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Alt 04.04.2018, 11:19   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Offene Visiere

Selten sind die Augenblicke,
da wir keine Masken tragen,
offen unsere Geschicke
zärtlich ineinander ragen.

Selten öffnen sich Visiere,
einen freien Blick zu wagen
aus der Rüstung, die der schiere
Eigensinn zu widersagen

lang um uns geschmiedet hatte
aus Verletzungen und Klagen,
und wie barg uns dieser glatte
Stahl so sicher, drin wir lagen!

Selten sind die Augenblicke,
da wir ehrlich sind und frei.
Wenn du einen fühlst, so schicke
ihn mir zu, wann es auch sei.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 04.04.2018, 12:12   #2
juli
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Standard

Hey eKy,

Hier erzählt das LI von der Freiheit sich Bloßzustellen und sich empfänglich machen für Verwundungen,das Visier ist runter.

Und dem In -sich -gefangen -sein. Das heißt sich Unverwundbar zu machen. Das Visier ist hoch.

Zeitlebens kämpfen wir Menschen mit dem Innersten, wieviel offenbare ich von mir und was nicht nicht. Von Kindheit auf an werden einem Fassaden anerzogen, Blendwerke, Nebelkerzen oder die feinere Form der Freundlichkeit.

Es ist schwer im Leben die eigene Haut zu wahren, denn wenn du zu viel von dir offenbarst, gibt es Menschen die in offene Wunden hineinstechen, weil sie ihre eigenen Fassaden erhalten wollen.

Es ist immer besser mit offenem Visier zu sein.

Jeder braucht im Leben Freunde, Familie, die sind dafür da, um die Ehrlickeit von einem Selbst mitzutragen. Hund Katze, Maus, Kaninchen sind da weit vorurteilsfreier. Deswegen mag ich zum Beispiel so gerne Tiere.

Die letzte S. finde ich besonders gelungen.

LG sy

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Alt 04.04.2018, 12:19   #3
Sufnus
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Sehr sehr sehr gelungene und schöne Zeilen, lieber eKy! Mag ich!

Besonders gut finde ich, die über drei Strophen durchlaufende Reimendung -agen, die dann der letzten Strophe einem "frei" das Feld überlässt... das LI macht sich wortwörtlich frei... das Visier bleibt hochgeklappt (@sy: nach meinem Verständnis mittelalterlicher Rüstungen bedeutet das hochgeklappte Visier "offen" und das runtergeklappte "zu" - eKy kann uns da sicher erhellen).

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Alt 04.04.2018, 12:33   #4
juli
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@suf


Zitat:
Zitat von Sufnus Beitrag anzeigen
das Visier bleibt hochgeklappt (@sy: nach meinem Verständnis mittelalterlicher Rüstungen bedeutet das hochgeklappte Visier "offen" und das runtergeklappte "zu" - eKy kann uns da sicher erhellen).

Ja okay, Ritter: die haben einen Helm auf und je nach dem wieviel Gefahr lauert im Kampf = offenes oder geschlossenes Visier.

Ich mag Rüstungen und das Mittelalter.

LG sy
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Alt 04.04.2018, 17:50   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Was Sufnus meint ist, dass du ja "Visier ist runter" für offen und verwundbar schreibst, bzw. "Visier ist hoch" für verschlossen.
Für einen Schild träfe dies zu, jedoch das am Helm angebrachte Visier ist offen, wenn es oben ist, bzw. geschlossen, wenn es unten ist, da es ja nach oben aufklappt.

Du hast recht mit den Freunden, aber das ist ein dehnbarer Begriff, gerade heutzutage.
Ich würde sagen, nur wenige Freundschaften gehen so tief, dass man sich gegenseitig das Innerste offenbart - meist ist es weniger. Ein (von mir erdachtes) geflügeltes Wort dazu:

Freunde sind Rittergefährten, die gelernt haben, sich an der Rüstung zu erkennen, die sie niemals ganz ablegen.


Hi Sufnus!

Vielen Dank für das positive Feedback! Meine Intention mit der reimlich abgesetzten Strophe hast du sofort erkannt. (Und außerdem gingen mir die verwendbaren Reime auf "-agen" aus ... peinlich! )


LG, eKy
__________________
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Alt 04.04.2018, 18:00   #6
Chavali
ADäquat
 
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Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Lieber Erich,

das ist ein Gedicht, das es wert ist, viele Male gelesen zu werden.
Es enthält die ganze Wahrheit über die Angst der Menschen, sich offen zu zeigen und oft genug
wird das ja auch ausgenutzt.
Da bleibt man doch lieber hinter seinem Schirm und schaut ganz genau hin, wann und wem man sich öffnet.
Und auch das kann ein Fehlschluss sein...

Besonders berührend ist für mich der letzte Abschnitt:
Zitat:
Selten sind die Augenblicke,
da wir ehrlich sind und frei.
Wenn du einen fühlst, so schicke
ihn mir zu, wann es auch sei.
Das ist ein Hilferuf des LyrI nach Nähe, wenn sie auch
nur kurz zu sein braucht.


Sehr gern gelesen!
Liebe Grüße
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 05.04.2018, 01:04   #7
Erich Kykal
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Hi Chavi!

Vielen Dank für deine Gedanken!

Wir lernen früh, Maske und Schild zu tragen, uns zu schützen vor jenen, die nicht einfühlsam mit der Welt umgehen.

Manche schützen sich so gut, dass sie selbst Jahre später gefühllos in ihrer "Rüstung" durch anderer Empfindlichkeiten trampeln, ohne es (noch) wahrzunehmen.

Erst wenn das eigene Empfindliche gefühllos wird, verlieren Maske und Panzerung ihre Bedeutung. Manche schlucken dafür Unmengen von Alkohol, andere werden einfach nur alt und entfernen sich von der Welt und dem, was darin von Bedeutung zu sein scheint.

LG, eKy
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