19.12.2017, 12:16 | #1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
Samstagabend in der Stadt
Der Tag ist abgeschminkt, und an der Wolkenwatte
klebt grau der Abrieb noch geschönter Illusionen. Betäubte Diener, die verstreut darunter wohnen, vergessen stumm das Licht, das er zu geben hatte. Entlang des blassen Rinnsteins huscht die erste Ratte den Resten nach, die ihre dunkle Gier belohnen, und wesenlose Schatten, die das Auge schonen, verbergen Krankheit, Staub und alles Übersatte. Der Rausch der Nacht muss erst noch Anlauf nehmen, die Wollust räkelt sich in seelentiefen Kissen ein kleines Weilchen noch, solange das Gewissen noch Abend fühlt, die grelle Neonflut zu zügeln, bevor es sich erhebt, um auf geschwellten Flügeln zu tun, wofür wir uns im Morgengrauen schämen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (28.03.2018 um 02:20 Uhr) |
19.12.2017, 12:35 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Moin Moin Erich,
Das ist ein Stadtsonett, wo nicht die Glitzerwelt und die Einkaufsstraßen beschrieben werden. Für manch so ein Mensch ist diese Szenerie ein zweites Zuhause. Es gibt Stadtteile, in die sich so manch "Angepasster" nur in der Dunkelheit hineintraut, um ja nicht gesehen zu werden. Dennoch geben diese Orte. Hier leben einige Menschen für immer. Deren Überleben hängt oft von den Besuchern ab. Mir fällt Sankt Pauli ein. Jedoch hat jede Stadt die etwas größer ist einen Ort, der Zuflucht vor dem zu großen Angepasstsein gibt. Sehr gerne gelesen, die Bilder sind ungewöhlich und neu. Liebe Grüße sy |
19.12.2017, 19:00 | #3 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
Hi Sy!
Danke, dass du diese Facette beleuchtest - ja, in jeder Stadt gibt es solche Viertel oder Ecken, wo man sich "vergnügen" kann! Mir war es eher darum zu tun, den Gegensatz zwischen dem angepassten, biederen Tagwerk und dem kreischenden Nachtleben, bzw. den verstohlenen Sündenpfuhlen zu zeigen. Wie wir unter der Oberfläche wohlerzogenen Benehmens immer die Getriebenen bleiben, deren nicht unerheblicher Teil es gar nicht erwarten kann, bei Gelegenheit im sog. Dreck zu wühlen. Selbst heute noch führen erzieherisch aufgepropfte Konvention, Bigotterie oder soziale Feigheit zu solch ambivalentem Dasein. Vielen Dank für deine Gedanken! LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
22.12.2017, 12:33 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
|
Ich habe das Werk ja schon anderswo kommentiert, lieber Erich. Hier wierhole ich mich gerne kurz, ohne nochmals auf den Inhalt einzugehen: Fantastisch geschrieben.
Im Übrigen denke ich, es solte nicht unter Stammtisch, sondern unter Denkerklause stehen. LG von Koko |
22.12.2017, 13:18 | #5 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
Hi Koko!
Es passt in beide Rubriken, ich habe es unter "Gesellschaft" gestellt, weil das sozialkritische Element hier für mich im Vordergrund steht. Vielen Dank nochmals für das große Lob! LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|
Ähnliche Themen | ||||
Thema | Autor | Forum | Antworten | Letzter Beitrag |
In meiner Stadt III | Chavali | Ein neuer Morgen | 4 | 29.08.2017 20:47 |
Weiße Stadt | Chavali | Auf der Suche nach Spiritualität | 19 | 14.03.2016 16:45 |
Vor der Stadt | AAAAAZ | Beschreibungen | 0 | 13.12.2014 04:24 |
Die Stadt und du | Walther | Ausflug in die Natur | 4 | 09.06.2013 18:35 |