07.02.2014, 11:43 | #1 |
TENEBRAE
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Erbsünde
Diesen Mann in den Rabatten,
seht ihn an - was in ihm lauert, wird von Blicken untermauert, hungernd wie von Kellerratten, während er ganz unverhohlen an sich spielt. Er lässt sich sehen von den Kindern, die da gehen, und hätt manches gern gestohlen. O du Albtraum aller Väter! Dass sich bloß die Augen weiten, wird dir keinen Trost bereiten. Der Missbrauchte wird zum Täter, muss es fühlen, muss es fassen, muss die Angst, die Nähe spüren, Schlüssel finden zu den Türen, die sich nie mehr schließen lassen. Warme Haut in leisem Zittern, wenn sich deine Sinne hastend drüber breiten, alles tastend, was die nackten Wünsche wittern! Und das Kind, das deine Triebe tragen muss ein ganzes Leben, was wird ihm Erlösung geben? Etwa deine Art von "Liebe"?
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
12.02.2014, 21:49 | #2 | |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
damit hast du eine Erbsünde, wenn es die geben sollte, erfasst , benannt und nachdenklich umgesetzt. Nein, besser: Hier geht es um eine "Erbsünde" (wie immer sich jene moralisch oder unmoralisch entwickelt hat), die zwar theoretisch und per Gesetz geregelt scheint aber in der Umsetzung einst geduldet oder verschwiegen heute für Profit betrieben wird. Zitat:
Ich könnte bei solchen Gedankengängen explodieren, an mir selbst verzweifeln. Schon deshalb, weil darin ein Abwägen enthalten ist. Die Menschheit ist sooooo weit entwickelt. Warum schafft sie es in so eindeutigen Fragen nicht, auf einen einzigen Nenner zu kommen? Ich höre auf. Dein Gedicht bewegt und fragt. Es ist in höchster Lyrik umgesetzt. Gesetze und Moralempfinden haben wenig erreicht. Möge die Lyrik Schritte setzen. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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13.02.2014, 00:28 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
Danke für deine Gedanken, nur - was ist mit den "Herren in "höherer" Postion" gemeint? Spielst du auf Edathy an? Nun, ich denke, nicht nur solche schauen sich Kinderpornos an. Hier im Gedicht geht es jedenfalls um direkten Missbrauch. Was den aktuellen Fall betrifft: Ich vermute hier eher eine Schmutzkampagne, um einen möglicherweise für jemanden unbequemen Politiker zu diskreditieren und so politisch auszuschalten. Welcher intelligente Politprofi wäre so kreuzdämlich, solche belastenden Posingfotos über seine eigene Internetidentity zu kaufen? Das wäre dermaßen dumm, dass ich nicht glauben kann, dass ein intelligenter Karrierist sich so einen Schnitzer erlauben würde! Das ist natürlich nur eine subjektive Meinung auf der Basis des derzeit zugänglichen Materials - ich kann auch irren. Zum obigen Text: Exhibitionismus ist ja nur eine (vielleicht letzte) Vorstufe zum eigentlichen Missbrauch, wie das Gedicht in seinem Verlauf ja beschreibt. Dass als Kind Missbrauchte später selber Täter werden, ist keine Seltenheit. Geprägt durch Erlebnis sozusagen auf diese Art der Triebauslebung, "erben" sie die unselige Fixierung von denen (daher der Titel), die sie ihnen in sensiblem Alter aufgezwungen haben. Das ist natürlich keine fixe Regel - es gibt genug Täter, die als Kinder nicht missbraucht wurden, und auch bei weitem nicht jeder einst Missbrauchte wird auf diese Konstellation fixiert - aber es kommt oft genug vor, um es auch mal so verarbeiten zu können. Zugrunde liegt dem Text eine Episode von vor 15 Jahren, als ich noch an einer anderen Schule tätig war - da hatten wir so einen Hinterm-Busch-Hocker vor der Schule, der sich vor den Kindern auf dem Schulweg befriedigte, einige sogar ansprach, bzw. zu anderer Gelegenheit unverfänglich Kontakt suchte. Es gelang uns zwar, ihn zu verscheuchen, aber er wird sein Unwesen sicher anderswo weiter getrieben haben. Ob der nun ein ehemaliger Missbrauchter war, weiß ich natürlich nicht, aber der Gedanke kam mir natürlich. Das Fatale an solchen Tätern ist: Ihnen fehlt oft das Unrechtsbewusstsein für ihr Handeln. Kinder tun etwas deshalb nicht nicht, weil es "Unrecht" ist, sondern weil es verboten ist und sie Angst vor möglichen Konsequenzen haben. Grundsätzlich aber sind sie neugierig. Wie Kinder sind viele dieser Täter selbst unreif und haben nie gelernt, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen oder etwaige Konsequenzen für die Beteiligten zu überdenken. sie sind naiv-egoistisch wie die Kinder, die sie begehren, und so handeln sie dann eben auch - mit entsprechenden möglichen Folgen für ihre Opfer. Diese (mögliche) Kette, diesen potentiellen Teufelskreis wollte ich im Gedicht beschreiben. Es soll keine Rechtfertigung für ihr Tun sein - jeder Erwachsene ist nun mal für sein Handeln verantwortlich, aber es ist auch nun mal so: Auch die Täter waren einst Kinder, möglicherweise selbst verletzte, und vielleicht, ja, vielleicht hilft das zu verstehen, dass auch sie (zumindest ein Teil) Menschen sind, keine Monster und Dämonen, obwohl sie für andere später durchaus dazu werden können! Das Thema ist heikel, und ein paar Strophen über einen von vielen möglichen Aspekten wird dem sicher nicht gerecht, das weiß ich schon. Es ist eben nur EIN möglicher Blickwinkel, der den Täter nicht völlig dämonisiert, sondern zeigt, dass auch er nur ein Mensch ist - was immer das heißen mag. So spricht ihn der Text zuletzt auch persönlich an als einen, dem man zutraut, über sich und sein Agieren nachzudenken und vielleicht die Größe zu finden, diesen Kreis des Widernatürlichen zu durchbrechen. Da lehne ich mich schon weit aus dem sozialen Fenster, ich weiß - vertuschte man solche Vorkommnisse früher gern oder schwieg sie einfach tot, um den Ruf der Gesellschaft "sauber" zu halten, so übertreibt man nun oft in die andere Richtung und bauscht die Fälle reißerisch auf, bis die aufgeputschte bildungsferne Meute nach Zwangskastration oder Todesstrafe schreit, was meines Erachtens den Beteiligten zumindest ebenso sehr schadet wie das Verleugnen und Wegsehen davor. Extreme sind niemals zielführend, soviel sollte uns die Welt gelehrt haben. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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