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Alt 28.06.2016, 18:32   #1
Fenek
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Der verflixte Glücksbringer II

Maria hatte sich nach dem Verscheiden unserer Mutter vor zehn Jahren das winzige Erbe, eine elfenbeinfarbene Arsch-mit Ohren-Skulptur, zu eigen gemacht, wozu sie sich allein dadurch berechtigt gefühlt hatte, weil sie die ältere von uns drei Geschwistern war. Agneta, unsere jüngere Schwester, nahm es nicht einfach hin. Und eines Tages verschwand der Glücksbringer aus Marias Weste, als sie gerade ein Bad nahm. Ich wohnte mit im Hause der beiden, war damals achtzehn Jahre alt und hatte mich bisher rausgehalten aus dem Streit.

Maria jammerte entsetzlich über ihren Verlust, bezichtigte Agneta und tat mir leid. Ich kam auf eine Idee, wie ich den Arsch-mit-Ohren zurückgewinnen wollte. „Gib mir eine Stunde Zeit. Wenn ich bis dahin keine akzeptable Lösung gefunden habe, kannst du immer noch die Polizei holen.“
„Na gut“, seufzte Maria, „aber nur eine Stunde.“

Ich raste mit meinem Auto zum Trödler. Es war kurz vor Geschäftsschluss. In der Auslage standen eine Menge solcher Skulpturen. Und ich hatte Glück. Zwei mussten aus der gleichen Baureihe stammen wie der von unserer Mutter. Sie waren identisch, alles war gleich, bis auf die unscheinbare kleine Signatur unterm Boden. Ich nahm beide mit, denn man weiß ja nie, wofür so ein zweiter Arsch-mit-Ohren gut sein kann.
Maria erwartete mich schon gespannt. Ich hätte ihr natürlich eine der Figuren geben und ihr sagen können, es wäre ihre und ich hätte sie auf dem Flur gefunden. Aber sie kannte den Trödler gut und die Sache wäre wohl aufgeflogen. Ich hatte auch was Besseres im Sinn und zog einen der Arsch-mit-Ohren-Skulpturen aus meiner Hosentasche.
„Da ist er ja“, freute sich Maria. Ich sagte ihr, es wäre nicht ihrer. Sie wollte natürlich ihren echten wiederhaben.

„Ja, ja, Maria, du sollst auch deinen echten wiederhaben. Ich mache dir folgenden Vorschlag. Wir erzählen herum, dass ein Dieb dir einen falschen, als Köder ausgelegten Arsch-mit-Ohren geklaut habe, den du leicht zugänglich in die Seitentasche deiner Weste gesteckt hättest, während du den echten in der kleinen versteckten Innentasche verborgen hieltest. Denn weil dir in letzter Zeit so viele Leute dein Glück missgönnten und du damit rechnen musstest, dass man dir deinen Glücksbringer stehlen würde, hättest du eben diese List angewandt, und wärst froh, dass der dumme Dieb darauf reingefallen sei. Was meinst du, wie es deiner Schwester wurmen wird, und sie reagiert gewiss spätestens zum nächsten Badetag, um ihren vermeintlichen Fehler wettzumachen.“

Den Arsch-mit-Ohren vom Trödler steckte Maria in die kleine Innentasche ihrer Weste und tat so, als wenn sie im Bad wäre, schlich sich aber durch den Flur und wir blickten abwechselnd durchs Schlüsselloch in ihr Schlafzimmer. Wir hatten den Schlüssel abgezogen und den Stuhl mit der Weste darüber so gestellt, dass wir alles beobachten konnten. Maria war außer sich vor Freude und Genugtuung, weil Agneta auf unseren Bluff einging und den vermeintlich echten Arsch-mit-Ohren aus der Weste gegen den gestohlenen von Maria eintauschte. Aber ich flüsterte ihr zu: „Versprich mir aber bitte, dass du der guten Agneta nichts verrätst. Sie ist mit ihrem falschen Arsch-mit-Ohren ja nun bestraft genug. Und lassen wir sie im Glauben, sie hätte den echten. So soll sie glücklich werden, und mit einem Schlag sind alle Zwistigkeiten um diesen blöden Glücksbringer aus der Welt.“
„Ja, ist schon gut, Enno. Ich verspreche dir, nichts zu sagen.“

Abends saßen wir dann glücklich beisammen. Es war ein Idyll, wie wir es seit zehn Jahren nicht mehr gekannt hatten. Die beiden Schwestern hatten ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen und einen unbeschreiblichen Glanz in den Augen.

Ein viertel Jahr später brannte mein Auto aus, weil die elektrische Anlage defekt war. Frustriert schlenderte ich heim, schlich geknickt durch den Flur, wo mir schrille Frauenstimmen aus der geschlossenen Stubentür entgegentönten. Ich schaute in den Spiegel an der Garderobe. Ja, ich sah schon aus wie ein richtiger Pechvogel, um Jahre gealtert, das Gesicht noch schwarz vom Rauch und die Kleidung verschmiert mit Motorenöl. Die Stimmen aus dem Wohnzimmer überschlugen sich immer heftiger. Unsere jüngere Schwester schimpfte: „Ihr habt mir ein falsches Ei untergeschoben?! Dass ich nicht lache.“
„Ja“, erwiderte Maria, „wenn du es nicht glauben willst, frag’ doch unseren lieben Bruder.“

Ich öffnete die Tür. Agneta zischte mich sofort an: „Habt ihr mir das wirklich angetan, das mit der falschen Skulptur?“ Doch plötzlich hielt sie inne und die beiden schauten mich entsetzt an. Maria fragte: „Was ist denn mit dir passiert?“
„Nun, ich habe Pech gehabt, mein Wagen ist ausgebrannt.“
„Um Gottes willen, bist du auch nicht verletzt?“ riefen beide wie aus einem Munde. In Notfällen hält meine Verwandtschaft zusammen.
„Nein, nein“, beteuerte ich, „aber was den echten Arsch-mit-Ohren anbetrifft, da muss ich euch beide enttäuschen, denn den hab’ ich nämlich“, und zog ihn aus meiner Tasche.

Maria, unsere älteste, glotzte mich eine Zeit lang zornig und verdutzt an, fingerte aufgeregt den zweiten Arsch-mit-Ohren vom Trödler, den ich ihr heimlich in die Weste gesteckt gehabt hatte, hervor und betrachtete ihn ungläubig, während Agneta zufrieden grinste, sich dann aber äußerte: „Nun, offenbar ist es ganz gut so, dass keine von uns beiden den echten Arsch-mit-Ohren gehabt hat, sonst hätte jetzt wohl eine von uns einen ausgebrannten Wagen, und würde genauso dämlich dreinschauen wie unser lieber Bruder Enno.“
„Ja, ja, da hast du wohl recht. Bisher hatte der Arsch-mit-Ohren zwar immer Glück gebracht, aber jetzt will er unsere Familie sicher für dies Hin und Her, was wir mit ihm getrieben haben, bestrafen.

Meine kleine Schwester nickte. Ich schaltete mich ins Gespräch: „Soll das etwa bedeuten, ihr würdet auf den echten Arsch-mit-Ohren verzichten?“
„Ja, ja“, waren sie sich einig. Und ich tat das, was man vor zehn Jahren versäumt hatte. Ich warf den verflixten Glücksbringer auf den Müll.
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