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Alt 08.03.2009, 13:46   #1
Ibiado
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 17.02.2009
Ort: am Mittelrhein
Beiträge: 224
Standard Zwei Dialoge

Interview

Reporter: Frau Schwertlein, Sie leben schon sehr lange hier?
Marte Schwertlein: Seit 264 Jahren, aber nicht weiter sagen, dass ich schon so alt bin.
R Erinnern Sie sich noch an den Doktor?
MS Mein Gedächtnis funktioniert einwandfrei.
R Wie war sein Vorname?
MS Er ließ sich Heinrich nennen, aber er hieß Johann, Dr. Johann Faust, ein ängstlicher Typ in der Midlife-Krise.
R Wie lernten Sie ihn kennen?
MS Das unterbelichtete Kind meiner Nachbarin, Gretchen, schleppte ihn eines Abends hier an. Wusste nicht, was er von ihr wollte, fragte mich um Rat. Ich sollte ihn mir mal an-schauen. Hab ihm dann auch gehörig auf den Zahn gefühlt.
R Welchen Eindruck hatten Sie von Dr. Faust?
MS Armes Schwein. Noch ärmer dran als Gretchen. Absolut null Ahnung vom Flirten, keine Erfahrung, Bücher im Kopf, Schiss in der Buchs. Verklemmt wie meine Rollläden manchmal, dann geht da auch nichts hoch.
R Ließ er sich nicht bei seinen galanten Abenteuern von seinem Begleiter beraten und anleiten?
MS Dem Mephi? Wo denken Sie hin? Der war doch schwul.
R Aber Ihnen machte er den Hof.
MS Das denken Sie! Wollte nur, dass ich seinem Heinrich ein paar Tipps gebe, wie er das Gretchen rumkriegt. Hab mich aber anders entschieden und Gretchen die Tipps gege-ben. Soll ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?
R Ich bin sehr gespannt, Frau Schwertlein.
MS Meine Kollegin in der Hexenküche hatte dem Heini schon die doppelte Menge vom Üblichen verabreicht und das war nicht ohne, obwohl`s noch kein Viagra gab. Aber so richtig in Schwung kam er erst, als Gretchen meinen weisen Rat befolgte.
R Nun?
MS Nicht erst einweichen, kochen, Sud abgießen, verdünnen, abkühlen und dann in klei-nen Schlucken trinken lassen, sondern ran an die Kakteen, Diesteln und Brennnesseln! Pflücken, roh auspressen, Handschuhe aus - und radikale äußere Anwendung.
R Brutal!
MS Aber wirksam. Hat ihn Minuten lang abgelenkt von seiner Verkopftheit. Gretchen meinte, hinterher konnte sie richtig vernünftig mit ihm reden, sogar zwei Mal. Ohne Geschwafel von edlen Menschenzielen, göttlichen Erkenntnisflammen und lichten Geistern oder geistlichem Gelichter oder was ihn da sonst ständig plagte.
R Konnten Sie nicht auch die andere Seite von ihm schätzen lernen, diese innere Würde und Größe, sein immer strebendes Bemühen um Wachstum, Vervollkommnung, die tiefe Tragik seiner Gespaltenheit als Erdensohn und Wesen himmlischer Abkunft?
MS Jetzt halten Sie aber die Luft an, junger Mann! Glauben Sie, ich lass das noch mal über mich ergehen? Sie quatschen ja noch dümmeres Zeug als der Doktor-Heini. Wissen Sie, was er zu mir gesagt hat, als Gretchen im Knast saß? „Ach, Frau Schwertlein, es sei, wie es wolle, es war doch soo schööön!“
R Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange - des rechten Weges wohl bewusst.
MS Das haben Sie jetzt aber niedlich gesagt, mein Junge. Ich steh immer noch auf dunkle Typen und ein guter Drang ist nie zu verachten. Kommen Sie mit ins Hinterstübchen. Ich hab da was sehr Feines aus meinem Kräutergarten. Mund auf – schön schlucken!
R Nachbarin, euer Fläschchen...
MS Schau mir in die Augen, Kleiner. Lach und sei mein Fäustchen!


Am Wasser

Ruderfix:
Bin ich noch der Alte? Wieder an meinem Ufer? Liege im Tümpel und spüre meine Hände im kalten Wasser? Uferschreck habt ihr mich genannt. Rudi der Uferschreck – ein toller Name. Wie lange ist das schon her. Ja, die alten Zeiten. Langeweile, Froschkonzerte, Harfengeklimper – und wieder Langeweile. Bis ich auf die Idee kam Menschen, zu erschrecken. Blubber-blubber, blax-quax, eine Hand voll Schlamm, ein paar kräftige Spritzer – und Huuuch! Hilfe! Der Uferschreck! Der holt euch. Der zieht euch runter in den Teich. – Alles Quatsch. Ich hab nie einen runtergezogen. Was soll ich denn mit Wasserleichen da unten. Keine gute Gesellschaft für Frösche und Karpfen. Wollte bloß ein bisschen Zeitvertreib, ein bisschen spielen. Und hinter ihnen her lachen, so richtig hässlich, mit viel Wasser im Mund und Grünzeug um die Ohren. Das macht Stimmung.

Rudrinella
(streckt in einiger Entfernung den Kopf aus dem Was-ser, belauscht ihn)

Ruderfix:
Aber auf die Dauer war das ja auch nur Binsenkraut und Treibsand. Jahrzehnte musste ich manchmal warten, bis sie mich vergessen hatten und wieder zur Badebucht kamen. Und wenn dann dieses süße Mädchen nicht gekommen wäre... Ach. Was sind das nur für schreckliche Wesen, diese Menschen.

(singt) Halt dich fern von ihnen, halt dich fern,
denn sie locken und sie täuschen gern,
und dann nehmen sie dich in den Arm
und du fühlst dich unbeschreiblich warm,
aber bald, mein Lieber, aber bald
denkst du, besser ist doch nass und kalt.
Halt dich fern von ihnen, halt dich fern,
denn sie locken... (summt weiter vor sich hin)

Rudrinella: (schaut ihm zu und flüstert schließlich) Ruderfix, bist du’s
wirklich? Seit hundert Jahren such ich in allen Ozeanen nach ihm – und hier hockt er am Froschteich. Sieht nicht gerade glücklich aus.
Ob er an mich denkt? Ich muss näher hin.

Ruderfix: Halt dich fern, mein Nixchen, halt dich fern,
von so luftgekühlten trocknen Herrn...

Rudrinella:
Ruderfix, kennst du noch deine Rudrinella?

Ruderfix: O, Überraschung! Rudrinella die Abweisende. Willkommen in meiner bescheidenen Pfütze. Wie geht’s deinem Schatz Prinz Spülerich?

Rudrinella: Der mein Schatz? Du hast ja ne Seegurke im Wasserkopp.

Ruderfix:
So? Und warum hast du mich dann in die Sümpfe geschickt?

Rudrinella: Wollte dich doch nur in Bewegung bringen. Ihr Wassermänner seid ja so was von langweilig, wenn man euch nicht mal in die Flossen kneift. – Aber wo hast du denn deine Flossen? Du siehst ja unten rum aus wie ein Mensch. Bist du einer geworden?

Ruderfix: Das ist eine lange Geschichte. Ich verwandle mich gerade wieder zurück.

Rudrinella: Du hast dich also bei den Menschen rumgetrieben.

Ruderfix: Was geht dich das an?

Rudrinella:
Immerhin war ich vor dreihundert Jahren deine auserwählte Strudeltanznixe und du wolltest mich in deinen Korallenpalast entführen.

Ruderfix: Ehe der Spülerich dich umplätschert hat.

Rudrinella: Der hatte viel feinere Manieren als du.

Ruderfix: Und die größeren Muscheln im Tiefseeschlund.

Rudrinella: Bei dir schäumt’s wohl. Ich mach mir nichts aus Perlen. Ich such einen wetterfesten Wassermann, der nicht gleich beleidigt abhaut, wenn man ihm mal die Schwanzflosse zeigt. Warum hast du deine Flossen abgelegt?

Ruderfix: Das lag an Sabine. Die stand eines Abends hier am Ufer und wollte zu mir.

Rudrinella: Ausgerechnet zu dir?

Ruderfix:
Jawohl, zu mir. Bitte, bitte, lieber Rudi Uferschreck, hat sie geweint, komm herauf und hol mich zu dir in dein Reich. Ich will nicht mehr leben.

Rudrinella:
Toll! So machen die Menschen das öfter. Und? Hast du sie dir geholt?

Ruderfix: Egelschleim und Krötenlaich! – Nee, ich bin zu ihr rausgehüpft und hab sie festgehalten. Die kriegen nämlich keine Luft im Wasser. Außerdem können die sich erkälten, weißt du, das war im November.

Rudrinella: Und dann hat sie geschrieen und ist gerannt, hahahaha!

Ruderfix: Gar nicht. Rennen konnte sie nicht, weil ich sie hielt. Geschrieen hat sie auch nicht. Nur geschluchzt.

Rudrinella: Dann kommt so warmes Wasser aus den Augen und aus der Nase, stimmt’s?

Ruderfix: Hast schon recht. Aber ich hab mich verliebt.

Rudrinella:
So? Das ist doch diese Menschenkrankheit. Temperaturanstieg im Brustbereich und von da bis in den Bauch, sogar in den Kopf hinein...

Ruderfix:
Ja, weißt du, sie war so schön - zart, zerbrechlich...

Rudrinella: Mit nackter, hellbrauner Haut, offenen Ohren und Fingernägeln an den Schwanzflossen – igitt.

Ruderfix: Unsinn, die haben gar keine Flossen.

Rudrinella: Aber schwimmen wollen sie doch, diese armen Krüppel.

Ruderfix: Ich hab den Umwandlungszauber angewandt und bin ein Mensch geworden.

Rudrinella: Das sieht man, du Ärmster.

Ruderfix: Dann bin ich mit ihr gegangen.

Rudrinella:
Sie wollte doch zu dir in den Teich.

Ruderfix: Das war doch nur am Anfang, aus Verzweiflung, weil sie ein Kind erwartete.

Rudrinella: Davon verzweifeln die?

Ruderfix: Das hab ich zuerst auch nicht verstanden, aber dann bin ich ihr Mann geworden und sie sagte, ich soll der Vater von ihrem Kind sein.

Rudrinella: Aha, erst das Kind und dann der Vater. Bei uns geht das umgekehrt.

Ruderfix: Die Menschen sind eben ganz anders als wir. Sie haben ständig Temperaturschwankungen. Als sie das Kind hatte, dauerte es nicht lange, bis sie den richtigen Vater auftrieb und mir sagte, ich soll dahin gehen, wo ich herkomme. Darum geh ich jetzt auch wieder zurück ins Wasser. Lass mir noch hundert Jahre Zeit mit unserem gemeinsamen Einzug in meinen Palast. Ich werde sie nie vergessen. Sie konnte so zärtlich sein...

Rudrinella:
Ist das diese – äh – wie heißt das noch? – Liebe?

Ruderfix: Ja, die hört nicht auf, auch wenn alles nur Einbildung war.

Rudrinella: Du machst mich neugierig. Das möchte ich auch kennen lernen.

Ruderfix:
Gut, dann schlage ich dir vor, dass wir hier zusammen warten, bis er kommt, der Vater ihres Kindes. Er hat gesagt, er will um Mitternacht in diesen Teich pinkeln, weil er ihr nicht glaubt, dass es Rudi den Uferschreck gibt. Der bin ich nämlich. Ich wollte ihm auflauern und ihn mal ordentlich mit der Nase in den Schlamm tunken. Aber wenn du willst, kannst du ihn anschließend vor dem Ertrinken retten und ...

Rudrinella:
O, du bist ein Schatz. Das tu ich. Ja dann mal los mit dem Verwandlungszauber!

Ruderfix: Und vergiss nicht: in hundert Jahren in meinem Korallenpalast...

Rudrinella:
Na klar, Rudilein!

Ruderfix:
Versteck dich, er kommt.
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