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Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

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Alt 14.11.2016, 20:14   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Einseitiger Kunstgeschmack

Wer kennt die farbengeile Pinselschlampe,
an jede nackte Leinwand sich verhurend,
im Weiß die Loipen ihrer Lüste spurend
mit wild verkleckerter Palettenpampe?

Wer ist der Krasse, der das bunte Nasse
verschleudert, bald entrückter dabei zuckend
als Trunkne, ungeschlachte Formen spuckend
in alles, was sein wirres Toben fasse?

Bald orgiastisch sich verströmend über
das Unberührte, so als übergieße
er allen Zweifel, dass er ihn verliere -

so macht das Grelle nur die Seele trüber!
Wovon er wünschte, dass er überfließe,
erringt er nicht mit brünstigem Geschmiere!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.11.2016, 20:31   #2
Leuchtfeuerturm am Tor
Eiland-Dichter
 
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Standard Lieber eKy,

kurz: damit hätte ich nicht gerechnet!

lang:
geil.. du hattest meine Aufmerksamkeit bei "Pinselgeiler Schlampe" direkt.. und durch die Assonanzen in Vers zwei, die sich fast über den gesamten Vers erstrecken, kommt das "verhurend" so passend, die Spuren sind nunmal gelegt, der Klang bedingt das Wort und das Wort, das bedankt sich etwas unbeholfen mit Palettenpampe?

Aber es wird nur derber. Also der krasse, nasse Klang, der zuckt und spuckt. Auch wenn in Strophe eins derbere Worte wie "Schlampe" gefunden wurden, so entfaltet sich die gewalt des Gedichts eigentlich in Strophe zwei.

Die letzten beiden Strophen fangen zwar stark an, aber werden dann doch persönlicher. Hier wird in scheinbar lehrerhaften Ton einem Kollegen (?) nahgelegt "sich Mühe zu geben", da nur so Großartigkeit erreicht werden könne..

das Grelle trübt nur die Seele? Wieso? Neid? Oder Konfrontation mit Wunschfantasien (wovon er wünscht dass er überfließe) Das ist auch meine Kritik. Also die ersten zwei Strophen in allen Ehren, die letzten beiden.. nun, sie treffen nicht so direkt was gesagt werden soll. Sie sind "watered down" würde ein Amerikaner wohl sagen. Sie sind "verdichtet" würdest du - nicht ganz zu unrecht - behaupten. Nun, ein bisschen bestätigt sich das Gedicht in den ersten zwei Strophen ja selbst.. gewissenhaftigkeit ist offensichtlich auch eine Möglichkeit krassen Sound zu erzeugen!

LG Leuchtendes Feuer
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Alt 14.11.2016, 21:03   #3
Thomas
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Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

muss es nicht "übergösse" und "überflösse" lauten?

Die Sonettform verleitet dazu, in den Terzetten "vernünftig" zu werden, aber veilleicht könnte man in diesem Fall tatsächlich einfach ins Groteske steigern. Das ist es wohl, was Leuchtfeuer meint, denke ich. Wie es zu machen ist?


Liebe Grüße
Thomas
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© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
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Alt 14.11.2016, 21:22   #4
Erich Kykal
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Hi Leuchtfeuer und Thomas!

Meine Intention war, einen verknöcherten Traditionalisten sprechen zu lassen (ich höre meinen Vater reden, ein durchaus intelligenter Mensch, aber ein Teil von ihm konnte oder wollte sich nie davon verabschieden, ein strammer Nazi gewesen zu sein ...), der in moderner Kunst nur "entartetes" Geschmiere sieht.

Dementsprechend fragt er in den Quartetten, wer denn dieser Schmierulant wohl sein mag, dass er sich solcherart erdreistet, und in den Terzetten fachsimpelt er aus seiner Sicht, das so kein Bild die Seele berühren könne, und was der "Künstler" ersehne - die wahre Kunst und das sich darin Vertiefen und Berührenlassen - könne er mit diesem Gekleckse nie erreichen.

Die Parallele zu meinem eigenen lyrischen Geschmack und meiner offenen Ablehnung "moderner" Lyrik ist mir wohl bewusst, deshalb nehme ich mich damit zum Teil auch selbst ironisch auf die Schippe.

Ich hoffe, dass damit geklärt ist, worauf ich hinaus wollte.

Vielen Dank für eure Sichtweisen!

LG, eKy

PS: Leuchtfeuer, wenn du einen besseren inhaltlich passenden Reim auf "-schlampe" findest - immer her damit! Dann darfst du auch mosern!

PPS: Thomas, ich denke, beide Formen sind bei diesen Worten möglich. Mir kommt meine Schreibweise zumindest nicht falsch vor.
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Geändert von Erich Kykal (07.03.2018 um 00:00 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.11.2016, 21:25   #5
Leuchtfeuerturm am Tor
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 06.11.2016
Beiträge: 47
Standard Vielen Dank,

eKy, für diese teils bestätigenden, teils informierenden Zeilen! So, mit dieser Tiefe, gefällt mir das Gedicht noch n ganzes Stück besser! Damit sind die letzten beiden Strophen das eigentlich groteske! (wie ich ja auch empfand, aber ich trat in das Fettnäppchen dir abzusprechen, dass du das als grotesk empfinden würdest).

Klasse! Schönen Abend noch

PS:
wild streicht sie selbst noch die Paletten-lampe (ich weiß der Schlampe- Lampe Reim ist im Deutschrap mega verbaucht, aber vielleicht taugt's ja für einen Dichter? .. schneller Versuch!)

"wild streicht sie selbst die Staffelei-Lampe mit" fände ich halt endgeil, aber passt metrisch nicht
xXxXxXxXxxX

wäre halt witzig.. der metrische Bruch, weil die Lampe zu bemalen ja auch ein Bruch der Ebene ist, quasi, beim Malen.. man sprengt das Bild!

dein Dichten, dein Wort! Schade, aber gern versucht (und ja, so schlecht haben wir's mit der metrisch korrekten Pampe auch nicht )

Geändert von Leuchtfeuerturm am Tor (14.11.2016 um 21:47 Uhr)
Leuchtfeuerturm am Tor ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.11.2016, 21:32   #6
Erich Kykal
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Hi, LF!

Ich fühlte mich in keiner Weise "gefettnapft"!

Alles klar!

LG, eKy

PS: An die Lampe hatte ich schon gedacht, aber ist - wie du sagst - abgegriffen und passt inhaltlich auch nicht dazu. Macht nix - so schlecht ist es nicht mit Pampe!
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Alt 15.11.2016, 11:01   #7
juli
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Hey, eKy,

Ein Farbensonett! Du hast es bei Humor und Übermut gepostet. Gestern schon habe ich es gelesen, und ich habe mich gewundert, weil es für mich eher unter „Wut und „Was soll denn das““ fällt. Aber da spricht ein Kerl. Auch habe ich deine Erklärung:

Zitat eKy, Meine Intention war, einen verknöcherten Traditionalisten sprechen zu lassen (ich höre meinen Vater reden, ein durchaus intelligenter Mensch, aber ein Teil von ihm konnte oder wollte sich davon verabschieden, ein strammer Nazi gewesen zu sein ...), der in moderner Kunst nur "entartetes" Geschmiere sieht.

und mir wurde dein Anliegen klarer. Ich bin auch eine Frau, und dazu noch eine, die Farbenkleckse auf Bildern, wenn sie an den richtigen Stellen sind, mag. Heute lese ich das Gedicht in einer anderen Stimmungslage. Und ich muss über deine Worte und die Ideen schmunzeln.

Tolle Wortwahl!

Mal was Anderes, und du bist in der Humorabteilung

Schmunzelnde Grüße sy

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Alt 15.11.2016, 11:14   #8
Wodziwob
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Hi eKy,

wie immer und überall gibt es auch in der abstrakten Malerei solche und solche. Ob sie nun jedermanns Sache ist oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle, sie existiert und hat ein Recht darauf. Dass es zwischen einer Menge ernstzunehmender Vertreter auch einige geschäftstüchtige Selbstdarsteller gibt, die damit Schindluder treiben und die Sensationslust des Publikums befriedigen, um möglichst schnell möglichst viel Kohle zu machen damit oder sich einfach nur wichtig, ist vollkommen klar. Ich denke, die gab es in jeder Kunstrichtung. Die Zeit ist wie ein Sieb.

Wie immer wortgewandt und diesmal ordentlich wuchtig.

Liebe Grüße
Wozi
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Alt 15.11.2016, 19:32   #9
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy, Wozi!

Auch ich schätze gewisse abstrakte Künstler, zB Hundertwasser, sehr.

Was ich nicht verknusen kann, ist die sog. Konzeptkunst, wo einer zB einen ranzigen Klumpen Fett auf einen alten Stuhl klatscht und das dann als "Skulptur" hinstellt! Das ist mir einfach irgendwie zu billig!

Kunst kommt für mich immer noch von Können, aber auch der Aufwand ist für mich entscheidend für die Wertigkeit - man muss dem Werk ansehen, dass der Künstler sich nicht nur Gedanken gemacht, sondern sich auch entsprechend Mühe gegeben und Aufwand betrieben hat.
Bei Michelangelo's Pietá ist das natürlich offenkundig, aber je moderner es wird, desto weniger Mühe scheint man sich zu machen. Zuletzt sieht man nur noch "bedeutungsschwere" weiße Leinwände oder Farbschüttungen mit Tierblut (Orgien? Wuärcks!). Es gerät alles zu bloßer Hirnwixerei - und das stört mich.
Damit kann ich zwar intellektuell was anfangen - aber Kunst ist es für mich nicht mehr, eher Anregung zum Nachdenken. Aber das kann die Rätselseite in einer Zeitschrift auch.
Wenn jede beliebige Anordnung von Müll in einem Container schon Kunst sein kann und soll, dann hört es für mich auf - da sabotiert sich der Begriff nur noch selbst und führt sich ad absurdum. Philosophisch interessant, aber eben nichts Werktaugliches mehr. Schade.

Soviel zu meinem Kunstbegriff, um das mal klarzulegen. Vielleicht auch einseitig, um beim Thema zu bleiben, aber so ticke ich nun mal.
Interessantes Detail am Rande: Bei meinen Bildersonetten habe ich durchaus mehrmals versucht, auch abstrakte Werke zu bedichten - es ging nicht! Sie berührten vielleicht mein Hirn, nicht aber mein Herz, und ohne emotionale Bindung oder Auseinandersetzung kam eben keine einzige lyrische Zeile dazu zustande!

Vielen Dank für eure Gedanken!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (18.11.2016 um 16:06 Uhr)
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Alt 18.11.2016, 11:56   #10
plotzn
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Servus eKy,

wow! Eine wortgewaltige Bebilderung von "Emotion trifft Leinwand"! Hier plätschert nichts dahin, hier wird gewütet. Ist sehr lebendig und gefällt mir gut!
Eins habe ich nicht kapiert: auf was bezieht sich das "ihn" in "dass er ihn verliere"?

Was mir auch sehr gut gefällt ist die Beschreibung Deines Kunstverständnisses. Es deckt sich ziemlich mit meinem, aber ich hätte das nicht so schön beschreiben können.

Liebe Grüße, Stefan
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