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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 27.04.2017, 20:20   #1
Chavali
ADäquat
 
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Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard Zweifel lebenslang



Sind die Fotos denn verlogen,
die im Glanze farbig sind?
Zeigen sie am Himmelsbogen
einen Engel als mein Kind?

Täuschen sie mir Frieden vor,
den es so doch niemals gab?
Trifft ein falscher Ton mein Ohr,
ist der Stein ein Felsengrab?

Wird das Laub der Weidenbäume
braun, bevor es grün erblüht?
Sagen mir all meine Träume,
dass man sich zu viel bemüht?

Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Niemand kann es mir verübeln,
diese Zweifel lebenslang...



__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*

Geändert von Chavali (28.04.2017 um 19:53 Uhr) Grund: Z 3 von S 4
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Alt 27.04.2017, 21:10   #2
Eisenvorhang
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Standard

Hallo Chavali

Sehr bewegende Zeilen, die jeder empfindsame Mensch kennen sollte.
Sehr hingebend und ehrlich geschrieben.

Als kleine Übung für mich selbst!

Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Wer will mir es denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang...

Hier stimmt die Metrik nicht so ganz.
Dein Gedicht ist im Trochäus und mit vier Hebungen geschrieben.

Wer will mir es denn verübeln,
xXxXxxXx
diese Zweifel lebenslang
XxXxXxX
"Wer" ist unbetont!
[Ich bitte um Berichtigung, falls ich falsch liege]

Lösungsvorschlag:

Keiner kann es mir verübeln,
diese Zweifel lebenslang...

Allergernst gelesen!

vlg

EV
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Alt 27.04.2017, 23:02   #3
ginTon
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von ginTon
 
Registriert seit: 14.02.2009
Ort: Mainz
Beiträge: 12.431
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Hi chavilein...

ein interessantes und gefühlvolles Gedicht, mit der passenden Tiefe
geschrieben. Dies mag zum einen am Metrum, andererseits auch am
Inhalt liegen.

in der ersten Strophe kristallisiert sich schon heraus, dass es in dem
Gedicht um Erinnerungen geht, schöne sogar, die durch das farbige
Foto bildhaft beschrieben werden,

irgendetwas verdunkelt sich jedoch und die Farbe des Gedichtes ver-
ändert sich, was die zunehmenden Zweifel unterstreicht...

gerne gelesen. liebe Grüße ginnie



PS: eine Frage noch zum Metrum, da mich dies selbst brennend interessiert.
Meines Erachtens fügen sich einsilbige Wörter ins Metrum mit ein und die er-
wähnte Zeile im Vorkommentar wäre somit eigentlich korrekt, oder sehe ich
dies falsch?
__________________
© Bilder by ginton

High Times on Wall Street, are Hard Times on Main Street! (Bruce Springsteen)

Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi)


nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)

Geändert von ginTon (27.04.2017 um 23:13 Uhr)
ginTon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.04.2017, 00:01   #4
Eisenvorhang
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Wahrlich ein interessanter Gedanke.
Wäre dem so, wäre ich enttäuscht von den metrischen Gesetzen.

Ich dachte bisher, meinem natürlichen Sprachgefühl geschuldet, dass einsilbige Wörter vokalgebunden betont[primärklang] werden.

Beispiel, zwei Hauptvokale:

"Wer will" - das "i" wird höher als das "e" gesprochen, was mit der Zunge beim Aussprechen zusammenhängt. Demnach wäre das Wort mit dem "i" eine Hebung und das Wort mit "e" eine Senkung. Sagt jedenfalls meine Logik und mein Gefühl für Sprache.

"beliebig" be[unbetont] lie[betont] big[unbetont] xXx.

Jetzt invertiere ich die Vokale
"bile(e)big" XxX

Klingt total bescheuert und nicht natürlich und würde den Sinn der Sprache an den Teufel verkaufen.
Die Zeile von Chavali im Trochäischen Maß erzwungen zu sprechen...
Ne - da stimmt was nicht. Und falls das doch richtig ist, stimmt was mit mir nicht.
Trotzdem wäre eine Aufklärung hier super.
Würde mich freuen! Hätte gerne Gewissheit.

koko, falder, fee, felix, mondmann, eky? Weiß das jemand von Euch?

vlg

ev

Geändert von Eisenvorhang (28.04.2017 um 00:14 Uhr)
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Alt 28.04.2017, 10:32   #5
Mondmann
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Str.:1, Ver.:1 Schluss mit die-sem tri-sten Grü-beln!
Str.:1, Ver.:2 Leg die Bil-der in den Schrank!
Str.:1, Ver.:3 Wer will mir es denn ver-ü-beln,
Str.:1, Ver.:4 die-se Zwei-fel le-bens-lang...

Str.:1, Ver.:1 Silben: 8 Betonung: XxXxXxXx Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:2 Silben: 7 Betonung: XxXxXxX Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:3 Silben: 8 Betonung: XxXxXxXx Versfuß: Trochäus
Str.:1, Ver.:4 Silben: 7 Betonung: XxXxXxX Versfuß: Trochäus

Reimschema(Strophe): abac

****************
Große Hilfe!
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- gedichte-lernen.de/analyse ("Lyrik ... Enter the Metrix!)
- metricalizer.de




Hallo Chavali,
ein interessanter Text, wo es um Selbsterkennung geht, die schmerzlich sein könnte. Zweifel ist wie eine nagende Ratte.

Ich fände schöner, würden hier Zeile 1 und 3 ebenfalls unbetont enden.

Täuschen sie mir Frieden vor,
Täuschen sie mir gar den Frieden
vor, den es so niemals gab.


den es so doch niemals gab?
Trifft ein falscher Ton mein Ohr,
Nur ein Ohr? Das andre schon taub? Auf Frieden müsste was mit beschieden?
ist der Stein ein Felsengrab?



LG M.

Geändert von Mondmann (28.04.2017 um 10:54 Uhr)
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Alt 28.04.2017, 11:13   #6
Eisenvorhang
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Hm, komisch.

Für mich wird der Vers nur trochäisch, wenn ich ihn erzwungen skandiert spreche. Wieso bleibe ich an dem Vers derart hängen im Rhythmus, wieso wirkt der so falsch?

Aber ein Programm muss es ja wissen, auf welchen nebulösen Regeln es auch basieren möge. Weswegen ich der "metrix" auch nicht vertrauen werde.
Ich benutze gern meinen eigenen Verstand, weil ich es verstehen will.

Trotzdem Danke MM

vlg
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Alt 28.04.2017, 11:27   #7
Kokochanel
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Liebe Chavali,

ein Gedicht, das nachhallt, eine Mutter, die ihrem Kind Zweifel entgegenbringt. Das ist schwierig und da keinerlei Gründe dafür angegeben sind, ist es zunächst einmal als Fakt einfach so.
Schnell könnten hier von Lesern Kritiken kommen, die unschön sind, denn es ist mutig, solch eine Sichtweise zu bekunden. Schließlich MUSS eine Mutter ihr Kind doch lieben und so annehmen wie es ist.
Ob sie das muss, steht mir nicht zu zu entscheiden. es mag solche Fälle geben. Man kann jeder Mutter nur wünschen, dass sie nie in einen solchen Konflikt kommt.
Ein Kind im Bild von früher als Engel.Manchmal mögen sich Kinder nicht so entwickeln wie sich Mütter das wünschen. Was z.B. wenn sie zum Mörder werden, zum Terroristen? Das fällt mir dazu ein.
Ein gewichtiges Thema also, das ich gut umgesetzt hier im Gedicht finde.Denn ich spüre sowohl die Anfeindung von außen heraus wie auch die Hilflosigkeit der Mutter. Immerhin lehnt sie nicht ab, sie zweielt nur. Ein lebenslanger Kampf gegen sich selbst.

Zu der bemängelten Metrik:

Sicherlich ist es immer vorteilhaft, wenn die Verben betont sind, sodass Missverständnisse in Zeilen, die sowohl tröchäisch wie auch jambisch gelesen werden könnten, ausbleiben.
Letztlich ergibt sich bei Jambus und Trochäus aber durch den Gedichtfluss klar, wie es gelesen werden soll.
Ich würde die monierte Zeile also nicht als Fehltritt sehen.

Klarer würde es so:

Schluss mit diesem tristen Grübeln!
Leg die Bilder in den Schrank!
Wer will sie mir denn verübeln,
diese Zweifel lebenslang...


LG von Koko
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Alt 28.04.2017, 12:06   #8
Eisenvorhang
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Hallo Koko

ich dächte bisher, dass Wörter, die aufgrund ihrer Konstruktion, vor allem durch Vokale, von Natur aus gesenkt oder gehoben gesprochen werden und darauf die Regeln basieren. Was irgendwie auch sinnstiftend wäre.

Das es jetzt Wörter gibt, die sowohl als auch jambisch oder trochäisch gesprochen werden können (warum können sie das?), hat was Willkürliches und Ungeordnetes, was ich nicht verstehe und mir auch nicht einleuchtet.

Die wunderschönen Zeilen von Chavali trugen mich sanft und sehr rhythmisch durch das Geflecht und dann kam jener Vers, der mich vollkommen rausgedrängt hat. Es war wie mit 200kmh frontal gegen eine Wand.

Ich kann "Wer" einfach nicht betont lesen, vorallem, wenn darauf "wie" mit "es" und "denn" folgt.

Hmpf. Ich ging davon aus, es langsam verstanden zu haben.

Jetzt habe ich nur noch ???.

Danke für die Aufklärung.

vlg

EV
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Alt 28.04.2017, 13:16   #9
Mondmann
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Na ja,
wenn du wütend vor dem Mondmann fragen würdest

Wer will mir es denn verübeln?


wäre dann nicht eher das "wer" betont, durch erregte Stimmhebung? Um dem WER (nicht dem will)
Gewicht zu geben!
Die Programme sind ja nur eine Hilfestellung.

LG M.
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Alt 28.04.2017, 13:17   #10
Kokochanel
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Hi EV,

Über die Metrik kann man viel Unsinn lesen. Viele Dichtende beherrschen sie nicht. Sind sich aber total sicher, dass sie es können! Stöhn.

Die Metrik folgt entgegen allen Behauptungen der natürlichen Wortbetonung und darf dabei nicht verzerrt oder gestreckt werden. ( (ach,das liest sich glatt). Mit Vokalen hat das nichts zu tun. Vokale kommen bei der Dichtung bei phonetischem Gleichklang ins Spiel. das ist ein Thema für gehobene Dichtkunst. Hat aber nichts mit Metrik zu tun.

Die natürlich Wortbetonung kann man in jedem der 5 bekannten Metriksystem einbauen, also jedes Wort kann man auch in jedes System setzen.

Ein schöner Junge sang ein Lied ( Jambus).

Junge, sing ein schönes Lied! (Trochäus).

Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Daktylus).

Jene Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Anapäst).

Die Jungen, die schön sind, die singen nicht schön ( Amphibrachis).

Manche sehen ihn auch als Anapäst mit Vortakt, wird gerne in Limericks verwendet.

So, jetzt haste wat zu kauen

Was bei meinem selbst erdachten Beispiel auffällt ist, dass die Wörter in ihren natürlichen Betonungen immer gleich betont sind. Probier es mal aus und lies es mal. Man ordnet sie nur in die Systeme ein.
Metrikmaschinen kenne ich nicht, finde sie aber ebenso blöd wie Reimmaschinen. Entweder man lernt sein Handwerk oder man lässt es eben.
Lyri ist nämlich zunächst einmal Handwerk...

LG von Koko

Geändert von Kokochanel (28.04.2017 um 13:27 Uhr)
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