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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 20.03.2012, 17:11   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Schaumrollenspiel

Ich war mir ganz und gar entschwunden,
war seifenblasig fortgeschwebt –
hab mich gesucht, doch nicht gefunden,
als bunter Schaum dahingelebt.

Ich musste platzen, um zu spüren:
Wie bin ich hohl und ohne Kern!
Was nützten schimmernde Allüren?
Ich war mir selber doch so fern!

Was half mir all mein frohes Glänzen?
Die Sonnenglut, sie sog mich auf.
Hab ich versucht, den Sinn zu schwänzen?
Er folgte mir doch im Verlauf

der Dinge, musste mich erreichen!
Die Haut, so dünn und ohne Kraft –
ließ mich verstehen, im Verbleichen:
Mein Glaube war zu mangelhaft!

Ich hätte MICH bewahren sollen,
mit einem starken, klaren „Nein!“.
Stattdessen schwebte ich als Blase
in eine fremde Welt hinein….
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 20.03.2012, 18:02   #2
fee
asphaltwaldwesen
 
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ein gedicht, das zu recht sehr nachdenklich macht, liebe larin,


vielleicht auch immer wieder mal machen sollte.

ein schlichtes "nein" ist halt nichts, das herzeigbar ist. unbeirrbarkeit glänzt nur selten. den glauben an sich selbst zu pflegen und zu bewahren, ist eine der schwersten übungen überhaupt, finde ich.

sehr passend finde ich die strophe, in der die haut als metapher für dieses durchlässig-sein verbleicht, dünn wird und rissig. die haut ist ja auch real nicht selten spiegel der seele.

die frage ist wohl, was lyrIch tatsächlich gesucht hat. tatsächlich sich selbst? ich bin mir da nicht so sicher.


sehr gerne gelesen.


liebe grüße


deine fee
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Alt 20.03.2012, 21:38   #3
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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liebe fee,
um den glauben an sich selbst wahren zu können, muss man ihn erst mal gehabt haben!

wo das originär fehlt, müssen dann ersatzkonstruktionen her - aber die laufen gefahr, irgendwann einmal zu zerplatzen, so wie die seifenblasen.
das Lyrich wird wohl erst mal den glauben an sich selbst gesucht haben.
kein wunder, dass das schiff in die irre gefahren ist - da war kein kapitän an bord.....

als kind haben mich seifenblasen immer fasziniert und ich habe sehr oft beobachtet, wie sie sich im laufe ihres kurzen lebens verändern: zuerst milchigweiß, mit fast dicker ,"fetter" seifenhauthülle, dann zunehmend bunter und schillernder, im "gereiften alter" eher nur noch weißgelblich, zuletzt ins grauweiße verblassend, mit dunkleren "altersflecken" auf der hülle, um zuletzt - pitsch! - sich ins nichts aufzulösen!
ich konnte kaum genug kriegen von dem schauspiel!

im leben wird die "seelenhaut" auch an den stellen dünner, wo man eher einer seifenblase nachgelaufen ist.
aber das ist wohl zur zeit irgendwie "kosmisch" im gange: sämtliche seifenblasen platzen!
stunde der desillusionierung.

time to make a change!

liebe grüße, larin
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Alt 21.03.2012, 09:34   #4
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Liebe Larin!

Glaubt man den neuesten Weisheiten der Hirnforscher, dann ich unser "Ich" ohnehin nur ein von unserer Lebensform erzeugtes Konstrukt, das ihr das Überleben in sozialem Kontext und in einer feindlichen Umwelt erleichtert.

Wer ein "Ich" ist, pflegt die Selbsterhaltung wesentlich nachhaltiger als ein niedererer Organismus, und wer sich als "Ich" begreift, interagiert in sozialen Systemen geschickter, weil das "Ich" dort etwas erreichen möchte, woraus sich ergibt, dass "Ich"-Wesen mehr erreichen und sich somit als Alphatierchen öfter fortpflanzen. Letztlich setzt sich so das Wesen mit Ego gegenüber dem weniger "Selbstbewußten" durch.

Versuche haben jedenfalls ergeben, dass das Gehirn mindestens eine halbe Sekunde VOR dem bewußten Ich weiß, welche Entscheidung selbiges "gleich" treffen wird. Das gibt zu denken, oder?
Damit wird unser kostbares Ego zu einer bloßen Maske, die sich unsere Lebensform aufgesetzt hat, um mit dieser Welt intensiver zu interagieren. So gesehen laufen wir nicht irgendwelchen Illusionen nach - wir SIND eine!!!

Wir waren nie etwas anderes als Seifenblasen der Evolution!

Ach ja: Gern gelesen!
LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (23.03.2012 um 21:25 Uhr)
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Alt 23.03.2012, 16:43   #5
a.c.larin
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Hallo Erich;

Zitat:
Versuche haben jedenfalls ergeben, dass das Gehirn mindestens eine halbe Sekunde VOR dem bewußten Ich weiß, welche Entscheidung selbiges "gleich" treffen wird. Das gibt zu denken, oder?
ja ich finds auch erstaunlich, denn : wenn nicht ich es bin, der da entscheidungen trifft - wer ist es dann?
der alte mythos von gott und dem teufel erhält hier eine ganz neue, fast wissenschaftliche anbindung!

oder, andersherum und mit den worten deines lieblingsdichters rilke gefragt:

"wer lebt es denn - lebst du es, gott, das leben?"

"illusionen" könnte man uns menschen daher schon nennen, wenn man so will.
man könnte aber auch sagen : werkzeuge.
figuren im spiel anderer, uns kaum näher bekannter energien.

das gefällt dir jetzt nicht, ich weiß.
und dennoch, auch rilke sieht ein wenig davon so:

"....nur manchmal, während wir so schmerzhaft reifen,
dass wir an diesem beinah sterben, dann:
formt sich aus allem, was wir nicht begreifen
ein angesicht und sieht uns strahlend an."

und nichts fürchten wir manchmal mehr als das:
zu erkennen und erkannt zu werden.


vielen dank auch dir für deinen komm!
lg, larin
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Alt 23.03.2012, 21:35   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, larin!

Das wirst DU jetzt nicht gerne hören: Rilke war bei allem lyrischen Genie ein Kind seiner Zeit und ein Opfer seiner Erziehung.

Er sagt es ja selbst: Aus allem, was wir nicht begreifen... Also ergibt sich Religion aus Unwissenheit! DAS ist ein logischer Schluss!

Und die Entscheidung trifft auch nichts Göttliches in uns, irgend ein Brimborium, das uns leitet (grausige Vorstellung: Das Leben als Marionettentheater eines Gottes...), sondern alles, was wir jenseits der "Ichsimulation" sind: eine sich selbst erhalten wollende Lebensform, deren darüber hinausgehende spezifische Interessen das Produkt ihrer Lebensumstände und ihrer zerebralen Verknüpfungen sind. Und da sich all das jenseits des "Ich" abspielt, also für "uns" nicht erkenn- und/oder nachvollziehbar, nennen wir es eben "un- oder unterbewußt".
Wir sind wie Eisberge: Das "bewußte Ich" ist der Teil über dem Wasser, aber es ist immer ein- und derselbe Berg...

Ein schlechtes Beispiel für "Glaubensfragen"...

LG, eKy
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 07.04.2012, 18:38   #7
a.c.larin
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hi erich,
warum sollte ich nicht hören wollen, dass rilke kind seiner zeit war?

sind wir das nicht alle?
das und noch viel mehr: kind unserer eltern, kind unserer familie, kind unseres gesamten geographisch- sozialen - politisch - zeitgeschichtlichen umfeldes....

wir leben nicht im geschichtslosen raum.
und unser bewusstsein ist nur die schmale "workstation", deren funktion von all den vielen meta- programmen bedingt wird , die im hintergrund laufen.

schon mal versucht, auf ein paar eigene meta- programme draufzukommen?
unter der wasserlinie wird der "eisberg" manchmal ziemlich interessant -
du würdest staunen!

und, was noch interessant ist in dem zusammenhang:
holt man, was im schatten ist, ein wenig ans licht und verändert dann ein paar kleinigkeiten, so verändert sich damit auch das meta-programm und möglicherweise auch die weltsicht und das welt- erleben.

das ist sehr nützlich - besonders dann, wenn die eigene denk-workstation dann plötzlich viel zufriedenstellender funktioniert.

schaumrollenspiele werden dann mehr und mehr überflüssig.

liebe grüße,
larin
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