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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 21.11.2013, 16:52   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
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Standard Polaritäter

Dort drüben in der wohlbekannten Seitengasse
erwarten sie die Dunkelheit und ihre Kunden,
sind junge, unverbrauchte und auch alte, blasse
Verkäufer ihrer Körper, die sich eingefunden.

Nicht einer hätte wohl als Mädchen oder Knabe
gedacht, sich später auszuliefern fremder Lust,
für Geld, Versprechungen, für eine milde Gabe
sich willig hinzugeben bis zum Selbstverlust.

Und weiter oben in der Stadt, in mancher Runde,
zersingen Gottversprochene den lieben Tag,
gemurmelt in Gewohnheit dringt aus ihrem Munde
ein stolzes Gift, das sich in Demut hüllen mag.

Nicht einer hätte wohl als Mädchen oder Knabe
gedacht, sich später auszuliefern einem Wort,
für nacktes Seelenheil und Ritualgehabe
sich abzuleugnen und zu büßen immerfort.

Wer kann schon wissen, wie die Regeln alle lauten
in diesem ewig undurchschauten, wirren Spiel?
Sind, die zu wenig oft und die zuviel vertrauten,
zuletzt nicht Reisende nach einem gleichen Ziel?
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (21.11.2013 um 17:28 Uhr)
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Alt 23.11.2013, 20:20   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Standard

Lieber eKy,

an deinen Gedichten muss man nicht mehr auf Klangsprache und Versmaß achten, um zu kritteln. Beide sind immer stimmig.

Man kann sich ganz auf den Inhalt einlassen um dir danach zu sagen, was man an Bildern, Aussagen und Denkerkraft ertastet, gefühlt und bewundert hat. (Es tut mir leid, wenn ich dich ausschließlich mit Lob bedenke - ich hoffe dir nicht.)

Eine tiefe und zugleich satirische Gegenüberstellung. Der Leser fragt sich, was denn schlimmer sei.
Die Conclusio überlässt es dem Leser, ob er bitter und nachdenklich (be)lächelt.

Polaritäter haben immer nur ein Ziel - es muss sich im Hier und Jetzt lohnen! Dafür schaffen sie "Schafe" und "Schäfchen", die aus der Not blöken.

Ein Gedicht, das lange nachwirkt.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 24.11.2013, 12:22   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Dana!

Immerzu Dank für Lob und Anerkennung - keine Sorge. kann ich nie genug von kriegen...

Mit diesen Polaritäten wollte ich zeigen, wie oberflächlich Menschen andere "aburteilen". Ich habe so manche "Hure" persönlich gekannt und kann sagen: Abgesehen von ihrer Tätigkeit, die als gesellschaftlich "verwerflich" abgestempelt wird, sind es Menschen wie andere auch. Und viele sind nicht leichtfertig oder gar freiwillig dort gelandet: Elend, Verschleppung, Missbrauch, Kriminalität - es gibt viele Ursachen.
Ebenso das andere Extrem: Abgesehen von ihrer Gottfixierung, und dass sie sich in rigiden Regelwerken offenbar wohlfühlen, sind auch Gläubige bloß menschlich, pflegen ihre keinen Sünden ebenso wie andere, weil sie sie ja Sonntags beichten können und so Vergebung von außen finden für etwas, das sie sich selbst nicht vergeben wollen oder können. Ich finde so eine Lebensweise aber mindestens ebenso gesellschaftlich "ungesund" wie eine Tätigkeit als Hure! Auch hier sind es oft von außen gesteuerte Einflüsse: Indoktrination und Erziehung durch besonders eifrige Eltern, Priester, Sekten...

Die einen verkaufen ihre Körper, die anderen ihre Seelen, und ab einem bestimmten IQ aufwärts werden wohl beide nicht so recht glücklich damit sein!

Und beide hätten sich als kleine Kinder wohl nie träumen lassen, sich so zu verrennen, sich wegzuwerfen, entweder an eine geile Meute oder an ein fiktives Gedankenkonstrukt, die beide ihr Leben bestimmen, einengen und ausbeuten! Aber so sind die Menschen nun mal: Ohne ein Leid scheinen sie kein Glück definieren zu können!
Wo führt das diese Extreme letztlich hin? Zu besserem Verständnis füreinander? - Aber nicht doch! So weit denken die meisten nicht, und es ist immer leichter, auf ein Feindbild zu schimpfen, als verstehen zu wollen und Toleranz zu üben. Erst der Tod gleicht alles aus. Leider macht die nächste Generation dann bereits die gleichen Fehler - so wie sie es von der alten gelernt hat! Nur das Ziel bleibt immer das gleiche: Ein Ende, dem es letztlich egal ist, woran man geglaubt und worunter man gelitten hat! - Aber selbst das ist den wenigsten klar!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 24.11.2013, 17:29   #4
Chavali
ADäquat
 
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Beiträge: 13.001
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Hallo Erich,

dein gesellschaftskritisches Gedicht geht unter die Haut!
Und auch deine Antwort an Dana unterstreicht die Brisanz dieses Themas.

Ich habe nichts mehr hinzuzufügen.

LG Chavali

__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 19:53   #5
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Vielen Dank für deine einfühlsamen Worte!

LG, eKy
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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