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Ausflug in die Natur Natur- und Tiergedichte

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Alt 04.02.2012, 16:46   #1
Galapapa
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Standard Frost

Wie bleiern liegt die zähe Stille auf dem Morgen,
das Land ruht stumm im glitzernd weißen Totenkleid.
Der frühe Tag scheint eilends sich sein Licht zu borgen
von eines blauen Himmels kalter Helligkeit.

In graden, weißen Säulen weht der Rauch nach oben
aus den Kaminen senkrecht, scheinbar unbewegt.
Der Frost hat Silberblumen zart, fragil gewoben
und nächtens auf die Fenstergläser aufgelegt.

Am Waldsaum kann ich erstes Sonnenlicht erkennen,
mir ist, als spürte ich am eisigkalten Baum
die zarte Tageswärme in der Rinde brennen,
dass er erwachte schon aus seinem Wintertraum.

Die Bäume recken ihre dünnen, kahlen Zweige,
als ob sie flehten, händeringend in die Luft.
Verharrend blicke ich hinauf zu ihnen, schweige
und atme ehrfurchtsvoll des Winters strengen Duft.

Geändert von Galapapa (10.02.2012 um 08:59 Uhr)
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Alt 04.02.2012, 17:13   #2
wolo von thurland
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hallo galapapa
ja, das ist genau, was ich mag! ich ziehe neidvoll den hut.
vielleicht interessiert dich, welche stellen ich etwas fragil finde.

Wie bleiern liegt die zähe Stille auf dem Morgen,
zu viele bedeutungsvolle adjektive, ein unnötiges "wie" und ein unpassendes "definites pronomen" (oder wie das heisst).
man könnte diese zeile mit leichten abänderungen verbessern.

"glitzernd weissen totenkleid"
zu viel gewicht. weiss ist in china trauerfarbe, nicht bei uns. weisses kleid = unschuldskleid.

"weht der rauch nach oben".
jeder merkt, dass das "weht" nur hier steht, damit ein pleonasmus mit "steigt" vermieden wird (oder wie das heisst). und dann: "scheinbar unbewegt nach oben wehen" klingt nicht wirklich gut. (statt steigen wäre zeigen möglich)

"flattern nun"
das "nun" ist als zeitliche bestimmung schwer einzuordnen. ein "schon" würde auf die frühe tageszeit hinweisen. dass die spatzen beim flattern eine filigrane spur hinterlassen, ist mir nicht so vertraut. ich mache hier jetzt doch einen vorschlag:
"Zum Futterhäuschen kommen" oder:
"Am futterhäuschen landen"

"dünne, kahle zweige"
bäume? eher wohl sträucher. (oder das "dünn" ist zu viel des guten.)

"als ob sie flehten, händeringend in die Luft."
gehört das "händeringend" nicht eher vor "flehten" als nach "recken"?

ich habe mich mit vorschlägen zurückgehalten, so gut ich es schaffte, weil ich grossen respekt habe vor deinem werk hier.

gruss von wolo
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Alt 04.02.2012, 17:50   #3
ginTon
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hallo galapapa,,

Ich muss sagen, dass mir deine Naturbeschreibung sehr gut gefällt.

Zitat:
Wie bleiern liegt die zähe Stille auf dem Morgen,
das Land ruht stumm im glitzernd weißen Totenkleid.
Der frühe Tag scheint eilends sich sein Licht zu borgen
von eines blauen Himmels kalter Helligkeit.
Sehr gute Strophe, wobei ich in der letzten Zeile zu "vom blauen Himmel, seiner kalten Helligkeit" tendiert hätte, ist aber auch so gut.

Zitat:
Wie bleiern liegt die zähe Stille auf dem Morgen,
das Land ruht stumm im glitzernd weißen Totenkleid.
Der frühe Tag scheint eilends sich sein Licht zu borgen
vom blauen Himmel, seiner kalten Helligkeit.
Die anderen Strophen gefallen mir."dass er erwachte aus seinem Wintertraum" darüber habe ich ein wenig gesessen und versucht dieser Zeile zu folgen, die muss ich noch wirken lassen.

Insgesamt ein sehr schöner Text, gefällt mir...

gerne gelesen, liebe Grüße gin
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Geändert von ginTon (04.02.2012 um 17:54 Uhr)
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Alt 04.02.2012, 21:14   #4
Galapapa
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Hallo wolo,
zunächst danke ich Dir fürs Lesen, Kommentieren und für Dein Lob!
Dankbar bin ich Dir natürlich auch für Deine Kritik und die Anregungen dazu, wenn gleich ich da in einigen Dingen anders denke und gedacht habe.

Im Einzelnen:
Zum ersten Vers schreibst Du, " man könnte diese Zeile mit leichten Abänderungen verbessern". Hier fehlt mir Dein Vorschlag.
Mir waren beide Adjektive wichtig: "Bleiern", weil diese Stille in den eiskalten Morgenstunden auf mich eben so schwer erscheint und "zäh", weil nichts sich zu bewegen scheint und wenn, dann nur sehr schwerfällig.
"Wie bleiern" mit "schwer" zu ersetzen wäre kein Adjektiv weniger und zwei Silben zu wenig, wegen der Sechshebigkeit.

In meinem Text "weht" der Rauch nach oben, weil ich das so beobachte. In der Kälte steigt die warme Luft aus den Schloten wie hochgeblasen in die kalte Umgebung. Wenn man genau hinschaut, dann kann man das als "Wehen" erkennen. "Zeigen" wäre mir hier viel zu statisch.
Mit einem "Pleonasmus", was immer das auch ist, hat das sicher nichts zu tun, denn ich habe den Begriff "wehen" nach Überlegen bewusst gewählt. Mit "steigt...nach oben" hätte ich allerdings auch kein Problem.

Dass weiß für Unschuld steht, ist mir bekannt. Das ist ja auch wahrscheinlich mit ein Grund, warum man für das Totenhemd weiß wählt. Nie gesehen?
Schwarz steht für Trauer. Deshalb tragen die Trauernden schwarz. Der Tote aber trauert nicht.
In China mag das Trauerkleid ja weiß sein; da kenn ich mich nicht aus.

Es steht da auch nicht "...beim Futterhäuschen flattern nun die ersten Spatzen, wobei sie filigrane Spuren hinterlassen...", sonder "und" statt "wobei". Klar, dass beim Flattern keine filigranen Spuren entstehen.
Anderes Beispiel: "...flattern nun die ersten Spatzen und holen sich ihr Futter..."; das heißt ja auch nicht, dass sie im Flattern essen.
Das "nun" habe ich bewusst gewählt, um einen zeitlichen Ablauf im Text anzudeuten. Die Stille in der Dämmerung - die ersten Sonnenstrahlen - dann die ersten Vögel am Futterhäuschen.

Mit "dünne, kahle Zweige" meine ich die äußersten Enden der Zweige, denn die ragen in den Himmel und sind auch bei Bäumen dünn. Das "dünn" sollte also auf die Zweigenden hinweisen. Ob das nötig ist oder nicht, darüber kann man diskutieren.

Zum "händeringend" möchte ich noch sagen: Dein Vorschlag hätte zur Folge, dass der erste Vers wie folgt aussieht: "...die Bäume recken händeringend ihre Zweige...". Wie dann der zweite Vers aussehen soll, ist mir unklar.
Ich halte die Formulierung nicht mal für eine "lyrische Verdrehung", sondern für grammatikalisch vielleicht etwas ungewöhnlich aber nicht falsch.
Ich bin ein alter Simpel, was meine Sprache angeht; gelernt habe ich sie vor 60 Jahren. Vielleicht irre ich mich ja?

So wie es aussieht, vertreten wir beide ziemlich unterschiedliche Anschauugen die Sprache betreffend. Für mich ist das aber lediglich eine Geschmacksache.
Es tut mir leid, dass ich Deine Vorschläge nicht verwerten konnte. Ich habe meinen eigenen Stil und es soll auch mein Text bleiben.
Trotzdem vielen Dank für Deine Kritik; ich bin keineswegs ein kritikscheuer Besserwisser und sehr wohl kritikfähig; aber innerhalb meiner Grenzen. Ich hoffe, Du verstehst das und bist nicht böse deswegen, denn das würde mir sehr leid tun.
Nochmals danke und herzliche Grüße an Dich!
Galapapa

Hallo gin,
auch Dir lieben Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob!
"Von eines blauen Himmels kalter Helligkeit" ist wohl nicht gerade eine moderne Formulierung. Ich hab wolo schon gesagt, dass ich sprachlich ein alter Simpel bin; den Genitiv halte ich für romantisch und neige etwas dazu.
Vor "dass er erwachte aus..." musst Du einfach nur nochmal "...als spürte ich am eisigkalten Baum..." setzen, dann wird der Zusammenhang klar.
Zugegeben, der Bezug ist ein wenig weit weg aber vielleicht gerade noch zulässig?
Nochmals danke und liebe Grüße zurück!
Galapapa
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Alt 05.02.2012, 15:27   #5
Dana
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Lieber Galapapa,

ich komme gerade von einem "Frostspaziergang" - die Sonne lockte und Töchterlein hat mich überzeugt.

Ich habe dein Neues bereits gelesen und mir unterwegs vorgenommen, dein Werk "Frost" zu kommentieren.

Draußen fand ich fast jedes Bild deiner Strophen (bis auf den Sonnenaufgang auf dem Waldsaum, den ich heute früh sah ) und habe versucht, sie meiner erwachsenen Tochter zu vermitteln. Sie ist eine freundliche Zuhörerin, wenn sie dann und wann unsere Gedichte vorgetragen bekommt - gnadenlos.
So auch hier: "Ja, Mama, schön wie ihr das seht und toll, dass ihr Leute habt, mit denen ihr euch austauschen könnt. Mir werden ab jetzt alle Bäume leid tun,
die händeringend gen Himmel flehen und ich werde dann immer an dich denken."

Warum ich das erzähle?
Das ist auch ein Echo und ein Lobgesang auf deine Dichtkunst. Mir gefällt es wieder einmal ungemein gut - es ist schön.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 05.02.2012, 15:33   #6
Chavali
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Lieber Galapapa,

auch ich schließe mich den lobenden Kommentaren meiner Vorschreiber an.
Sehr schön und sehr poetisch hat du ein eindringliches Winterbild gezeichnet.

Ich mag, wie du die Worte zu dichterischen Strophen vereint hast und mir gefällt
deine Sichtweise auf den Winter.
Zitat:
Die Bäume recken ihre dünnen, kahlen Zweige,
als ob sie flehten, händeringend in die Luft.
Verharrend blicke ich hinauf zu ihnen, schweige
und atme ehrfurchtsvoll des Winters strengen Duft.
Diese Strophe gefällt mir am besten

Lieben Gruß,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 05.02.2012, 16:41   #7
Galapapa
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Liebe Dana,
warum sollte es Deinem Töchterlein besser gehen als meinen beiden?
ich glaube auch nicht, dass da manchmal sowas wie Desinteresse zum Ausdruck kommt. Uns gegenüber scheint es manchmal schwer zu fallen, Begeisterung zu zeigen. Die Eltern tun doch immer so, als ob sie alles besser wüssten und könnten; das kann man doch nicht auch noch zugeben, wenn`s auch so ist. Hinten herum hab ich dann aber schon einige Male erfahren dürfen, wie stolz sie doch auf das sind, was der Alte kann, egal was.
Umso mehr habe ich mich diesmal nicht nur über Dein geschätztes Lob gefreut, sondern besonders auch über das Deiner Tochter.
Sag ihr bitte einen ganz lieben Gruß von mir und übermittle ihr meinen herzlichen Dank, der natürlich auch Dir gilt!
Wirklich leiden tun die Bäume dann doch wohl eher unter der Trockenheit als unter der Kälte und die Flehenden sind letzlich doch wir Menschen, die langsam genug vom Winter haben und sich aufs Frühjahr und den Neuanfang freuen.
Trotzdem ziehe ich immer wieder meinen Hut beispielsweise vor den Vögelchen, die nach diesen eisigen Nächten ums Futterhäuschen flattern, als ob nichts gewesen wäre und ich frage mich manchmal: "Wie machen die das bloß?"
Nochmals lieben Dank und herzliche Grüße!
Galapapa

Liebe Chavali,
auch Dir möchte ich meinen herzlichen Dank sagen für Dein Lob und Deinen Kommentar!
Meine Sichtweise auf den Winter ist eher eine ängstlich distanzierte mit wenig Begeisterung. Letztere hebe ich mir für das kommende Frühjahr auf.
Ich gestehe, als ich's gelesen habe, hat mir auch die letzte Strophe am besten gefallen. In ihr schwingt auch diese Distanziertheit deutlich mit.
Auch bin ich der Meinung, dass die erste, dritte und letzte Strophe schon ein fertiges Gedicht ergeben würden.
Danke nochmal und liebe Grüße an Dich!
Galapapa
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