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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 24.03.2012, 11:46   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Ort: Österreich
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Standard Hybris

Wo sind sie nur, die köstlichen Gedichte,
die Tränen mir ins Tägliche gebracht?
Ein Unverstand macht heutzutag zunichte,
was vordem noch so selig mich gemacht.

Ein Schwallen toter Zeilen in den Foren
lässt alle süße Wertigkeit erstarren -
so musenlos erscheinen manche Toren
und glauben Dichter sich dabei, die Narren!

Du sagst, ich müsste ja partout nicht lesen,
was an Gewölle jenen sich entringt,
die ihren Teil von Welt nur schlecht verdauen?

Wär Blindheit doch von je so leicht gewesen!
Wem sie, wie mir, zuzeiten nicht gelingt,
der muss die Eitelkeit der Menschen schauen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (10.08.2018 um 11:49 Uhr)
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Alt 24.03.2012, 16:20   #2
Timo
nach vorn sehen und nicht
 
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Hallo Erich,
die Menschen sind nun mal eitel, daran ist nichts zu ändern. Manches wird geschrieben, was einen vergraulen kann. Doch, man kann sich bessern, deshalb bin ich z.Bsp. auch hier. Von dir kann ich stets lernen und will stets lernen.
Herzlichst Timo
__________________
Nach vorn sehen und nicht zurück!
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Alt 24.03.2012, 18:28   #3
Erich Kykal
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Hi, Timo!

Dies entstand heute ad hoc hier im Forum (musste verschoben werden, weil hinterher der Inhalt nicht mehr zum Unterforum passte, da ich nie weiß, wo ein Gedicht mich hinführt...).
Ich überlegte lang, ob ich es wieder löschen sollte, um ja niemanden zu verletzen, der sich vielleicht angesprochen fühlen könnte.
Andererseits gefiel mir die Diskrepanz zwischen den beschriebenen talentfreien Schreiberlingen und dem sie beklagenden Dichter, der, anderen Hybris vorwerfend, gar nicht bemerkt, dass er ihr offensichtlich selbst längst anheimgefallen ist, indem er darüber richten zu dürfen glaubt, was als Kunst gelten dürfe und was nicht, und zwar nach seinem eigenen subjektiven Geschmack.
Ich gestehe, mich diesem arroganten Schluchzer irgendwie nahe zu fühlen, aber ich will auch nicht verhehlen, dass ich mir dabei irgendwie schmierig vorkomme...

Danke für's "Von-mir-lernen-Wollen". Ich muss dich allerdings warnen: Ich halte mich nicht an irgendwelche Regeln, weil ich sie gelernt hätte - im Gegenteil, ich bin ein reiner "Nach-Gespür-Dichter". Vom "Handwerkszeug" der Poeten hab ich so gut wie keine Ahnung. Das solltest du wissen, ehe du meine Werke für's Gelbe vom Ei hältst.

LG, eKy
__________________
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (10.08.2018 um 11:50 Uhr)
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Alt 24.03.2012, 19:31   #4
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Ich gestehe, mich diesem arroganten Schluchzer irgendwie nahe zu fühlen, aber ich will auch nicht verhehlen, dass ich mir dabei irgendwie schmierig vorkomme...
Darf ich dir die "Schmiere" abwaschen? (Beim Wischen stellte ich fest, dass gar keine da gewesen ist.) Dein Anliegen kommt verständlich herüber.

Und:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Danke für's "Von-mir-lernen-Wollen". Ich muss dich allerdings warnen: Ich halte mich nicht an irgendwelche Regeln, weil ich sie gelernt hätte - im Gegenteil, ich bin ein reiner "Nach-Gespür-Dichter". Vom "Handwerkszeug" der Poeten hab ich so gut wie keine Ahnung. Das solltest du wissen, ehe du meine Werke für's Gelbe vom Ei hältst
Dich hat die Muse geküsst, du schaust "traumhaft verklärt, lyrisch und romantisch" in die Welt hinein, gibst deine Betrachtungen traumhaft lyrisch wieder und weigerst dich beständig zuzugeben, dass du der Geliebte der Lyrik bist oder die Lyrik deine Geliebte sei.

Ihr seid schon ein schönes Paar, dass ich hier nicht missen möchte.

Ja, ich mag sogar deine dir eigene "Schroffheit". Diese Eitelkeit steht dir einfach zu, wenn wir alle zugeben, dass wir von einer gewissen Eitelkeit getragen werden.
Vielleicht muss man sich nur davon trennen, die Eitelkeit ausschließlich negativ zu sehen.

Gern gelesen, für gut befunden und gern besenft.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 25.03.2012, 09:34   #5
Galapapa
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Hallo Erich,
Dein Sonett hat mich nachdenklich gemacht und das verstärkt, was mich zur Zeit gewaltig beutelt: Ich stelle meine eigenen Texte in Frage.
Dabei geht es mir nicht darum, was Kunst ist und was nicht; das muss doch jeder für sich selbst entscheiden. Ob Musik, Malerei oder Literatur, für mich ist das Kunst, was mich positiv beeindruckt, berührt und begeistert. Dabei stören mich andere Dinge, die mir nicht gefallen aber vielleicht sogar als "wahre Kunst" mit hohen Beträgen gehandelt werden, keneswegs. Auch wertet dies nicht mein eigenes Kustverständnis ab.
Deshalb ist mir der moderne Umgang mit dem Begriff Kunst zu elitär und zu diktatorisch.
Wenn mir Deine Gedichte vor allem ob ihrer oft wundervoll poetischen und gewaltigen Sprache gefallen, dann interessiert es mich nicht, ob dies nun von bestimmten Leuten als Kunst bezeichnet wird oder nicht.
Ähnlich ist es mit den von Dir angesprochenen Regeln: Die Wissenschaft der Lyrik untersucht, ordnet, beschreibt und erklärt, z.B. warum ein Text als schön empfunden wird, abr es kann doch nicht ihre Aufgabe sein, aus gefundenen Formen Regeln dafür abzuleiten, wie ein Text auszusehen hat.
Leute, die Texte produzieren, die mir nicht gefallen, würde ich schon deshalb nicht herabwürdigen, weil ich selber einmal mit Gedichten angefangen habe, die ich heute am liebsten verbrennen möchte.
Um mit als minderwertig Empfundenem umzugehen bedarf es meiner Meinung nicht der Blindheit, sondern des nötigen Gleichmutes, denn diese Blindheit, von der Dein Gedicht spricht, würde Scheuklappen gleichkommen und einer derartigen Isolation würde ich mich nicht aussetzen wollen. Gerade deshalb stelle ich meine eigenen Texte immer wieder und sicher nicht zu Unrecht selbst in Frage.
Herzliche Grüße an Dich!
Galapapa
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Alt 25.03.2012, 09:53   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Danke für dein Verständnis!

Ja, die Lyrik ist meine Geliebte. Deshalb ärgert es mich immer wieder, wenn andere Liebhaber mit so wenig Einfühlungsvermögen mit ihr kuscheln oder sie gar derb vergewaltigen!
Nicht dass ich eifersüchtig wäre, es tut nur weh, wenn ich sehe, was sog. "moderne Dichter" aus dem gemacht haben, was ich für lyrisch halte! Das ist wie bei klassischer Musik und der sog. "modernen Klassik", die sich anhört wie eine beliebige Orchesterprobe, wo ernsthafte Musiker mit jehrelanger Ausbildung wie umgedrehte Käfer auf dem Boden strampeln, an jeder Extremität eine Schelle oder eine Rassel, und jeder sich eher wie bei Freejazz benimmt. Schaut man aber in die Notenblätter, stellt man fest: Das ist alles genau so komponiert! Dieser Komponist MEINT DAS ERNST!!!
Ich respektiere, bewundere ja sogar Leute, die sich keinem Marktdiktat unterwerfen und ihre "Kunst" genau so ausüben, wie sie GLAUBEN, dass sie so - und nur so - sein sollte. Aber muss so ein Schwachsinn, der mit dem, was ich unter Musik verstehe, so überhaupt nichts mehr zu tun hat, tatsächlich auch noch staatlich subventioniert werden??!!
Ich denke da an Musiker wie jenen, der eine Symphonie komponiert hat, deren Aufführung 39 Jahre dauern würde!!! 4 Tage für einen einzigen Ton! Also, anders gesagt: Reine Hirnwichserei! Und es gibt tatsächlich Leute, die sich so ein "Konstrukt" auch noch anhören und brav applaudieren, damit sie sich kultiviert und vergeistigt fühlen dürfen! Ich sage nur: HURZ!!!!
Mit der Lyrik ergeht es mir ebenso. Nichts gegen die Dichter, die dazu stehen (weil sie es nicht anders können oder wollen, sei dahingestellt), aber dass deren Ergüsse noch unter Lyrik fallen, erscheint mir allzu tolerant. Da sollte ein eigener Terminus her: Experimentalliteratur oder so...
Und natürlich sind dann noch jene, die einfach nur schlecht dichten. Sie können es nicht besser. Wie es ihnen beibringen? Ich gestehe, ich schweige lieber, weil ich niemanden persönlich verletzen will - nur ab und zu quillt all der Frust auf und ich versteige mich dazu, meine wahre Meinung kundzutun.
Natürlich kann mir dann jeder vorwerfen, ich urteilte subjektiv und nach eigenem Geschmack. Wer sei ich, dass ich bewerten dürfe, was noch Lyrik sei und was nicht? Und ich müsste ihnen Recht geben!
Andererseits quält mich all der -aus meiner Sicht - Müll, mit dem die Foren zugetextet werden, und es ärgert mich, wie jeder Kommentator sich verdreht und windet, um noch irgendwas Nettes dazu sagen zu können, um den hoffnungsvollen Probanden nur ja nicht zu kränken und zu demotivieren. Nun, mir geht es ähnlich, wir sind schließlich soziale Wesen. Ich sag dann meist lieber gar nichts dazu. Ist das falsch?
Ich weiß nicht. Man sollte die Foren trennen nach solchen für klassische Lyrik und solchen für moderne, und man sollte dort trennen nach Anfängern und Fortgeschrittenen.
Jeder Anfänger kann sich jederzeit für die "Oberliga" bewerben, und per Abstimmung der "Oberliga" über sein Bewerbungsgedicht in einem eigenen Unterforum wird entschieden, ob der Bewerber reif genug ist für diese Spielwiese. Machte man es so, es ersparte uns viel Ärger und Enttäuschung!
Dann würde es auch insgesamt viel weniger Foren geben, weil viele Streitfaktoren wegfielen! Aber wer hört schon auf mich...seufz!

LG, eKy


Hi, Charly!

Da gab es wohl eine Überschneidung!
Narürlich hinterfragt jeder Lyriker seine Werke, das steht auch nicht zur Debatte. Es geht darum, dass ich vieles von dem, was ich hier oder anderswo lese, nicht als Lyrik betrachten KANN! Ich empfinde es nun mal nicht als "schön" oder sprachlich relevant. Es ist optisch strukturierte Prosa, weiter nichts, und nicht einmal sonderlich gehoben oder melodisch. Mit dem gleichen Recht allerdings verwerfen diese Poeten meine Lyrik als altmodisch, überkommen, pathetisch, verstaubt und an den Bedürfnissen der wahren Weltprobleme vorbeigedichtet.
Und was ist mit jenen, die seit Jahren hier lesen, und die eigene Lyrik aber nie verbessern konnten? Sie pflegen immer noch dieselben Rechtschreibfehler, dieselben Phrasen, dieselbe flache oder derbe Ausdrucksweise, die sie hatten, als sie hier ankamen. WAS hinterfragen jene wohl??!
Ich kann und will all diesen "Exemplaren" natürlich nicht die Tür weisen, durch die zu gehen sie sich sehr wahrscheinlich ohnehin weigerten. Wie gesagt: Kein Einzelner sollte bestimmen dürfen, WAS Kunst ist und sein darf. Dennoch muss ich mich den Ergüssen dieser Leute hier tagtäglich aussetzen, ob ich will oder nicht. Deshalb träume ich eben von "getrennten Schlafzimmern".

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (07.03.2014 um 17:59 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.03.2012, 10:17   #7
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asphaltwaldwesen
 
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ich bin mir sicher, lieber erich,

deine doppelt enthaltene hybris im gedicht finden bestimmte schreiber als leser nicht einmal im text. wie auch? wenn man sich damit selbst in diese gruppe einreihen müsste, ist es doch angenehmer sie nur bei der gegenseite sehen zu wollen. ist weniger "schmierig" und man kann sich weiterhin herrlich makellos vorkommen.

mich hat dein "geständnis" grade deshalb besonders berührt und für dich eingenommen - obwohl ich da so einiges in deinem gedicht natürlich aus meiner ganz persönlichen warte nicht so toll finde von der aussage her. aber so ein wenig hybris, behaupte ich mal, braucht man als jemand, der seine werke veröffentlicht. egal, wo. und die hat daher auch jeder und sie gehört dazu. es kommt eher drauf an, wie man mit ihr umgeht.

wenn ich persönlich etwas so gar nicht ausstehen kann, dann sind es jene schreiberlinge, die auf die anderen mit einer selbstverständlichkeit herabsehen und sich zugleich hinter credos verstecken wie z.bsp. "ich weiß, ich bin noch weit entfernt von perfekt, doch ich arbeite nun schon seit jahren daran, da hinzukommen und stelle meine bescheidenen versuche dennoch ins forum" (die bescheidenen versuche sind natürlich immer höchst komplizierte formen, die ein sehr komplexes metrum beinhalten - und sie sind so gut wie immer nahezu fehlerfrei von solchen usern umgesetzt - und ich behaupte, die wissen das auch). zwei kommentarklicks weiter schreibt ein solcher user dann eine vernichtende und herablassende rezension zu einem text, den er schlicht und einfach nicht verstehen und wahrnehmen wollte. weil er all die kritierien, deretwegen er sich selbst so plagt und bemüht, nicht beinhaltet oder einfach ignoriert. manchmal hab ich den eindruck, solche leute empfinden andersartige lyrik als eine verhöhnung ihrer eigenen wertmaßstäbe und als eine bedrohung all dessen, woran sie sich anscheinend verzweifelt klammern (anstatt überzeugt zu sein von dem, was sie können). (ich meine damit niemanden hier!!!! aber es gibt diese sorte user - und erstaunlicherweise kommen sie damit ziemlich weit und hoch in einer forenhierarchie. trotz oder grade wegen ihrer arroganz und ignoranz)
Zitat:
Zitat von Galapapa Beitrag anzeigen
... was mich zur Zeit gewaltig beutelt: Ich stelle meine eigenen Texte in Frage.
...

Deshalb ist mir der moderne Umgang mit dem Begriff Kunst zu elitär und zu diktatorisch.
...

diese Blindheit, von der Dein Gedicht spricht, würde Scheuklappen gleichkommen...
dass ein überall beobachtbarer "erfolg" solcher schreiber auch mal dazu führt, die eigene schreiberei in frage zu stellen, halte ich für sehr verständlich und normal. allerdings ist das eine "gute sorte" von infrage-stellen, sag ich mal. die anderen nämlich stellen sich anscheinend immer in frage - sonst müssten sie nicht mit so viel mühe und anstrengung und kampfeswillen jeden cm ihres geheiligten landes zu wahren versuchen. wer also fühlt sich da seiner sache wohl unsicherer?

das elitäre übrigens findet von allen seiten her statt. die, die auf die alten werte pochen, betreiben nichts anderes als die, die der moderne versuchen, ihren stellenwert zu begründen. wer - wie ich - kunstgeschichte studiert hat, weiß, dass aus genau diesem bestreben überhaupt erst die kunst sich weiterentwickelt. das sich-abheben vom bereits dagewesenen ist es, das kunst erst in ihrem wesen begründet. das wird leider oft gleichgesetzt mit beliebigem (!) vernachlässigen jeglichen handwerkszeuges. passiert so allerdings eben nur jenen, die wirklich keine ahnung haben. und ebenso passiert es den kritikern, die alles, was nur irgendwie nach sowas aussieht, dass sie etwas verteufeln, das eigentlich ein sehr fundiertes konzept im hintergrund hat. das oft sogar die alten traditionen hochhält, indem sie mit ihnen bewusst bricht. aber auch das erkennt man nur, wenn man einigermaßen ahnung im sinne von überblick hat. wer hat das schon in foren im internet? ich behaupte mal, es sind die wenigsten.

und dann gibt es da in der grauzone die, die talent haben. noch vor der beherrschung korrekter rechtschreibung oder vor dem wissen über metrik und deren wirkung oder anderes handwerkliches. sie haben eine gabe, botschaften mit tiefe in die welt zu schreiben. in ihrer eigenen sprache - als zeugnis ihrer weltwahrnehmung. was ihnen fehlt, ist im technischen bereich zu suchen.
dann gibt es die, die talent haben, aber nicht den mut, ohne krücken (=grammatik, metrik der festen formen o.ä.) zu gehen. denen fehlt dann das gespür, was ihre botschaften eigentlich ausmachen sollte, um unverwechselbar zu werden.

und irgendwie gibt es zwischen diesen beiden sorten unzählige mischformen. die alle geistern in foren herum. dazwischen vielleicht auch eine handvoll, die einfach nur spaß haben will und der es nicht um ausdruck innerer bewegtheiten geht. die halte ich aber wirklich für ausnahmen - sprich: an einer hand abzuzählen. dennoch wird ein großteil von schreibern genau so behandelt und wahrgenommen - als wären die bloß schreibend aktiv, um auf alles zu sch...., um die lyrik zu verhöhnen.

ich frag mich da: warum sollte das jemand wollen? und wenn ja - warum dann sich selbst zur zielscheibe von kritik machen? sozusagen als persiflage des dichters auftreten - ohne sich darin als absicht zu erkennen zu geben?

ich behaupte: alle wollen wirklich aus ehrlichen motiven heraus schreiben und meinen es ernst (egal, wie oberflächlich naiv sie an die sache herangehen) . der welt etwas von sich zeigen - und gesehen werden. verdienen dann nicht auch alle erstmal, das man ihnen aufgrund dieses motivs hinter ihrem handeln, mit respekt entgegentritt? anstatt sie - aufgrund der eigenen hybris - als gefährdung oder verunreinigung wahrzunehmen und kleinmachen zu wollen?

die blindheit, die scheuklappen - wovor sollen die tatsächlich schützen? davor, mal aus dem eigenen terrain heraus und auf noch unbekanntes (und unsicheres) gelände zu geraten? eins, wo eben nichts messbar ist, sondern man sich auf anderes stützen muss als konkrete maße?

die "köstlichen gedichte" - der hybris-erfüllte wird sie nie finden. er jagt einem ziel nach, das unerreichbar ist - und das soll es auch bleiben. sonst müsste er nämlich auch eingestehen, dass er selbst dort niemals ankommen wird, würde er seinen maßstäben entsprechen wollen. narzissmus ist eine ganz erstaunliche sache - sie verhindert vor allem ein vorankommen. denn wo sollte man denn hinwollen, weiß man unbewusst doch genau, dass man dort nie ankommen wird, wo man sich gerne sähe? also verharrt man. bleibt lieber blind - und unglücklich und (auch mit sich) unzufrieden und in der vermeintlichen und unangetasteten gewissheit, dass man irgendwann doch mal perfekt sein wird, großartig und bewundernswert. mit lauter unentdeckten, köstlichen gedichten rundherum. sie sehen bloß anders aus als man sie sehen möchte.

ihm fehlt der gleichmut, den galapapa erwähnte. und der entsteht nun mal aus dem mut heraus. dem mut, dass man selbst nichts zu fürchten hat, nur, weil andere etwas ganz anders handhaben als man selbst. und ja - die haben in gewisser weise mehr mut - vielleicht werden sie ja auch so bekämpft, weil man sie unbewusst beneidet? was müssen die für einen mut haben, um solche ("unfertigen", "unausgereiften") texte der welt zu zeigen!!! auch ich frage mich viel zu all den beobachtungen, die ich in den letzten jahren in lyrikforen gemacht habe. und u.a. frage ich mich dann auch manchmal, wenn mir der gleich(e)mut abhanden kommt, ob ich es nicht einfach bleiben lassen sollte. wohlwissend, dass das dumm ist.


du siehst - dein gedicht (und galapapas kluge antwort-fragen) haben mich sehr angesprochen. sorry für die länge des kommentars.

liebe grüße


fee


PS: weil grade erst gelesen (gleichzeitig gepostet): HURZE gibt es auf allen niveaustufen, erich. da darf man seinem bauchgefühl dann auch durchaus trauen. auf jeden fall mehr als einer mehr oder weniger breiten masse, die einfach nur über etwas jubeln möchte, das kein schwein versteht (außer ihnen). elite eben. so läuft der kunstmarkt eben auch. sich darüber aufzuregen allerdings bringt nichts außer noch mehr bestreben, elitär zu sein bzw. zu bleiben. möglichst unverstanden bzw. von einer handvoll erlesener. ist taktisch ja nix neues. gleich auf gleichem gebiet zu sein wie viele, ist öde und man fällt nun mal nicht auf. ich finde gedichte, bei denen man den autor nicht erkennt, genauso falsch motiviert wie die, die hurze schreiben, weil sie nicht verstanden haben, dass auch kryptisches noch verständlich und vor allem sinnvoll sein muss. dummheit aber - wie schon gesagt - gibt es auf jeder niveaustufe. in jedem lebensbereich. da find ich persönlich die gebildeten dummen noch bedrohlicher als die naiv-dummen mit guten absichten aber wenig wirkungsbereich.
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (25.03.2012 um 10:46 Uhr)
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Alt 25.03.2012, 10:34   #8
Erich Kykal
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Hi, fee!

Schön gesagt und diplomatisch verpackt!
Jeder hat wohl irgendeine Art von "rotem Tuch". Bei mir ist es die sog. "Moderne Lyrik", das will ich gar nicht verhehlen. Da fällt es mir mitunter schwer, auch nur annähernd objektiv zu bleiben, da diese Werke meist so auf mich wirken, als hätte sich der Schreiber gar keine Mühe geben WOLLEN! Wohlgemerkt: wirken!

Da scheiden sich eben grundsätzlich die Geister. Du selbst schreibst ja auf beiden "Seiten". Ich achte das, aber nur Gereimtes von dir kann mir eben wirklich gefallen. Stell dir vor, sogar ich habe mich (kurz) vor 30 Jahren darin versucht, modern zu dichten, weil ich damals als Teenie nicht selbstbewusst genug war und unbedingt dazugehören und gefallen wollte. Bald aber stellte ich fest - trotz lobender Bewertungen meiner Mitmenschen - dass dies das Meine nicht ist und niemals sein würde.

Wie gesagt (oberer Kommi), ich propagiere getrennte Foren für Reimer und Antireimer - da gäb's bedeutend weniger Ärger! Gegen deine "arroganten Fortgeschrittenen" würde das allerdings nicht helfen!

LG, eKy
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Alt 25.03.2012, 20:01   #9
a.c.larin
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hallo erich,

ich frage mich immer, warum es mitunter so schwerfällt, den anderen menschen nicht ganz einfach anders sein zu lassen.....

sollte es da etwa noch um was ganz anderes gehen als bloß um gedichte?
was verleitet uns menschen bloß dazu, andere uns gleich machen zu wollen?

und: warum darf sich jemand nicht halten, wofür er sich halten will?
also, wenn z.b. jemand meint, er wäre eine lila kuh - warum nicht?
ich muss es ihm ja nicht glauben.

was anderes ist es, wenn er kompetenzen vortäuscht, deren nichterbringung anderen menschen schadet. also etwa, wenn jemand behauptet arzt zu sein, aber von heilkunde nicht versteht.

an einem schlechten gedicht ist aber nachweislich noch nie jemand gestorben.
schlechte musik hat ( soferne sie nicht zu laut war ) auch keine nachhaltigen gehörschäden verursacht.


ich denke, der markt regelt hier, im sinne von angebot und nachfrage, ganz von alleine, was geht und was nicht.
gedichte sind aber eben nur ein winziges segment im derzeitigen literaturbetieb. ich könnte mir also vorstellen, dass es da vielleicht um die paar "guten" plätze geht, die es geben könnte.
na ja - und wer den ehrgeiz verfolgt, bedeutend zu werden, der ärgert sich halt über ein paar unbedarftere "rivalen"...

in dem sinne:habt lieber spaß an der sache!
in hundert jahren wissen wirs ja , wer von uns "ein wahrere dichter" war!

lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 25.03.2012, 20:22   #10
Erich Kykal
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Hi, Larin!

Jene, deren Wirken mir nicht gefällt, möchte ich mitnichten mir "gleich machen". Meinetwegen sollen sie ihr Zeux schreiben, wenn es ihnen etwas bedeutet, aber doch bitte möglichst nicht dort, wo ich ständig drüberstolpern muss und wo es meine eigenen Themen sogar mitunter behindert.
Also nochmal: Foren, getrennt nach Reimern und Nichtreimern, wären das Optimale! Hier könnten dieselben Unterforen stehen, farbig unterteilt in Blau und Grün. Je nachdem, welche Farbe man anklickt, kommt man in den Reimebereich oder in den von Verse libre. So. Und schon verdrängt nichts in wenigen Momenten nachgerade beliebig Dahingetextetes meine schönen wertigen Reimkonstrukte von der Startseite - ein ständiges Ärgernis für den, der sich wirklich Mühe gibt! (Ich kann natürlich nicht sagen, ob sich die Autoren solcher "moderner" Texte nicht auch - auf ihre Art - bemühen, aber ehrlich gesagt: Meist machen die Ergebnisse auf mich nicht den Eindruck, dass dem so wäre...)

Aber wie gesagt - müßig, drüber zu reden. Es wird niemand meinem Vorschlag folgen, da die meisten kein Problem damit haben, sich mit "moderner" Lyrik auseinanderzusetzen. Da wird ab und an selbst eindeutiges Trollgewäsch noch angeHURZt! Dass ich das meiste moderne Zeux als unerträglich, billig dahingeschrieben und für die Lyrik eher entwertend empfinde, ist wohl MEIN ganz spezifisches Problem...

LG, eKy
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