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Alt 06.09.2015, 11:38   #1
wolo von thurland
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Beiträge: n/a
Standard nicht länger enkel

endlich ist der geist der trümmerfrauen
wieder mal gefragt! und endlich kann
frau etwas tun, man stehen seinen mann
und auf der wiese eine zeltstadt bauen.

lange war das warten, bis das gute,
welches in uns steckt, die ganze empathie
der gene, unsre anthropophilie,
sich äußern darf mit typisch deutschem mute.

nun, der tag ist da, in langen reihen
kommen fremde ins gelobte land,
nun zeigen wir, nun liegt klar auf der hand,
dass wir nicht länger mehr die enkel seien.
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Alt 10.09.2015, 20:07   #2
Agneta
Gast
 
Beiträge: n/a
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Da ich ein bisschen Ironie aus den Zeilen lese, schließe ich mich mit einem Verschen an, lieber Wolo:


Wir sind die Enkel , werden es auch bleiben,
drum möchten wir uns Hype nun einverleiben,
das Siegel, dass doch Gutes in uns stecke
- mir scheint es Mittel nun zum guten Zwecke.

Auch Merkel möcht vom Nazibärtchen runter
und setzt sich ( nein) , ganz unerwartet munter.
Sie steichelt über dichtes dunkles Haar,
auch wenn ihr Statement wieder luftig war.

Wie schade, dass der Hype zerstört,
was wirklich Menschen nur gehört.
Denn lange hält solch Hysterie,
im großen Ganzen meistens nie.

LG von Agneta
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Alt 12.09.2015, 22:12   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
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Moin wolo,

jau, Deutschland ist wieder schwanger und das mit typisch deutscher Gründlichkeit. Alles oder nix...

Ich sehe zum einen viele wirklich engagierte Menschen, auch Alte, die sich wieder gebraucht fühlen, und die in ihren Ehrenämtern Unglaubliches leisten.
Zudem glaube ich, dass sie ihre Arbeit an Menschen mit ehrlichen und herzlichen Absichten verrichten und ich finde, das darf und sollte auf keinen Fall herabgewürdigt werden.
Diese Menschen sind jetzt da, wir haben sie aufgenommen und nun müssen wir ihnen helfen, sich in ihrer neuen Heimat zu orientieren, ohne dabei abzuwägen, ob ihre Anwesenheit richtig ist.

Die Kehrseite ist allerdings, dass der zur Zeit ungebremste Zuzug katastrophale Wirkungen zeitigt.
Zum einen spaltet er die Bevölkerung im eigenen Lande, zum anderen steht der europäische Gedanke auf dem Spiel.
Zusätzlich werden notleidenden Menschen Versprechen suggeriert, die auf Dauer nicht eingehalten werden können, weil die notwendigen Dinge, vor allem menschenwürdige Unterkünfte, fehlen, und die engagierten Bürger es nicht schaffen werden, immer mehr dieser Menschen betreuend zu begleiten.
Denn auch jene haben ihre eigenen Sorgen und Probleme in den Griff zu bekommen, der Spielraum bleibt begrenzt.

Ich bin auch Enkel. Ein Großvater hat den Nazis gedient, der andere hat sie zumindest geduldet.
Allerdings habe ich mich niemals als Enkel einer verheerenden Ideologie gesehen, die Erbsünde liegt mir nicht, sondern stets als Enkel zweier Menschen, abseits all ihrer guten und schlechten Seiten.

Was man aus ersterem machen kann ist tatsächlich paradox.

Übrigens gefällt mir die Wortschöpfung "Anthropophilie" außerordentlich gut. Ich würde dies ganz allgemein mit "Zuneigung zum Menschen" übersetzen.

Der Text trifft im Allgemeinen ins Schwarze, aber zielt eben auch manchmal auf die Falschen, nämlich auf diejenigen, die ehrlich überzeugt sind, etwas Gutes zu tun und eine solche Absicht sollte man eigentlich nicht verurteilen im Gegensatz zu solchen, die Brandsätze werfen und sich feindlich verhalten.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 16.09.2015, 13:40   #4
wolo von thurland
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Hallo Agneta
Richtig, Enkel ist man, da kann man nichts ändern.
Wenn ich dich richtig verstehe, trennst du in deiner Sicht den "Hype" vom "Menschen".
Nun, ich hoffte, das anders dargestellt zu haben, nämlich so, dass das Gute in Frau Merkel und mir aus der gleichen Quelle kommt (vererbte Empathie), dass aber ich sowohl wie sie einen mindestens emotionalen Eigennutz anstreben.
Dass ich das nicht ganz ohne Ironie und leichten Zynismus sehen mag, ist aber richtig erkannt.

Hallo Falderwald
Ich kann und will dir in der Thematik nicht widersprechen, da "bin ich voll bei dir", wie der moderne Empath so gerne sagt.
Ich wollte auf niemanden zielen, schon gar nicht auf die Falschen. wenn das so erscheint, ist mein Text nicht so gelungen, wie ich wollte.
Ich sehe uns alle in dieser Angelegenheit ironisch. Dafür spricht auch die zweite und eigentliche Bedeutung des Begriffs Anthropophilie in Bezug auf Parasiten.
Dennoch bin ich sehr beeindruckt und angenehm berührt von diesem "refugee-welcome" -Hype an deutschen bahnhöfen.
Tja, man sollte seine Gedichte nicht erklären müssen. Oder dann doch lieber Prosa oder gar nicht schreiben.

Danke euch beiden für die Kommentare und
frohes Dichten
wolo
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Alt 16.09.2015, 19:55   #5
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.912
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Hi wolo,

so schlimm ist das mit dem "Zielen" gar nicht, wenn man die politischen Hintergründe bedenkt.

Jedoch stellt sich vor Ort eine andere Sicht der Dinge ein, so dass es auch in den falschen Hals geraten kann.
Sicherlich sind die "Trümmerfrauen" in diesem Zusammenhang eine fantastische Metapher, jedoch darf man nicht vergessen, dass die meisten von ihnen durch die alliierten Besatzungsmächte per Befehl zu dieser speziellen Tätigkeit verpflichtet wurden. Dafür wurden sogar frühere Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen aufgehoben. Das war die Verliererseite. Ich denke, das haben viele dieser Frauen nicht aus reinem Enthusiasmus gemacht, während die heutigen sich vielmehr aus moralischen Gründen dazu verpflichtet fühlen (und weil sie dazu von den "heutigen Besatzungsmächten" geradezu genötigt werden. Siehst du, ich kann es auch mit dem Zynismus ).

Außerdem ist es sicherlich nicht ausreichend, Zeltstädte zu bauen, damit allein ist es wohl nicht getan. Danach fängt die eigentliche Arbeit ja erst an.

Das war für mich so ein wenig der Haken in der ersten Strophe.

Die Kritik war also nur marginal.


Liebe Grüße

Falderwald


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Alt 22.09.2015, 20:10   #6
wolo von thurland
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hallo falderwald

danke für die aufklärung. den echten trümmerfrauenhintergrund hatte ich nicht bedacht.
vielleicht kann man trotzdem gelten lassen: der "geist der trümmerfrauen", welcher später zum mythos erhoben wurde, blendet seinerseits diesen aspekt aus.

dass ich heute in gedichteforen anstelle von gedichten engagierte analysen der "zweiteilung des landes in gutmenschen und besorgte bürger" lesen muss, spült mich wie eine welle vom sicheren beobachtungsstand des über den rhein blickenden verseklemperers. hier entstehen neue "moderne mythen", deren sinn wir möglicherweise erst viel später begreifen werden.

marginale kritiken sind mitunter die interessantesten.

schönen abend
wolo
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