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Alt 27.09.2009, 20:30   #1
Blaugold
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 23.02.2009
Ort: BadenWürttemberg
Beiträge: 526
Standard Morgen ist kein anderer Tag

So ein schöner Tag.
Ausgeschlafen, gut gefrühstückt,
Blumen wieder mal gegossen,
die Kuhle auf dem Sofa
noch ein bisschen weichgehockt,
taggeträumt.

Herbst ist. Seh ich durch das Fenster.
Sonne, Fussgänger, Mitläufer,
mehr als sonst.
Wahrscheinlich Wahlgang.
Erinnert mich an Terror.
Jeder Himmel stirbt im klaren Verstand!

Hab ich vordergründig im Hinterkopf
seit Internet und Winnenden.
Ballereien. Nächstes Level,
aufgestiegen, neues Spiel.
Mit einer Million Scorer Punkten.
Oder mit tausend Jungfrauen

in der Software animiert.
Blumen sollten gegossen werden.
Genauso, wie Bäume gepflanzt.
Schönes Wetter heute. Morgen
ist kein anderer Tag!
Keine Wahl. Nur Illusion.

Geändert von Blaugold (27.09.2009 um 20:32 Uhr)
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Alt 17.05.2010, 18:16   #2
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard

Lb. Blaugold,

warum gelingen viele "Wahlgedichte" nicht? Gute Frage. Bei Dir ist das eine sehr wesentliche Frage, weil Dir eigentlich fast jeder Text (bis auf dieser bisher) gelingt, den Du nicht auf Deine Festplatte sperrst sondern in die fernen Weiten der Öffentlichkeit entläßt. Wenigestens gilt das für die, die ich von Dir hier gelesen habe.

Da ist zum Einen die guter Dichtung notwendigerweise innewohnende Notwendigkeit der inneren Distanz. Man muß quasi über dem Thema stehen, das man behandelt. Man muß es entäußert haben, um es wie etwas Fremdes, von einem Losgelöstes, betrachten zu können. Erst in der Durchdringung aus der Distanz wird Dichtung das, was sie sein soll: Formal und inhaltlich souverän.

Zum Anderen: Hier haben wir eine Aneinanderreihung von Sätzen vor uns, die nicht einmal poetisch sind. Vielleicht sollen sie das auch nicht. Aber dann wird aus ihnen kein Gedicht. Denn Poesie hat eine eigenen Ausdrucks- und Rezeptionssphäre; gerade Vers libre wie dieser hier bedarf dessen. Wenn man ihn ohne Zeilenumbrüche lesen kann, ohne daß etwas verloren geht, dann haben wir einen Text vor uns, der nicht gut geraten ist. Hier ist das der Fall.
Zitat:
So ein schöner Tag: Ausgeschlafen, gut gefrühstückt, Blumen wieder mal gegossen, die Kuhle auf dem Sofa noch ein bisschen weichgehockt, taggeträumt.

Herbst ist, seh ich durch das Fenster. Sonne, Fussgänger, Mitläufer, mehr als sonst. Wahrscheinlich Wahlgang. Erinnert mich an Terror. Jeder Himmel stirbt im klaren Verstand!

Hab ich vordergründig im Hinterkopf seit Internet und Winnenden: Ballereien. Nächstes Level, aufgestiegen, neues Spiel. Mit einer Million Scorer Punkten. Oder mit tausend Jungfrauen in der Software animiert.

Blumen sollten gegossen werden. Genauso, wie Bäume gepflanzt. Schönes Wetter heute. Morgen ist kein anderer Tag!

Keine Wahl. Nur Illusion.
Dies könnte genauso in einem beliebigen Tagebuch stehen. Nun besagt das nicht, daß der Text schlecht und die Gedanken unsinnig wären. Etwas aber besagt diese Analyse schon: Daß dieser Text kein Gedicht ist. Und das ist für diesen Faden schon relevant. Denn schließlich kommen wir alle hierher, um Gedichte vorzufinden.

LG W.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (29.05.2010 um 19:13 Uhr)
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Alt 28.05.2010, 23:16   #3
Blaugold
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 23.02.2009
Ort: BadenWürttemberg
Beiträge: 526
Standard

Hallo Walther

Ich verstehe deine Argumentation, mein Text sei streng genommen kein Gedicht. Ich bin mir ehrlich gesagt dieses Mankos bewusst, das du zu Recht herausstellst.
Und poetisch sind meine Zeilen wohl am Wenigsten!
Ja, mir ging es dabei eher um die inhaltlichen Gedanken, auch über die Wahl zum Zeitpunkt des Verfassens. Ganz konkret vermag ich das nicht mehr zu sagen.
Ich glaube, der Anlass waren die Wahl-Vorgeplänkel: Berichte in den Medien, Wahlplakate, Konjunktionen zum Wahlausgang und was sich danach ändern könne/solle/werde! Kurz: Morgen, nach der Wahl, wird es anders. Deshalb wählt man eigentlich. Um was zu erneuern. Doch wie schon geschrieben steht, dass neuer Wein (Innovationen) in alten Schläuchen (innere Einstellungen, Charakter, Glauben, Zeitgeist usw.) im Grunde nichts Neues von Bestand ist, so sind auch gute Vorsätze ohne Denkmusterveränderungen hohle Phrasen, Illusionen ... ich denke, du verstehst, was ich damit meine!

In der Mitte des Textes habe ich den Satz untergebracht:
Jeder Himmel stirbt in/bei klarem Verstand. Ich meine, auch Wahlversprechen, die das Blaue vom Himmel oder paradiesiesche Zustände verbürgen wollen.
Das LI hält Wahlen mit dem gesamten Brimborium an Propaganda für verlorene Zeit.
Den gedanklichen Abstecher nach Winnenden aus folgendem Grund (by the way - ich war am Tag des Amoklaufes 1000 Meter vom Tatort auf einer Tagung):
Es ist tragisch für alle Beteiligten und Angehörigen der Opfer! Doch ich wage nicht zu behaupten, das sei als was Besonders zu vermerken im Vergleich mit allen anderen Tragödien, die fast täglich passieren, bei jedem Selbstmordattentat, bei vielen Kriegseinsätzen ...morgen ist es dasselbe, wie heute oder gestern.
Durchaus aber, das vermerkst du zu Recht kritisch, ist der Text fast wie ein Tagebucheintrag aufgebaut.
Ich nehme deinen Kommentar ernst, bin auch gar nicht anderer Meinung, dass ein Gedicht andere Ansprüche stellt als wie im vorliegenden Fall.
Manchmal wage ich mich halt an den Vers libre und bin dankbar für Meinungen wie deine!

Blaugold
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