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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 21.11.2012, 11:04   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Novembergebet

Ein kalter Hauch liegt schweigend auf den Dächern
und lauert dort auf manchen offnen Knopf,
auf dünne Mäntel, jeden freien Kopf
Spazierengehender, die auf den Wegen
der weiten Parke und auf allen Stegen
in mußevollem Gang sich breiter fächern.

Und sieht er Hälse sich am Tor entkleiden,
wird er zu Wind, der seinen Eiseskuss
in jeden bloßen Nacken drücken muss!
Und alle Menschen, wo sie fröhlich plaudern,
macht er sich ducken und vor Kälte schaudern -
wie muss er ihnen ihre Wärme neiden!

Novemberhauch, du eines Winters Bote,
der wie ein Raubzeug um die Häuser schnürt
und frieren lässt, was sein Geläuf berührt,
du bist erbarmungslos in deinem Drange,
der alle Welt um sich für ewig lange
besiegeln will mit seiner kalten Pfote.

Lass ab von deinem schattenhaften Schleichen,
vergiss, was deine klirrende Natur
dir abverlangt, den alten Treueschwur,
der dich an Frost und Schnee unsäglich bindet.
Lass doch die Wärme, die dein Suchen findet,
ein einzig Mal dein starres Herz erweichen!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (22.11.2012 um 23:57 Uhr)
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Alt 22.11.2012, 20:07   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

darum, genau darum ist er so ungeliebt - er neidet uns die Wärme, der November.
Neider werden in ihrer Wut blind und wüten um so dringender.

Deine Idee, sein Herz durch ein Gebet zu erweichen (erwärmen) ist wunderbar und vielleicht die einzig wahre Möglichkeit, uns vor seinen Attacken zu schützen.

Ich schließe mich dem Gebet aus vielen Gründen inbrünstig an:

1. Weil ich den Stalker kaum noch ertrage.
2. Weil das Gebet bildlich und lyrisch einen Erfolg verspricht.
3. Weil es draußen und drinnen so wunderbar nachempfunden werden kann

und 4. Weil es ein wunderschönes Gedicht ist.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 22.11.2012, 23:59   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Ganz so ernst hab ich es hier nicht genommen mit dem Beten, wissen wir doch alle, dass er, der "kalte Hauch", sich nie wird durch derlei erweichen lassen!

Vielen Dank für Lob und Gedanken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Alt 23.11.2012, 22:06   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

wie sagt man so schön: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung.

Aber ganz ehrlich gesagt, habe ich heute auch wieder an diesem Spruch gezweifelt, als ich mich diesem kalten, klammen unerbittlichen Regen in eisigen Winden ausgesetzt fühlte.
Da bringen nicht mal zwei "Rollis" übereinander und eine dicke Mütze etwas.

Meinst du wirklich, es nützt, an die Herzeswärme des tristen Novembers zu appellieren?
Ich hab da so meine Zweifel...

Aber versuchen kann man es ja mal und wenn dies so schön lyrisch gefärbt erfolgt, will ich mich auch gerne anschließen, denn ein wenig Sonne und ein paar mehr Grade nach oben könnte ich auch vertragen, zumal hier bei uns im Norden doch manche steife Brise weht.

Dein Gedicht hat mir gut gefallen und ich habe auch nichts zu meckern gefunden.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 23.11.2012, 22:28   #5
Thomas
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Hallo Erich,

wie ich es von dir kenne, ist das wieder ein formvollendetes Gedicht, welches man allein deshalb mit großer Freude ließt. Die Idee aus der Beschreibung der ersten Hälfte herauszutreten und den Novemberwind in der zweiten Hälfte direkt anzusprechen, ihn mit einem Stoßseufzer anzubeten, ist sehr gut für die Einbildungskraft und gibt dem Gedicht Intensität.

Dass du als bekennender Atheist das mit dem Beten nicht so ernst nimmst, ist klar. Trotzdem hast du mit dem Gedicht auf profan-poetische Weise bewiesen, dass Beten etwas bewirkt, und zwar selbst dann, wenn man jeden Effekt in der objektiven Welt negiert.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 24.11.2012, 01:58   #6
Erich Kykal
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Hi, Faldi, Thomas!

Danke für die Beschäftigung mit meinen flüchtigen Zeilen!

Was ich meinte war, dass ich es mit dem Dichten selbst hier nicht so bierernst genommen hatte - in diesem Falle nämlich lag kein tief empfundenes Gefühl zugrunde, nein, ich schrieb es einfach so ohne tiefere Herzensregung vor mich hin und ließ mich von ihm hintreiben, wohin es wollte.
Ich hatte hinterher auch das Gefühl, dass man das dem Werke anmerkt - es erscheint mir, verglichen mit Naturgedichten, wo ich es "ernst" meinte, eher wie leichte Muse. Das persönliche Ansprechen, ja Anflehen eines personifizierten Novembersymptoms zeigt dies meines Erachtens deutlich - derlei ist sonst nicht meine zwar romantisierende, aber stets naturwissenschaftlich korrekte Art der Darstellung natürlicher Phänomene.

LG, eKy
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Alt 24.11.2012, 15:32   #7
Chavali
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Hallo Erich,

also ich mag den November.
Alles ist ruhig, unter einer Nebeldecke verborgen (manchmal), (noch) keine Weihnachtshektik.
Warm angezogen, lässt es sich herrlich auf Waldwegen wandeln.
Kein Laut, nur einige Krähen krächzen in der Ferne.

Zum Glück werde ich nicht von Herbstdepressionen heimgesucht, mich stört eher heißes, trockenes Wetter.

Dein Gebet mag ich trotzdem oder gerade deshalb

Sehr gern gelesen!
Lieben Gruß,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 24.11.2012, 18:23   #8
Erich Kykal
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Hi, Chavali!

Doch keine Mummelkatz hinterm Ofen...?

Schön, dass du das Thema hier auch entspannt betrachtest. ICH mag den November zwar nicht (Das letzte Laub fällt, die kahlen Äste krallen sich schwarz in bedeckte Himmel, Kälte, Nässe, Matsch und Schlamm, verrottendes Laub, tote Farben, Gerüche von feuchtem Moder und nackter Erde, der Verkehrslärm trägt weiter in der kalten Luft, klammer Nebel, kurz - alles trist und...oft genug vergeblich... auf baldige gnädig verhüllende Schneedecke hoffend), aber seine marginal existenten schönen Momente seien dir von Herzen vergönnt!

LG, eKy
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