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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 11.07.2019, 16:05   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Was vom Leben übrig bleibt

Woraus wir uns verschenken und behalten,
erschafft uns neu aus jeden Tages Hut,
und mancher reift darin zu stiller Glut,
und birgt sie sanft in seiner Züge Falten.

Ein ewiges Erhitzen und Erkalten,
daran sich unser Leben müdeschleift,
bis der verebbende Verstand begreift:
Vergessen ist zuletzt sein treues Walten.

Der Ruhm ist kurz, gemessen an Äonen,
und keine Seele bleibt in der Geschichte,
die man in Ewigkeiten sich erzählt.

Der gute Ruf, den wir bedächtig schonen,
ist nur Dressur der angepassten Wichte,
von denen keiner eine Seite wählt.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (18.12.2019 um 18:08 Uhr)
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Alt 13.07.2019, 14:23   #2
Weiße Wölfin
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Guten Tag Erich,

Deine Werke sind so schön,
dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen kann mit Kommentieren.

Neun Wochen Urlaub zu haben (las ich richtig ?? ) ist ja ein unglaubliches Geschenk ! Ich hatte mal einige Jahre sechs Wochen im Sommer und das war wundervoll. Warum habt Ihr denn in Österreich neun Wochen?

Nun zu Deinem Werk:

Wie schön Du das ausdrückst :
Wir verschenken uns.
Ja, jeder Kontakt ist eigentlich ein Sich-Hergeben, etwas von sich preisgeben , und wenn es nur die Zeit ist. Wenn dann noch Hingabe, Freude, womöglich Liebe dabei ist...
Und ja, wir können uns auch behalten und sollten dies auch immer wieder tun

Auch die Erfahrungen, die eineR macht mit dem o.g. baut jedeR anders in sein "Grundgerüst" an Psyche und Physis ein ...wächst daran anders ... schrumpft womöglich auch....

Dies "die Erfahrungen sanft in den Falten bergen" ist wunderschön formuliert. Wobei manche Falten ....so sanft nicht sind ...die sind durchaus schärfer oder eckiger. Aber auch dieser Faltenbesitzer hat es mit Sanftheit geborgen. Ein sehr liebevoller Gedanke von Dir.

Ja, auch dies ist wahr ...ständig Erhitzen wir und Erkalten ...mal ist der Sympathikus am Agieren, dann wieder der Parasympathikus.

Dieses sind meine favorisierten Gedanken -- Deine zwei Dreizeiler zum Abschluß sind für mich eine Art Resümee.

Sehr gerne gelesen und durchempfunden.

lG Weiße Wölfin
__________________
Das Leben ist gut und licht.
Das Leben hat goldene Gassen.
Fester wollen wirs fassen.
Wir fürchten das Leben nicht.

R.M. Rilke


Du kannst nicht in die Vergangenheit gehen und neu beginnen.
Aber Du kannst jetzt anfangen, ein neues Ende zu schaffen


"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten" Hilde Domin

Geändert von Weiße Wölfin (13.07.2019 um 20:05 Uhr)
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Alt 13.07.2019, 15:22   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi WW!

Erst mal vielen Dank für das vollmundige Kompliment zu meinem Schaffen, darin ich meine poetischen Intentionen bestätigt sehe!

In Österreich sind die Sommerferien neun Wochen lang, dafür gibt es keine Herbstferien, und Weihnachts- und Osterferien sind kürzer als in Deutschland.
Letztendlich haben wir insgesamt aber nicht mehr an Ferien.
Es gab vor einigen Jahren die Diskussion, ob man sich dem deutschen System angleichen sollte, aber die Österreicher wollten die langen Ferien behalten. Ich als Lehrer freue mich darob!

Zum Inhalt:

Vielleicht mache ich mir als Kinderloser mehr Gedanken über das, was von mir bleiben wird, als manch andere, wer weiß. Ich sehe gern meine Bücher, meine Werke als meine Kinder und stelle mir vor, wie sie irgendwann vielleicht, lange nach meinem Ableben, "neu entdeckt" werden und endlich viele Leser gewinnen, eine breite Öffentlichkeit erobern.

Eitle Träume von der eigenen Bedeutung - letztlich bleibt nichts von uns übrig, egal, ob man seine Gene weitergibt oder nicht. Selbst so geschichtsträchtige Individuen wie Einstein, Hitler oder Napoleon gerinnen nach Jahrhunderten zu bloßen Klischeevorstellungen, reduziert auf ein paar Jahreszahlen oder Zitate.
Bei vielen wird man, ist genug Zeit verstrichen, nicht mal mehr wissen, ob sie tatsächlich existiert haben, wie zB König Arthur, Robin Hood, William Shakespeare oder Marco Polo!

Die Erinnerung der Menschen spielt seltsame Streiche, und unsere heutigen Möglichkeiten der Speicherung von Informationen sind leicht verrottbar, komplex und anfällig (niemand schreibt noch auf Tontafeln oder graviert in Stein) - nach einem möglichen Kataklysmus wird kaum etwas davon übrig bleiben, das späteren Generationen, so es sie gibt, unsere Zeit beschreibt.

Und genetische Unsterblichkeit ist eine Illusion: Nach ein paar Jahrtausenden spätestens hat sich dein Beitrag dazu mit höchster Wahrscheinlichkeit gänzlich herausgemittelt! Abgesehen davon haben deine Gene nichts mit deiner aktuellen Persönlichkeit zu tun, all deinem Wissen, deiner Erfahrung - sie sind nur die Hälfte eines Grundrisses für ein mögliches neues Geistesgebäude: ein gezeugtes Leben. Wieviele Väter waren wohl zutiefst enttäuscht von dem, was ihre Lenden hervorbrachten? Nein, das ist bestenfalls eine Lotterie.

Was also bleibt übrig? Nur das, was du bist, was es dir bedeutet und was du selbst damit beginnst.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (18.12.2019 um 18:12 Uhr)
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Alt 14.07.2019, 15:04   #4
Weiße Wölfin
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Hallo Erich ,

ah okay - jetzt ist das mit der Menge an Urlaub klar. Danke. Da würde ich mich auch sehr drüber freuen. Als ich noch - im "Schulzuarbeitungsbereich" tätig war, brauchte ich die damaligen sechs Wochen allerdings auch wirklich sehr dringend.

Ich weiß nicht, ob sich kinderlose Menschen mehr Gedanken über ihr "geistiges" Erbe machen, als andere. Ich habe einen Sohn zwar - jedoch ist mir diese Tatsache kein Trost, wenn ich an mein "Verschwinden" von diesem Planeten hier denke. Was mir Trost ist, sind die vielen kleinen "Samen", die ich - und dies mit zunehmenden Alter stetig bewusster - in meinem beruflichen Leben säe. Ich arbeite auch mit Kindern und diesen auf ihrem Weg ein Stück "Menschlichkeit" "Wärme" oder "Freude an der Kreativität" mitzugeben, das freut mich und trägt auch ein Stück weit.

Dass Deine Bücher Deine Kinder sind, verstehe ich. Und auch, dass Du an der Idee Freude findest, dass sie vllt. in späteren Jahren mal stärker gewürdigt werden. Wer weiß ?

Ja, es sind eitle Träume - so oder so. Ich schrieb mal ein Gedicht über den Verbleib meiner Knochen nach meinem Tode ... . Ich meine ein recht unsentimentales und lässiges Verhältnis zu meinem Tod zu haben. Aber meine Knochen auf einem christlichen Friedhof im Planquadrat Xtz 472 zu wissen, das löste - zumindest damals - Grausen bei mir aus.
Und das Gedicht beschäftigte sich dann mit der Eitelkeit, die spätestens dann zu Grabe fahren sollte . Ich habs verschlampt und kann es nicht vorzeigen - es ist eines derer, die ich mehr mag.

Jooo- wir schreiben nicht mehr auf Stein oder Tontafeln. Vllt. sollte man_frau eines der eigenen Werke in Stein meisseln ?? Jeden Tag einen halben Buchstaben... damit die Nachbewohner dieses Planeten Zeugnis von uns haben . Denn so eine Steinplatte ist doch weniger verlierbar als eine Simkarte o.ä. .

Was bedeutet eigentlich das Wort "vollmundig" im Sinne Deines Lobes ? Ich kenne es nur im Rahmen vom Lob des Weines. Und jetzt grade beim Nachgoogeln fand ich u.a. so unschöne Synonyme wie "großmäulig" dafür. ....

lG Weiße Wölfin
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Geändert von Weiße Wölfin (14.07.2019 um 15:20 Uhr)
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Alt 14.07.2019, 18:57   #5
Erich Kykal
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Hi WW!

"Vollmundig" meine ich nicht negativ, im Gegenteil:

Ein vollmundiger Wein gilt als rundestes Geschmackserlebnis, ein Wein, der seine Diesbezüglichkeiten optimal ausschöpft.
Und so wie "vollmundig" ein Kompliment für guten Wein ist, soll es auch ein Kompliment für wohlschmeckendes Lob sein!

Eine andere Deutung wäre eine wörtlich genommene, die "aus vollem Munde" meint, also ein Kompliment am posiviten Anschlag der Skala verbaler Lobesmöglichkeiten.

Es ist eins von diesen Wortspielen von mir, die mir schon so in selbstverständlichen Gebrauch übergegangen sind, dass ich eigentlich gar nicht mehr über mögliche Falschdeutung nachdenke, wenn ich es verwende.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (18.12.2019 um 18:16 Uhr)
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Alt 16.07.2019, 09:38   #6
Weiße Wölfin
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Danke für die Erklärung, Erich.

Ich war mir ja aus dem umgebenden Kontext ziemlich sicher,
dass es eine freundliche Aussage ist.
Kenne es aber so gar nicht und deshalb fragte ich nach.

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Alt 18.12.2019, 18:16   #7
Erich Kykal
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No problem!
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