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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 05.11.2012, 05:16   #1
Antigone
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Standard Schloss in P.

Als vor dem Schloss der Krokus lila blühte,
der Morgen kam als weißer Rauch ins Land,
aus Frühlicht war das Kleid der Aphrodite,
wo die gestorbne Welt sich wiederfand –

dort, in den Mauern, wo die Trauer
der Steine zu mir sprach, vergessne Damen,
durchtränkt von Zeit, der gnadenlosen Dauer,
von Wänden blickten aus verblichnen Rahmen -

dort fand ich selbst mich als ein Kind der Zeit,
und ich verstand der Welten Lauf und Wille -
an diesem Ort voll sanfter Müdigkeit,
voll Schwermut, Sonnenstaub und ernster Stille.
Antigone ist offline  
Alt 05.11.2012, 16:47   #2
Chavali
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Hallo Antigone,

ein Schloss in P.?
Potsdam? Sanssouci?

Wo auch immer, die Worte nehmen den Leser gefangen und entlassen ihn
ein wenig als Voyeur,
der die Besucherin des Schlosses und der Ahnengalerie beobachtet und
ihr die Betroffenheit und Berührtheit ansieht.

Als ganzen Satz gestaltet, hältst du das dreistrophige im Kreuzreim geschriebene Gedicht durch.
Sehr schön gemacht und nicht ganz leicht; und die zeilenübergreifenden Reime gefallen mir sehr.

Besonders schön für mich:
Zitat:
...
Als vor dem Schloss der Krokus lila blühte,
der Morgen kam als weißer Rauch ins Land,
und dieses hier:
Zitat:
...
an diesem Ort voll sanfter Müdigkeit,
voll Schwermut, Sonnenstaub und ernster Stille.
LG Chavali
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Chavali ist offline  
Alt 05.11.2012, 19:29   #3
Erich Kykal
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HI, Antigone!

Gefällt mir sehr, auch wenn du den Leser auf den erlösenden Satzteil sehr lange warten lässt...

Einzige Kleinigkeit: S3Z2

Dort schreibst du: "...ich verstand der Welten Lauf und Wille" - Richtig wäre aber: "ich verstand der Welten Lauf und Willen", nämlich wen oder was? - "den Willen (der Welten) verstand ich", Akkusativ mit "n".

Auf der sicheren Seite wärst du so: "und ich verstand: Der Welten Lauf wird Wille // an diesem Ort voll sanfter Müdigkeit..." So ist es ein Gleichsetzungsglied im Nominativ, und "Wille" steht ohne "n", was den Reim erhält.

Sehr gerne gelesen!

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline  
Alt 06.11.2012, 04:26   #4
Antigone
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Liebe Chavali,

nein, nicht Potsdam, da ist heute alles auf Hochglanz poliert, ich schreibe von einem Ort im tiefen Brandenburg, in dem ich vor Jahrzehnten, als Kind, mal war und so etwas wie ein plötzliches Verständnis für Geschichtsabläufe hatte und die Rolle des Menschen darin, ein Erlebnis, das ich bis heute nicht vergessen habe. Manches kann man tatsächlich datieren.

Danke fürs Reinschauen.

Lieben Gruß
Antigone





Lieber Erich,

danke für deinen Kommentar. Man muss alles mal ausprobieren, auch den Suspense.

Was aber den Willen angeht, nehme ich stark an, hier irrst du dich mal, was ja sehr selten vorkommt, aber Willen und Wille sind lt. Duden zweierlei. Der Wille ist der "gehobene" Willen, du hast das auch im Testament: "Der letzte Wille" und nicht "Willen".

Der Duden gibt folgendes an:
der Wille
des Willens
die Willen

Ich gebrauche "Wille" aber im Singular und nicht im Plural. Auch im Akkusativ wäre der "Wille" nicht der "Willen", sondern bliebe der "Wille". Um das verständlich zu machen, drehe ich die Formulierung einfach mal um: "Und ich verstand Lauf und Wille der Welten" statt "der Welten Lauf und Wille".

Kannst du das akzeptieren?

Lieben Gruß
Antigone

Geändert von Falderwald (06.11.2012 um 08:10 Uhr) Grund: Doppelpost zusammengeführt
Antigone ist offline  
Alt 06.11.2012, 07:53   #5
Erich Kykal
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Es scheint nur sprichwörtlich (einigermaßen) zu funktionieren, wenn es sozusagen im Konglomerat mit dem Lauf als Phrase steht - und selbst da stört es ein empfindliches Ohr.

Lass das verbale Brimborium weg - was bleibt?

Ich verstand den Wille der Welten.

Wuäääärks!

LG, eKy
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Alt 06.11.2012, 17:28   #6
Antigone
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Standard Schloss in P.

Lieber Erich,

leider ist der verbale Brimborium entscheidend. Ich denke aber, dass mehr bleibt.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 06.11.2012, 18:43   #7
Erich Kykal
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Ich schrieb: es SCHEINT zu funktionieren, aber das tut es - vor allem bei näherer Überlegung - nicht wirklich. Nur der rasch Lesende merkt vielleicht nichts. Ich halte es nach wie vor für falsch, mit oder ohne Brimborium - aber es ist ja dein Gedicht.

LG, eKy
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Alt 06.11.2012, 18:55   #8
Chavali
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Lieber Erich,

ich zum Beispiel habe durchaus nicht flüchtig gelesen und ich meine,
Antigone hat die Zeile ganz richtig formuliert.

der Wille ist Singular - deshalb ist auch die Formulierung
und ich verstand der Welten Lauf und Wille -
grammatikalisch völlig in Ordnung.

Der Lauf ist ja auch Einzahl - müsste nach deiner Meinung die Läufe heißen,
weil es ebenso auf Welten bezogen ist.


LG Chavali
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Chavali ist offline  
Alt 06.11.2012, 20:44   #9
Erich Kykal
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Es geht nicht um Singular oder Plural, liebe Chavi, sondern um den Fall. Hier ist es Akkusativ: Wen oder was verstand ich? - den Lauf (da ändert sich nix), aber den Willen. "Den Wille" - das geht nun mal nicht. Punkt.
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Erich Kykal ist offline  
Alt 06.11.2012, 21:10   #10
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo zusammen,

Erich hat recht, es handelt sich hier um ein Akkusativobjekt.

Zitat:
und ich verstand der Welten Lauf und Wille
Frage: Wen oder was verstand ich?

Antwort: Der Welten Lauf und Willen

Ich verstand den (der Welten) Lauf

Ich verstand den (der Welten) Willen.

Der Akkusativ von Wille lautet "den Willen".

Da beißt die Maus keinen Faden ab.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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