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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 05.01.2017, 09:05   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Detroit, Michigan

Die große Stadt, die einst vor Leben sprühte,
beatmet kaum noch den verblassten Zauber,
der einst sie glänzen ließ, als neu und sauber
voll Zuversicht und Wohlstand sie erblühte.

Doch ganz egal wie sehr man sich bemühte,
der Lack ist ab, die Farben sind verblichen.
Ein matter Schleier hat sich eingeschlichen
und tötet ab, was einst in Hoffnung glühte.

Schon halb verlassen altern die Fassaden
der Erde zu, die Scheiben eingeworfen,
denn keiner hier behebt noch einen Schaden.

Die Straßen bluten Unrat und Entsetzen,
wo Elend kratzt an den ergrauten Schorfen,
und was noch bleibt, will andere verletzen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (20.02.2017 um 15:00 Uhr)
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Alt 05.01.2017, 10:10   #2
Angelika
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Lieber Erich, einiges kommt mir hier mit der heißen Hand gestrickt vor.

Zum Beispiel: "Die Stadt BEATMET kaum noch den verblassten Zauber".
Hier müsste es logischerweise ATMET heißen. Denn der "verblasste Zauber", das ist die Stadt.

Und ich denke auch, dass man nicht die Fassaden verlassen kann, sondern nur die Häuser hinter den Fassaden.

"Die Straßen BLUTEN Unrat und Entsetzen" - merkwürdige Formulierung, nicht nur zu dick, sondern einfach das falsche Wort.

"Und was noch blieb, will andere verletzen", das erscheint mir zu unklar, ergäbe nur einen Sinn mit "Und wer noch blieb".

Hinter "egal" noch ein Komma.

Hier hast du vielleicht zu schnell geschrieben. Sonst legst du doch Wert auf das genaue Wort?

Angelika
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Alt 05.01.2017, 10:43   #3
Erich Kykal
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Hi Angelika!

"Beatmet" ist das richtige Wort, wenn man das richtige Bild hat: Ein Toter (hier der Zauber) wird künstlich "beatmet", reanimiert - in diesem Fall vergeblich?


Das "Bluten" erklärt sich ebenfalls, wenn man die GANZE Sinneinheit mit einbezieht, denn es geht ja weiter mit: "wo Elend kratzt an den ergrauten Schorfen" - das sollte jedem geläufig sein: Wenn man am Schorf kratzt, dann blutet es (wieder)!
Soll aussagen: Das Elend, sprich die Armut, kratzt an der mühsam "gesund" wirken wollenden Scheinfassade, dem "Schorf" der verwundeten Stadt - und sie blutet Müll, Abfall, Unrat in die Straßen. Und Entsetzen, wenn die Gangs und all das Gesindel die Herrschaft übernehmen - dann rinnt in den Straßen das echte Blut!

Was und wer sind in diesem allgemeinen Zusammenhang gleichsetzbar. Man könnte es verlängert auch so ausdrücken: "Und was (an Menschen) noch blieb, ...".

Wenn ich mit "heißer Feder" geschrieben habe, dann hast du aber wohl auch mit "heißem Auge" gelesen!

LG, eKy
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Alt 05.01.2017, 11:07   #4
Angelika
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Lieber Erich, ich finde auch für jede Kritik eine Ausrede.

Insgesamt trifft das Gedicht nicht den Kern, sondern nur die Äußerlichkeiten. Um den Kern aber treffen zu können, müsstest wirklich in die US-Politik einsteigen, über Kapitalismus schreiben, der all diese Verheerungen anrichtet. Aber da du das vermutlich nicht willst, also nicht die Frage nach dem Warum beantworten willst, ist jede Kritik an deinem Gedicht eigentlich in den Wind geschrieben. Der uninformierte Leser wird sich fragen: Nanu, was ist denn da passiert? Und kriegt keine Antwort. Jedenfalls nicht durch dieses Gedicht. Weißt du eigentlich, wie viele Leute aus Detroit den Trump gewählt haben? Ich habe die Zahl 90 Prozent irgendwo gelesen.

Angelika
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Alt 05.01.2017, 16:24   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Angelika!

Du sagst, mein Gedicht träfe "nicht den Kern", ohne überhaupt wissen zu können oder nachgefragt zu haben, worum es sich bei diesem Kern denn handeln könnte!

Sorry, aber du nimmst häufig gleich bestimmte Präliminarien als gegeben an oder setzt bestimmte Absichten voraus, anstatt ein Werk erst mal ganz aus sich heraus auf dich wirken zu lassen - so zumindest mein Eindruck bezüglich deiner zuweilen voreiligen Schlüsse.

Zu diesem Gedicht:

Ich sah vor ein oder zwei Jahren eine Doku über den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie und das damit einhergehende Schrumpfen und Verelenden von Detroit und anderen nördlichen Industriestädten, und dieser Bilder erinnerte ich mich heute morgen rein zufällig, als ich nach einem Thema in Richtung "Stadt" für ein Gedicht suchte.
Ich sah damals - als von Trump noch keine Rede war - ganze Viertel praktisch verlassen, Straßen mit brettvernagelten Fenstern, die Erdgeschoße mit Graffitis zugeschmiert oder mit zerfledderten Plakaten verkleistert, mit verstaubten Auslagen, zersprungenen Scheiben, ungereinigten Wegen mit ausgeschlachteten Autowracks, verwilderten Vorgärten, abblätternder schmutziger Farbe usw... Eine verfallende Stadtruine (zumindest in den Suburbs), durch die nur noch sporadisch Menschen wie schlaffe Zombies schlurften oder untätig in den Hauseingängen "abhingen", wo sie tranken und vergessen wollten, wenn sie alt waren, oder tranken und auf Ärger aus waren (Siehe Gangmachoscheiße für Bildungsferne usw.), wenn sie jung waren.

Ich wollte nichts weiter als nur ein Stimmungsbild meiner Eindrücke zu diesem Verfall erschaffen - mit Trump hat das mal gar nichts zutun, zumindest dachte ich überhaupt nicht an ihn, als ich es schrieb. Zudem will Trump ja gerade an diesen Zuständen etwas ändern (wenn auch mit in meinen Augen hirnverbrannten Methoden - siehe Abschaffung von Obamacare, Mauer zu Mexiko, usw..), also würde es ohnehin nicht als Kritik an ihm taugen.
Man könnte höchstens extrapolieren, dass am Ende seiner Amtszeit womöglich ALLE amerikanischen Städte so ausschauen wie Detroit heute! Aber das wäre reine Mutmaßung, und - wie gesagt, meine Intention war eine ganz andere.

Und zuletzt: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit solchen politikfreien Stimmungsbildern, zu denen man sich selbst Gedanken machen kann und dies dem Publikum auch zutraut, die Menschen eher erreicht als mit Daten, Fakten und Hintergrundwissen, die einem mit mahnend geschwungenem Zeigefinger die Nase hochgeschoben werden!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (06.01.2017 um 19:47 Uhr)
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Alt 05.01.2017, 18:24   #6
Kokochanel
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Guten Abend , Erich,

ich finde dieses Gedicht rund. In schmerzenden Metaphern beschreibt es eine Welt, die wir auch in unserem Land bald kennen lernen könnten.
Ich sah auch ein Doku über die niedergehenden Industirestätten in Amerika, aber es ist ja nur eine Metapher.
Ein Bild für das, was Menschen sich in ihrer Gier antun, Konzerne verheizen ihre Mitarbeiter. Wo nix mehr zu holen ist, wird geschlossen.
Hier bei uns sieht man diese Dinge auch, wo ganze Dörfer sich um den Braunkohlebergbau ansiedelten. Ameisen-Menschen, Ameisenleben.

Was übrig bleibt, das will andere verletzen. Nicht selten verändern sich auch die Menschen, wenn sie alles verrotten sehen, was ihr Leben war. Depression und Aggression treten ein.
In diesem Sinne ist das gesamte Detroit für mich eine mahnende Metapher.

Mir gefällt es so.
LG von Koko
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Alt 06.01.2017, 14:14   #7
Erich Kykal
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Hi Koko!

Ich stimme deinen Ausführungen zu. Der rein gewinnorientierte Brutalkapitalismus der USA ist sicher verachtenswert - aber wie lange wird sich Europa noch die leicht auszunutzenden und zu missbrauchenden Sozialsysteme leisten können?

LG, eKy
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Alt 06.01.2017, 19:20   #8
Kokochanel
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so lange, Erich, bis nach Angelikas Duktus alle Obdachlosen einen Porsche fahren...
LG von Koko
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Alt 06.01.2017, 20:37   #9
Erich Kykal
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Hi Koko!

Das finde ich Angelika gegenüber unfair. Sie hat etwas mit ihrem Gedicht aussagen wollen, das wir anders interpretierten, weil ihre Verse zu wenig Hinweise auf die gemeinte soziale Gruppe enthielten, weiter nichts.
Kein Grund, jetzt zu überzeichnen. Zudem geht es da ja um einen ganz anderen Faden, gehört also eigentlich nicht hierher.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (07.01.2017 um 14:56 Uhr)
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Alt 07.01.2017, 13:50   #10
Kokochanel
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OK, Erichen... ich sag nichts mehr.
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