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Alt 10.06.2018, 00:36   #1
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard Holländische Landschaften

Die neun Sonette wurden am 29.09.06
nach einer zweiwöchigen Reise durch die Niederlande, die der Vater dem Sohn für sein gut bestandenes Abitur schenke, an nur einem Tag in der Heimat geschrieben; die Landschaften zu zeigen, die ihn als Maler inspirierten.

Der Status, das sie so kurz vor dem Millitärantritt geschrieben stehen, lässt vermuten, dass hier wenig bis nichts an Veränderungen der Textgestaltung betieben wurde. Und somit Zeugnis über die Betrachtung von Kalckreuts Schaffen legt.


Holländische Landschaften

Utrecht

Schon perlt die weiße Glut des Tags gelinder
auf all die Ebnen, wo der Nebel steigt,
der schleiernd uns saphierne Weiten zeigt.
Die Wasser atmen sacht wie müde Kinder.

Zuweilen nur ein Nachen, ein geschwinder,
der uferwärts sein weißes Segel neigt,
im Abend, der die großen Wiesen schweigt.
Stumm rasten auf dem Weideland die Rinder.

Die Silberluft der fernen Horizonte
gleicht überhauchtem, dämmerndem Kristall
und trinkt den Strahl, der den Azur besonnte.

Aud den Alleen zittert überall
ein Schein, der noch im Duft nicht sterben konnte,
ein letztes Glühn vom roten Sonnenball.


Amsterdam

Gleich stillen Farben auf erschloßnem Fächer
eint sich der schmalen Häuser Grau und Rot,
und über grünem Kahn und weißem Boot
der Schmuck der Giebel und der tausend Dächer.

Das Brausen der bewegten Kais wird schwächer
in diesen Straßen, wo der Lärm verloht.
Und in der Ferne bleichen Mast und Schlot,
die Fischerewer und die Wellenbrecher.

Unzähl`ge helle Fensterreihen schaun
auf die Kanäle, wo die Nachen stocken,
wo vor den Brücken sich die Schuten staun.

Sie Sonne taut durchs Laub in großen Flocken,
und in der Luft perlmutterfarbnes Blaun
entfließt und singt das lichte Spiel der Glocken.


Haarlem

Bestrebt, ein eignes Ruhen zart zu hüten,
durchpulst die Stadt das Leben minder stark,
dem Vogel gleich, der im Gezweig sich barg,
in dieser Wärme mittaglichem Brüten.

Wie eine Bucht, Wo Sturm und See nicht wüten,
wo auf den Wellen leise bebt die Bark,
ist diese Stadt. Sacht führt Allee und Park
in Blumenfelder hin, die schon verblühten.

Der zarte Duft vergessner Mühen flutet
auf all den schmalen Wegen zieren Seins,
wo schweigsam ein erstrahlend Herbstlicht glutet.

Es fließt im Glanz des flimmerhellen Scheins,
wie sich im West der Nachmittag verblutet,
das Glück verschwiegnen, sorgenlosen Seins.



Scheveningen

Unendlich dehnt das Meer sein graues Reich,
verschwimmend mit dem Dunst der fahlen Weiten.
Die Lüfte schweigen, und die Wasser gleiten
nur sacht empor an Sandgestad und Deich.

Der späte Regentag ward trüb und bleich
und will in nahe Finsternis entschreiten,
wo sich die riesenhaften Dünen breiten,
an uferloser Schwermut allzu reich.

Indessen ist die dunkle See gestiegen,
der glatten Steine schmaler Wall versinkt
in ihrer Wellen trauervollem Wiegen.

Und von dem Stande, der die Salzflut trinkt,
sieht glühend Schein man durch die Lüfte fliegen,
vom Leuchtturm her, der rot durchs Dämmern blinkt.



Haag

Sind es die Straßen, sind es die Alleen,
ist's der Azur, in herbstlich Grau getaucht,
der diese Kühle in die Seele haucht,
die fremd, und der so schwer zu widerstehen?

O diese Häuser an entschlafnen Seen,
vollfernem Stolz, der keine Worte braucht -
hier, wo kein Schlag der Arbeit sprüht und raucht,
wo leise Schauer stummer Kälte wehen.

Es ist der Herzen eigentlichstes Sehnen,
in diesem Leben trüben Ungefährs,
die Zier verschwiegner Vornehmheit zu wähnen...

Doch in dem Ruhn, fahl wie der Streif des Meers,
ein mächt'ger Strom, uns schmelzend bis zu Tränen:
Die Größe Rembrandts und die Glut Vermeers!



Overschier

Die blauen Fluten,die zum Rasen spülen,
entführen unser Boot auf heitrem Pfad,
indes ein Dorf vom Horizont sich naht,
durchziehn wir den Kanal, den sonnig-kühlen.

Vorbei an hundert bunten Häusern wühlen
die Schlepper ihre Bahn ins Wellenbad.
Durch Brücken, die gestampft von Huf und Rad,
entlang an Deichenund gewalt'gen Mühlen.

Ein Leuchten innerlihster Freude strahlt
aus diesem Lärm, aus Pfeifen und Gebimmel,
in dem die Lust des blauen Tags sich malt...

der Schuten und der Nachen bunt Gewimmel,
mit dem das Leben hundertfältig prahlt...
O dieser Glanz von Hollands ew'gem Himmel!


Rotterdam

Wie uns im Traum der Zauber fremder Hände
durch unbeschränkte fahle Lande zieht,
deucht mir, als ob dies riesige Gebiet
unwirklich sei und keine Grenze fände.

Und Kai an Kai und flutbespritzte Wände,
und Schuppen, Pfähle, Mauern von Granit.
Der Wirbelrauch zahlloser Schiffer flieht
zum Himmel auf, ein Schleier ohne Ende.

Ich schaute hundert Dämme , die sich trafen,
und hundert Dampfer zogen pfeifend her.
Noch ist das mächt'ge Tosen nicht entschlafen.

Jedoch der Dämmerung siinkt kühl und schwer
aud die Gebäude und den großen Hafen,
und von den Ufern bebt ein Lampenmeer.


Delft

Durch alle Tiefen dieser Schattengrachten
verzittert sacht ein ungeahnter Duft.
Erstorben sind die Blätter und die Luft
an dunklen Wassern, die wie reglos nachten.

Und eine Glorie von entschwundnen Schlachten,
getrennt von uns durch allgewaltge Kluft,
umschwebt Piet Heins und Tromps verlaßne Gruft,
die fernen Ruhm aus fernen Meeren brachten.

Noch ist die Stadt, wo der Oranier fiel,
nach stolzer Tage unvergeßnem Prangen,
doch in des Lebens zagem Wellenspiel

verließ den Aar sein sonnenhaft Verlangen.
Er senkte seine Schwingen vor dem Ziel...
Das Volk steht still. Und alles ist vergangen.



Leyden

Wann sich der Wolken unerschöpflich Leben
entfaltet über grünendem Gefild,
wann ihre weiße Form gestaltsam schwillt
und Schleier über Strom und Weide schweben,

fühl ich ein seltsam Glück in mir erbeben
bei solchen Wehens wechselnden Gebild -
als ob ein Tränenbrunn im Herzen quillt,
verrieselnd in der Silberlüfte Weben.

Die Herden an der Flut von all den Bächen,
die diese Ebne dehnt und dennoch teilt...
die blauen Risse, die durch Wolken brechen,

das Laub der Bäume, wo der Schlummer weilt -
wie heimlich sie zu unsrer Seele sprechen,
indes der Zug gemah vorübereilt.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.

Geändert von Terrapin (15.06.2018 um 22:19 Uhr)
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.06.2018, 22:18   #2
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 469
Standard

Nun, da Delft übertragen in Reihe steht, sind die Neun von Verlaine inspirierten vollzählig.

Viel Freude beim lesen.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
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