Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 26.10.2012, 11:58   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard TV - Das indirekte Leben

Im Flimmern heischen ungezählte Lose
vergeblich grell um unsere Geduld,
denn gleichermaßen Sühne oder Schuld
berührn uns nicht. Das Leben aus der Dose

entwöhnte lange uns dem wahren Fühlen -
das stieß uns allzu lange nicht mehr zu,
und in der Illusion von Seelenruh
ist ja so gut in andrer Dasein wühlen,

als wären alle Bilder ohne Wesen
in einem Kreis, den man als Sein begreift.
Der nackte Zeigefinger wird zum Besen,

der leichthin alles ins Vergessen streift,
was wir nicht gerne zwischen Zeilen lesen
und uns womöglich zu Gewissen reift.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (29.10.2012 um 12:35 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2012, 20:37   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Servus Erich,

ich lese gerade "Die Philosophie des verbotenen Wissens" von Professor Konrad Paul Liessmann, der übrigens ein Landsmann von dir ist.
Ein ziemlich negatives Buch hat er da geschrieben, was ich allerdings im positiven Sinne meine, denn diese Seite der menschlichen Existenz gibt es ja schließlich auch.
Dort wird das Thema deines Sonetts auch behandelt, zwar nur am Rande, aber es zeigt doch deutlich, wie sehr der Mensch sich zum Hässlichen und Schrecklichen hingezogen fühlt, vor allem, wenn er es aus der Ferne genießen kann.

"Als wären alle Bilder ohne Wesen" ist die Zeile, die ich an dieser Stelle einmal aufgreifen möchte.

An sich ist das ja auch so, Bilder sind keine Wesen, es sind eben nur die Bilder von Wesen, die irgendetwas erlebt haben.
Natürlich sind damit persönliche Schicksale verbunden und das ist es ja auch, was im Text zum Ausdruck gebracht werden soll, denn die Sozialkritik zwischen den Zeilen ist ja nicht zu übersehen.

Letztendlich ist das TV nur ein Produkt für Konsumenten, dazu noch geschickt aufgearbeitet, so daß es zwar Reaktionen beim Verbraucher hervorruft, dieser jedoch nicht wirklich Anteil an den gezeigten Ereignissen nehmen kann, weil er reizüberflutet wird.
Meist bleibt es bei der von ihm erwarteten Empörung.

Und trotzdem kann jeder auf diese Art und Weise, so wie es der Titel aussagt, indirekt am Leben anderer teilnehmen und bekommt solche Erfahrungen quasi gefahrlos für Leib und "Seele" auf dem Silbertablett in kleinen Häppchen frei Haus geliefert.

Gefühle bleiben dabei auf der Strecke, denn es betrifft einen ja (meist) nicht persönlich.

Wozu braucht es da ein Gewissen?

Heute ist es so, daß wir durch die schnellen Medien in einer Art "informierendem Rauschzustand" existieren. Eine Droge die immer wieder aufs Neue aktiviert werden will, weil eben alles, was sich gestern ereignete, auch schnell wieder in Vergessenheit gerät und sich somit abnutzt.
Nur das Neue ist noch interessant und das meine ich im wortwörtlichen Sinne, nämlich das Neue des Neuen wegen.

Selbst das, was ich jetzt hier geschrieben habe, ist morgen schon wieder Schnee von gestern, weil ich dann auf der Suche nach was Neuem bin.

So ist (auch) das (direkte) Leben (manchmal)...


Das ist ein nachdenklich machendes Sonett, daß ich gerne gelesen und kommentiert habe...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.11.2012, 21:49   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Faldi! (Hatte Vertipperle und schrieb erst: Fasldi )

Den Herrn Liessmann und sein Buch kenn ich nicht, aber du hast meine Gedankengänge in Punkto TV sehr gut nachempfunden.
Das Gewissen sollte eigentlich mündig entscheiden, inwieweit man sich dieser Medienpampe ausliefern will und sie so quasi mitträgt. Aber als Junger weiß man es nicht besser, und als Alter ist man zu träge oder rechnet sich keine Chancen aus.

Früher war das Fernsehen weniger vielfältig, aber dennoch gehaltvoller!
Erst die amerikanischen Werbepausen, das Unterbrechen jeder Sendung alle 10 Minuten. Dann die ganzen sinn- und stillosen Talkshows, die leichten Vorabendserien ohne jeden Tiefgang, die Serien für die Schlüssellochfraktion wie Big Brother und alle Klone, pseudowissenschaftliche Sendungen ohne viel Info, aber reißerisch aufgemacht, kein Thema länger behandelt als allgemein verträgliche 10 Minuten, schön oberflächlich und belanglos.

Kultur, Kritisches, Dokus und Kunst - dafür gibt es eigene Kanäle. Aber auch da gibt's viel Mist! Was mich eigentlich stört, ist der unglaublich viele "tiefe" Müll, dieses Prolofernsehen, das um sich greift. Früher hatte man Bildungsauftrag und Vorbildfunktion - heute heißt es: Je unwürdiger, je doller! Der bildungsfernen Schichten allertiefste Lüste und Neigungen werden da schamlos bedient, und das alles in obendrein unflätigster Sprache! Sprache...auch so ein Kapitel im Fernsehen! Wer gutes Deutsch kann, wird nicht vor 2h morgens gesendet! Wenn selbst in Werbungen schon eindeutig falsches Deutsch verwendet wird, und keiner regt sich auf...was sagt das wohl aus? Der gute Ton verkommt zwischen satirischem Türkensprech und dem Gestammel unbeleckter Quotenopfer in den Nachmittagstalkshows, die eigentlich nur Idioten vorführen sollen, damit sich ein gehässiges Publikum an ihrem verbalen Durchfall weiden kann.

Tja - so schaut's aus! Schöne neue Welt zum Quadrat! Orwell würde sich im Grabe wenden...
Und dennoch schalte ich die Glotze jeden Tag ein und zapp mich zu den wenigen gehaltvolleren Angeboten durch - meistens Spongebob oder Universum. Knaaaatsch!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Leben Dana Denkerklause 6 23.06.2011 20:36
Leben Motti Auf der Suche nach Spiritualität 13 29.12.2009 14:14
Das Leben Saltatio Mortis Kurzgeschichten 12 12.11.2009 23:32
Leben Galapapa Denkerklause 10 24.08.2009 04:37
BH -Leben a.c.larin Der Tag beginnt mit Spaß 11 11.08.2009 20:00


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 04:16 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg