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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 26.11.2009, 09:45   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Friedhof

Es wäre an der Zeit, daran zu denken,
dass wir dem Sein nur Hingeliehne sind:
Die Welt verliert, was wir an Leben schenken,
in ihrem Weiterwachsen wie ein Kind
ein unersehntes Spielzeug, und vergessen
ruht unter Steinen Schicksal ohne Zahl.
Wie Kinder haben wir es einst besessen
und unersehnt verloren tausendmal...
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (26.11.2009 um 12:02 Uhr)
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Alt 26.11.2009, 10:17   #2
Quicksilver
lebendig
 
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Standard

Hallo eKy,

in meinen Augen ist dies ein sehr gelungenes Werk von dir. Ich habe es mehrfach gelesen und darüber sinniert. Technisch habe ich auf den ersten Blick nichts zu mäkeln, obschon ich mich frage, ob man "Hingeliehne" nicht doch mit Apostroph schreiben sollte.

Zitat:
und vergessen
ruht unter Steinen Schicksal ohne Zahl.
Diese Stelle ragt für mich besonders hervor. Ich finde es sprachlich sehr gelungen. Jedoch stoße ich mich an den Folgeversen:

Zitat:
Wie Kinder haben wir es einst besessen
und unerkannt verloren tausendmal...
Es liegt an dem Bezug zum Schicksal, dass ich mich stoße. Kann man sein Schicksal überhaupt verlieren? Wenn ich über das Wort Schicksal nachdenke, bedeutet es für mich einen vorbestimmten Weg, der in jedem Fall gegangen wird und dem ich nicht entkommen kann. Den kann ich in meinem Verständnis nicht verlieren. Vielleicht definierst du Schicksal anders - nämlich als Mögliches aber nicht Zwingendes. Dann stimme ich dir gerne zu. Wenn du es aber ebenso wie ich definierst habe ich einen Vorschlag für dich.

Du könntest anstatt Schicksal das Wort "Zukunft" verwenden. Zum Einen gibt es wohl genau das wieder, was du aussagen möchtest, zum Anderen passt es recht schön zum Klang des Verses.

Ich habe mich sehr gern mit deinen Versen beschäftigt. Mein Kompliment für die geschliffene Wortwahl.

Grüße
von
Quicksilver
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Alt 26.11.2009, 12:10   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Quicksilver!

Danke für die "geschliffene Wortwahl"!
Apropos: Ich habe in der letzten Zeile noch ein Wort verändert. Dadurch gibt's zwar jetzt eine Wortwiederholung, aber das Bild, das ich eigentlich vermitteln wollte, wird deutlicher: Wie die Welt, ein ewig erwachsendes Kind, uns als ihr "unersehntes" Spielzeug verliert, so verlieren wir (ewig Kinder, die wir sind) unser Schicksal (sprich: unsere Chancen, etwas anders oder besser zu machen usw...) auf die gleiche gleichgültige Weise: Wie unersehntes Spielzeug eben, glaubend, es gäbe ja immer Neues, solange wir sind.

Glauben heißt: Nicht wissen...

LG, eKy
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Alt 26.11.2009, 12:49   #4
Corazon
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Hallo Erich Kykal,

mir gefällt dein Gedicht und seine Aussage auch sehr gut. Geschmeidige Worte für eine bizarre Welt.

Der Satz mit dem "Hingeliehne" stört mich irgendwie. Hingeliehne klingt irgendwie nicht optimal.

Ich hätte geschrieben

"dass wir nur dem Sein entlehnte sind:"

aber das ist alles Geschmackssache.


Liebe Grüsse

Mariah Maddalena
Corazon ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2009, 14:37   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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"Hingeliehne" kommt schon vor bei Rilke! Wegen des Apostrophs ringe ich noch mit mir, tendiere hier allerdings eher zum Weglassen desselben.
Ist nur ein "ungewohntes"Hörerlebnis, weil das so heute keiner mehr formulieren würde, aber ich bin aus einem anderen Jahrhundert(tausend)!

LG, eKy
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Alt 26.11.2009, 15:15   #6
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 4.893
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hallo eKy,

welch kleinod in sprache und form!
da ist kein strich zuwenig und keiner zuviel.
hast allzu wahres trefflich verdichtet -
das stimmt ein wenig melancholisch, gerade,
weil man dir in der sache recht geben muss!

wunderschön hast du dem verlorenen noch einmal nachgespürt!
mit "hingeliehenen" ohren,
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.11.2009, 07:23   #7
Erich Kykal
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Beiträge: 8.570
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Hi, larin!

Da hast du - abgesehen von deinem dankbar entgegengenommenen Lob - was Schönes gesagt: Verdichten!

Du triffst es genau: In letzter Zeit versuche ich - bei gleichbleibend schöner Sprache - den Kern zu treffen, das Wesentliche herauszustellen, ohne Schnörkel rundherum. Das ist wohl - gerade für mich Wortverliebten - der Schwersten eines! Deshalb gibt's dadurch jetzt auch mehr "kurze" Gedichte von mir. Mal sehen, wo das hinführt...

LG, eKy
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Alt 01.12.2009, 17:05   #8
Louis Lazar
ComMODa
 
Registriert seit: 09.08.2009
Ort: Zürich, Schweiz
Beiträge: 314
Standard

Lieber Erich Kykal,

jedes deiner Werke - vom Sentenzcharakter getragen - ist ein Geschmeide der schönsten Wortjuwelen.
Auch dieses.

Wir alle schreiben so gut wir es können, aber können es nicht so gut, wie wir es gerne können würden. Eine traurige Wahrheit, von der du dich bestimmt nicht ausnehmen willst - oder doch?



Liebe Grüsse
Louis Lazar
Louis Lazar ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.12.2009, 02:43   #9
Abraxas
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Re

Hingeliehne passt perfekt!

Hallo eKy,

ich bin erneut bestrebt zu tieferen Gedanken;
und bin erneut belebt durch deiner Worte Sinn.
Doch statt mich zu belehr'n und freudevoll zu danken,
verbleib' ich wie ich war; und Gegenwärtig bin:
Ein Mensch, der stets verlangt, was niemals er besaß;
der Schicksale verkannt, verloren hat en masse.

...Was sicherlich auch noch lange so bleiben wird. Du steckst an, eKy. Auf andere Weise zu antworten wäre deinen Zeilen nicht gerecht gewesen.

Ich genieße deine Gedichte. Ich genieße sie sehr! Weiter so!

Liebe Grüße,
Abraxas

Geändert von Abraxas (02.12.2009 um 03:03 Uhr)
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Alt 02.12.2009, 06:43   #10
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
Standard

Lieber Erich Kykal,

von mir kommt nichts außer Kniefall.
Das "unersehnt" jagt mir einen Schauer über den Rücken.

cyparis
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