eiter nix mehr aus...

LG, eKy
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