Erfahrener Eiland-Dichter
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Thalassophobia
Thalassophobia
Der Sonnenschein verbrennt mir meine Haut,
bevor der Regen fällt, um sie zu heilen.
Ich habe eine Burg aus Sand gebaut,
sie mir sinnierend angeschaut
und wollte eine Zeitlang dort verweilen,
doch wieder kam die Flut
und zwang mich, zu enteilen,
der Wellengang entzog mir meinen Mut.
Meeresgewalt
nahm mir den Halt.
Mein Bauwerk bestand nur aus Sand,
der Sand hielt den Wellen nicht stand.
Am Horizont erscheint ein kleines Schiff,
es ist zu klein, ich sehe noch nicht klar,
jetzt kommt es näher – Achtung! Dort, ein Riff!
Ich sehe, wie es sinkt. Jetzt ist es klar
und ich sehe Gestalten, die hilflos im Wasser versinken,
die verzweifelt zum Ufer hin winken, doch niemand kann helfen,
denn das Meer ist zu groß und die Wogen zu mächtig,
zu verdächtig.
Hätte ich das Schwimmen nur gelernt!
Dennoch sind diese Gestalten, dort draußen, dort hinten, mir zu weit entfernt,
selbst wenn ich könnte, ich könnte nicht helfen, was würde es helfen
wenn ich gemeinsam mit Ihnen ertrinke, auf der Hälfte der Strecke
selbst in den Tiefen des Meeres versinke?
Nichts.
Nichts kommt ins Lot.
Alle sind tot.
Mensch, du bist ein Narr!
Niemand muss ertrinken,
niemand muss versinken,
niemand Abschied winken,
nicht in meinen Weiten,
nicht zu allen Zeiten,
hör doch einmal her:
Ich bin nur das Meer!
Hör auf meine Stimme,
schwimme!
Steh nicht einfach da, steh nicht stumm und starr!
Du wirst, dort am Ufer, die Klarheit nicht finden,
wirst weder die Weisheit noch Wahrheit ergründen.
Reite auf den Wellen,
lass dich einfach tragen,
tauche an den Stellen,
die es zu dir sagen,
treibe in der Weite,
denn im Auf und Nieder
und auf jeder Seite
findest du dich wieder,
wirst du neu geboren,
in den fernen Tiefen
gehst du nicht verloren!
Wünsche, die nur schliefen,
warten auf Erweckung,
Träume, die vergingen,
warten auf Entdeckung,
Stimmen, die erklingen,
singen dir: Nur Mut,
alles, alles wird jetzt wieder gut!
Denn ich bin in dir
und du bist in mir.
Hast du die Weiten des Meeres erwählt,
lernst du: Es ist nicht der Sand, der hier zählt.
Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand
und baue mir die nächste Burg aus Sand.
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