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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 11.07.2009, 10:50   #11
Medusa
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Hallo Riffraff,

ich freue mich immer sehr über Deine Kommentare!
Schau mal, ich habe mir die Mühe gemacht, ein paar Wiederholungen zu markieren: bei "night" stimmts schon mal nicht, bei "day" auch nicht und so gehts weiter!

Mir gefällt sehr, dass sich die Verse reimen. Das zeigt, dass eine Sestine ausbaufähig ist. So gefällt sie mir auch, da spielt die Länge keine Rolle mehr.

Du hast ein wunderbares Beispiel ausgewählt, ich danke Dir herzlich dafür! Hier wirkt auch das Thema keineswegs breit gequetscht, sie ist einfach nur schön!

A. Swinburne

I saw my soul at rest upon a day
As a bird sleeping in the nest of night,
Among soft leaves that give the starlight way
To touch its` wings but not its` eyes with light;
So that I knew as one in visions may,
And knew not as men waking, of delight.

This was the measure of my souls delight;
It had no power of joy to fly by day,
Nor part of the large lordship of the light;
But in a secret moon-beholden way
Had all its will and dreams of pleasant night
And all the love and live that sleepers may.

But such life`s triumph as men waking may
It might not have to feed ist faint delight
Between the stars by night and sun by day
Shut up with green leaves and a little light;
Because its way was as a lost star`s way,
A world`s not wholly known of day or night

All loves and dreams and sounds and gleams of night
Made it all music that such minstrels may,
And all they had they gave it of delight;
But in the full face of the fire of day
What place shall be for any starry light
What part of heaven in all the wide sun`s way?

Yet the soul woke not, sleeping by the way
Watched as a nursling of the large-eyed night,
And sought no strength nor knowledge of the day,
nor closer touch conclusive of delight
nor mightier joy nor truer than dreamers may,
nor more of song than they, nor more of light.

For who sleeps once and sees the secret light
whereby sleep shows the soul a fairer way
between the rise and rest of day and night,
shall care no more to fare as all men may;
But be his place of pain or of delight
there shall he dwell, beholding night as day

Song have thy day and take thy fill of light
before the night be fallen across thy way;
sing while he may, man hath no long delight.


Ich schicke Dir viele liebe Wochenendgrüße,
Medusa.

Geändert von Medusa (11.07.2009 um 10:52 Uhr)
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Alt 11.07.2009, 11:26   #12
RiffRaff
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Hallo medusa,

interessant, einen Großen "ertappt" zu sehen, wie er die Form zugunsten des Inhalts geopfert hat. Ich nehme an du meinst mit den Wiederholungen, dass Swinburne die nicht entsprechend dem vorgegebenen Schlüssel verwendet hat?

Hier ist noch eine - übersetzte - von Elizabeth Bishop. Die hat auch eine sehr imponierende Villanelle geschrieben "The Art of Losing". Weiß nicht ob du die kennst, falls nein, solltest du sie mal googeln. ICh wette die gefällt dir.

Septemberregen fällt aufs Haus.
Im Zwielicht sitzt die alte Oma
dort in der Küche mit dem Kind
neben dem kleinen Wunderherd,
liest Witze aus dem Almanach
lacht, spricht, und überspielt die Tränen.

Sie denkt dass ihre Sonnwendtränen,
dem Regen gleich, der`s Dach drischt und das Haus
verzeichnet war`n im Almanach,
doch dass man das nur weiß als Oma.
Der Eisenkessel singt dort auf dem Herd.
Sie schneidet Brot auf, sagt zum Kind

dass Teezeit sei, jedoch das Kind
sieht nur des Kessels kleine harte Tränen
wie irre tanzen auf dem heißen Herd,
so wie der Regen auf dem Haus.
Beim Säubern hängt die alte Oma
am Faden auf den schlauen Almanach.

Dort flappt er vogelgleich, der Almanach
halb aufgeschlagen über`m Kind
flappt über der alten Oma
und ihrer Tasse voll bräunlicher Tränen.
Sie fröstelt, sagt, ihr fühle sich das Haus
so kalt an, legt mehr Holz noch nach im Herd.

„So musst` es kommen“ sagt der Wunderherd,
„ich weiß das, was ich weiß“ der Almanach.
Mit Kreiden malt das Kind ein starres Haus,
davor –gewunden- einen Weg. Es malt das Kind
ins Haus den Mann mit Knöpfen wie aus Tränen,
und präsentiert das Bild voll Stolz der Oma.

Doch insgeheim als noch die Oma
zugange ist mit jenem Herd
fallen die kleinen Monde wie Tränen
herab aus den Seiten des Almanachs
und in das Blumenbeet. Das hat das Kind
ganz achtsam angelegt vorm Haus.

„Jetzt Tränen pflanzen“ sagt der Almanach,
die Oma singt eins für den Herd,
das Kind malt noch ein undeutbares Haus.
 
Alt 11.07.2009, 12:40   #13
Medusa
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Hallo Riffraff,

ja, genau so meine ich es ! Streng genommen stimmt Mr. Swinburnes Sestine nicht (für unsere Sprache!) mit den gestrengen Regeln überein. Vielleicht hat er sogar die schwierigere Variante gewählt? Das übersehe ich aber nicht, ich habe einfach zu wenig Ahnung, aber sie gefällt mir, sehr sogar!

Die Sestine von Elisabeth Bishop gefällt mir nicht; ich kann nicht erklären, warum. Vielleicht fehlt mir die Phantasie, mich darauf einzulassen? Für mich sind zu viele Bilder drin, die ich nicht verstehe.

Aber ich habe mir die Villanelle durchgelesen - sie ist wunderbar! Da stimmt alles: Inhalt, Klang, Wiederholungen, Reime ..... Danke, dass Du mir den Tipp gegeben hast, ich kannte diese Dichterin nicht.

Es bereitet mir viel Freude, mich mit Dir auszutauschen!
Viele liebe Grüße,
Medusa.

Geändert von Medusa (11.07.2009 um 12:42 Uhr)
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Alt 11.07.2009, 13:17   #14
a.c.larin
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Hallo Riffraff,

Ich glaube auch, dass bei Elizabeth Bishops Sestine die Sache mit dem fünfhebigen Jambus nicht stimmt - da holpert es doch , allein bei der Zeilenlänge!

In meinem Verslehre -Büchlein steht auch, dass Sestinen im Englischen und Französischen eher verbreitet sind, das Reimen und das Einhalten des Metrums sind dort weniger schwierig.
(Charles Swinburne und Ezra Pound werden dort als Beispiele genannt)

Eigentlich stammt die Sestine von dem provenzalischen Troubadour Arnaut Daniel (Ende 12.-Anfag 13 Jh.), ist also ein sehr alte Form, kein Wunder ,
dass wir "Heutigen" uns dran die Zähne ausbeißen...

Die ( angeblich) schwierigere Form hat foglendes Schema:
1.Str. 1 2 3 4 5 6
2.Str: 6 1 5 2 3 4
3.Str: 4 6 1 2 5 3
4.Str: 3 4 5 6 1 2
5.Str: 2 3 4 1 6 5
6.Str: 5 2 3 6 4 1

Terzine: 1 5 3

Liebe Grüße
Larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline  
Alt 11.07.2009, 14:00   #15
Medusa
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Liebe Larin,

kopiere doch bitte Deine schöne Blumenwiesen-Sestine hier herein, ja? Sie passt so gut! Außerdem sind wir die einzigen Inseldichterinnen, die sich da heran gewagt haben!

Wenn Du nicht weißt, wie es mit dem Kopieren geht, dann kann ich das mit Deiner Erlaubnis auch machen .

Erwartungsvolle Grüße,
Medusa.
Medusa ist offline  
Alt 11.07.2009, 14:11   #16
RiffRaff
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Hallo Medusa,

ich schätze mal, dass das mit dem Jambus Absicht war, dass sies gekonnt hätte, wenn sies gewollt hätte, daran hab ich keinen Zweifel.

Hier ist noch ein schönes STück: Kipling:

Speakin' in general, I 'ave tried 'em all,
The 'appy roads that take you o'er the world.
Speakin' in general, I 'ave found them good
For such as cannot use one bed too long,
But must get 'ence, the same as I 'ave done,
An' go observin' matters till they die.

What do it matter where or 'ow we die,
So long as we've our 'ealth to watch it all --
The different ways that different things are done,
An' men an' women lovin' in this world --
Takin' our chances as they come along,
An' when they ain't, pretendin' they are good?

In cash or credit -- no, it aren't no good;
You 'ave to 'ave the 'abit or you'd die,
Unless you lived your life but one day long,
Nor didn't prophesy nor fret at all,
But drew your tucker some'ow from the world,
An' never bothered what you might ha' done.

But, Gawd, what things are they I 'aven't done?
I've turned my 'and to most, an' turned it good,
In various situations round the world --
For 'im that doth not work must surely die;
But that's no reason man should labour all
'Is life on one same shift; life's none so long.

Therefore, from job to job I've moved along.
Pay couldn't 'old me when my time was done,
For something in my 'ead upset me all,
Till I 'ad dropped whatever 'twas for good,
An', out at sea, be'eld the dock-lights die,
An' met my mate -- the wind that tramps the world!

It's like a book, I think, this bloomin' world,
Which you can read and care for just so long,
But presently you feel that you will die
Unless you get the page you're readin' done,
An' turn another -- likely not so good;
But what you're after is to turn 'em all.

Gawd bless this world! Whatever she 'ath done --
Excep' when awful long -- I've found it good.
So write, before I die, "'E liked it all!"
 
Alt 11.07.2009, 14:19   #17
RiffRaff
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Da war es wieder, dieses leise Ahnen
von etwas altvertrautem, aber flüchtig
ein Tropfen Schatten fiel auf Nervenbahnen
bedrohlich kratzend, seltsam eifersüchtig
als wollte mich ein Etwas drängend mahnen
da hinter dir liegt was, das ist nicht richtig.

Beim Lesen eingeschlafen gestern, richtig
so wars, ein Buch mit Sagen uns`rer Ahnen
von Heimdalls Horn von Ragnarök, ein Mahnen
dass alles endlich ist, unendlich flüchtig,
das Schicksal unaufhaltsam, eifersüchtig
sich eig`ne Wege durch die Welt wird bahnen.

Die Tram verschluckt mich, fährt in gleichen Bahnen
wie immer pünktlich taktend, richtig, richtig
die Türen atmen fauchend, eifersüchtig,
sekundengeil, ob sie Verspätung ahnen?
Die Frau von neulich, unser Blick kreuzt flüchtig
dann blecht`s vom Band “Ihr nächster Halt“, Ermahnen….

Die Treppen klacken laut, die Uhren mahnen
mich zu beeilen, durch die Menge bahnen,
der Anschluss ist knapp kalkuliert und flüchtig
schießt`s durch den Kopf, ist, was ich tue, richtig?
Geschafft, der Zug fährt an, als würd`er ahnen
dass ich gezweifelt habe, er kreischt eifersüchtig.

Gerammelt voll, ich schaue eifersüchtig
auf jeden vollen Platz, Plaketten mahnen
„Missbrauch ist strafbar“; wieder dieses Ahnen
im Nacken..... als sich Kontrolleure bahnen
den Weg durch volle Gänge, „Danke, richtig“
die Karte lochen, Nicken kurz und flüchtig.

Da vorn ist Raucher, lockend, blau und flüchtig
zieht`s her zu mir, ich sauge eifersüchtig
an diesem Hauch, ich rauch` zwar nicht mehr, richtig
weil Arzt und Bronchien mich ständig mahnen
doch spüre ich wie sich die Hände bahnen
den Weg zu etwas, was sie tastend ahnen.

Ganz flüchtig höre ich das leise Mahnen
hell, eifersüchtig dringt das Licht in Bahnen
durch falsche Schatten, Richtig? Falsch? Ein Ahnen……
 
Alt 11.07.2009, 14:45   #18
Medusa
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Lieber Riffraff,

das sag ich doch immer: Nur wer die Grundlagen beherrscht, kann sich Freiheiten erlauben! Und dies gilt nicht allein für den Jambus!

Bei der Sestine von Elisabeth Bishop ist es auch nicht die Technik, die mir nicht behagt, ich bin sicher, sie hat sie beherrscht; es ist der Inhalt, dem ich nicht folgen kann.

Kiplings Sestine musste ich mehrmals lesen, bevor ich die vielen Auslassungen gedanklich schließen konnte . Ich sehe schon, ich müsste noch lange üben, um solche Geschlossenheit im Text hinzukriegen!

Und die zweite Sestine? Wer hat sie geschrieben? Ich bin begeistert! Auch hier wieder schöne Reime, die das Durchhalten bei der Länge viel kurzweiliger gestalten, obwohl sie laut Lehrbuch nicht zur Sestine gehören. Der Inhalt gefällt mir sehr gut. Er wirkt überhaupt nicht breit getreten oder in die Länge gezogen sondern kommt absolut leichtfüßig daher.

Für alle Sestinen gilt: Sie richten sich nicht eindeutig nach den gestrengen Vorgaben; das ist gut so und lockert auf sehr angenehme Weise auf.

Herzliche Dank,
Medusa.

(Hast Du die zweite Sestine geschrieben )

Geändert von Medusa (11.07.2009 um 14:47 Uhr)
Medusa ist offline  
Alt 11.07.2009, 16:28   #19
a.c.larin
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ja medusa,
du könntest meine sestine gern hier reinstellen....
grüße
larin
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a.c.larin ist offline  
Alt 11.07.2009, 17:33   #20
Medusa
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Das Lied der Blumen (Sestine)
von a.c. larin


Ich liebe euch, ihr zarten, süßen Blumen,
wie ihr die Welt verschönt mit bunten Farben!
Und eure Düfte füllen Wald und Wiesen,
verschenken immer wieder neue Träume.
Wo längst kein Hoffnungsschimmer wirkt im Herzen,
seid ihr die Boten himmelsnaher Freude!

Es bliebe jedem Menschen diese Freude,
zu spürn: Natur erweckt Gefühl wie Blumen,
dass ihm Gedanken sprießen, froh an Farben,
die seine Seele weit und frei, gleich Wiesen
sich öffnen lassen. Keine Schattenträume
verstörn den Geist! Vergangnes ruht im Herzen.

So hört ein Mensch die Botschaft gern, von Herzen!
Ist Gott die Quelle dieser klaren Freude?
Es dienen Ihm in Demut all die Blumen
und künden seinen Lobpreis durch die Farben,
als flögen Engel zärtlich über Wiesen
und ihre Flügel säten Blütenträume....

Ich wandre, stille lauschend, durch die Träume
und ihrer Fülle Klang, er geht zu Herzen:
Verliere nie den Sinn für diese Freude,
die dir gewährt ist durch das Lied der Blumen.
So nährt der Himmel mit der Kraft der Farben.
Erhalte, Mensch, die wunderbaren Wiesen!

Wie duften zart und lieblich alle Wiesen!
Es ist, als wär ich Erbe meiner Träume.
Oh Welt, wie dank ich dir aus ganzem Herzen
für diesen Sommertag voll Lebensfreude!
Ich liebe euch, ihr sanften, stillen Blumen,
wie ihr die Seele wiegt in euren Farben!

Das Lied der Blumen ist das Lied der Farben:
Da geht ein Raunen durch die Sommerwiesen,
es flüstert wie Verführung Liebesträume -
und zärtlich neigen zu sich manche Herzen.
Das Lied der Herzen ist das Lied der Freude.
Sieh an! Es naht der Liebste sich mit Blumen!

Das Lied der Farben ist das Lied der Blumen -
Das Lied der Freude ist das Lied der Herzen -
So streuen Engel über Wiesen Träume....

Geändert von Medusa (11.07.2009 um 17:35 Uhr)
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