Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Liebesträume

Liebesträume Liebe und Romantik

 
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 08.10.2017, 19:44   #1
Felix
Gesperrt
 
Registriert seit: 20.11.2016
Ort: Hilden, NRW
Beiträge: 531
Standard Der erste Brief im Gelben Elend *)

Oh, welche Lust war es für mich, in freier Luft
zu atmen, Blumenpracht und zarten Blütenduft
in vollen Zügen zu genießen, Sonnenglut
und Windeshauch auf nackter Haut zu spüren,
in lauen Nächten voller Jugendübermut
manch leichtgeschürztes Mädchen zu verführen.

Mit Bacchus und Amor im trauten Verein,
da hab ich getrunken, geliebt und gesungen,
ich nippte so gerne den funkelnden Wein,
mehr lauter denn schön hat mein Liedchen geklungen.

Aus und vorbei, zu gewagt war der Flug,
krachend der Sturz und zerschmettert die Schwingen.
Leichtsinn beendete Lug und Betrug -
Damokles Schwerter mit blitzenden Klingen
schwebten bedrohlich und nahe der Kehle;
waidwund und wimmernd mit angstvoller Seele
litt ich allein in dem grauen Gemäuer.
Alles, was lieb mir gewesen und teuer,
Freiheit und Freude am Leben - verschwunden,
sagt mir, wer wagte mich so zu verwunden?

Vierzig Albtraumnächte sind vergangen,
graue tränenreiche Tage reihten sich
aneinander. Ich gewöhnte mühsam mich
an die endlos quälenden und langen
Stunden voller Frage-Antwort-Spiele,
konnte immer besser die Gefühle
auf ein Mittelmaß justieren,
nahm mir vor, den Rest von Stolz nicht zu verlieren.

Ein goldner Oktober bescherte mir sonnige Stunden,
ich hatt' im ummauerten Käfig vier Blätter gefunden:
Inmitten des Herbstbrauns war restliches Grün noch zu sehen,
hab Dank, weiße Birke und Dank auch dem Wind für sein Wehen!

In trüben Zeiten blühte heut ein Feiertag:
Auf meinem Tisch ein Brief der Liebsten lag.
Ach, könnt ich vergolden die zierlichen Zeilen,
ich fraß sie wie Nurmi einst Dutzende Meilen
und las sie dann nochmal und tränengeblendet
verschwamm mir der Blick -
unendliches Glück -
dann hab ich das Blättchen gewendet,
da standen die Grüße
- unsagbare süße -
der besten der Töchter, dem besten der Söhne,
drei Küsschen mit Lippenrot unter die Namen gedrückt,
ich spürte die Liebe und hörte die himmlischsten Töne
und küsste den Brief und ihr denkt nun, jetzt wird er verrückt.
Verrückt, ja, das war ich, ver-rückt in die Welt, in die Zeit
voll menschlicher Wärme und trauter wie teurer Geborgenheit.

*) "Gelbes Elend" -so wurde das Stasi- Zuchthaus in Bautzen genannt

Geändert von Felix (09.10.2017 um 16:09 Uhr)
Felix ist offline   Mit Zitat antworten
 

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Fremdes Elend Erich Kykal Finstere Nacht 17 12.03.2017 21:01
Gelbes Elend Felix Finstere Nacht 0 22.11.2016 17:49
Der erste Brief Timo Ein neuer Morgen 2 25.11.2012 17:33


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 03:56 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg